Regisseur Daniel Schmid ist tot
Der Bündner Film- und Opernregisseur Daniel Schmid ist tot. Er erlag in der Nacht auf Sonntag 64-jährig einem Krebsleiden, wie seine Familie mitteilte.
Bekannt wurde Schmid, der zu den bedeutendsten Schweizer Regisseuren der Gegenwart zählt, unter anderem mit dem Film «Beresina».
«Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz» lief 1999 erfolgreich an den Festivals von Cannes und Locarno und wurde vom Bundesamt für Kultur (BAK) für den Ausland-Oscar nominiert. Im selben Jahr erhielt Schmid in Locarno einen Ehrenleoparden für sein Gesamtwerk. Bereits 1998 hatte er den hochdotierten Kunstpreis der Stadt Zürich bekommen.
Das Filmfestival Locarno zeigte am Sonntag in einer mitternächtlichen Hommage Schmids «Il Bacio di Tosca» auf der Piazza Grande. Der Dokumentarfilm über die Casa Verdi in Mailand, ein Altersheim für Opernsänger, war 1984 auf der Piazza uraufgeführt worden. Das Schweizer Fernsehen SF 1 zeigte am Sonntag um 20 Uhr «Beresina».
Mit Schmid verliere die Schweiz «einen ihrer ganz grossen Regisseure», würdigte Nicolas Bideau, Chef der Sektion Film im BAK, den Verstorbenen. Bideau lobte insbesondere «Beresina», weil der Film zugleich qualitativ hochstehend und – mit 120’000 Besuchern – populär sei.
Multitalent
Daniel Schmid wurde am 26. Dezember 1941 im bündnerischen Flims als Hotelierssohn geboren. Ab 1962 studierte er Geschichte, Publizistik, Politologie und Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Daneben arbeitete er als Journalist, Dolmetscher und Übersetzer.
Von 1966 bis 1969 studierte Schmid an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin und arbeitete danach für Peter Lilienthal, Rainer Werner Fassbinder und Werner Schroeter. In dieser Zeit trat er auch als Darsteller auf, so in Fassbinders «Händler der vier Jahreszeiten» (1971) und «Lili Marleen» (1980) und in Wim Wenders› «Der amerikanische Freund» (1977).
1970 bis 2004 drehte Schmid 15 Filme, darunter drei, die als «Dokumentarfilme» bezeichnet werden, obwohl ihm diese Schubladisierung nicht behagte. «Imitation of Life» (1983), ein Porträt des US-Regisseurs Douglas Sirk, den Altersheimfilm «Il Bacio di Tosca» (1984) und «Das Geschriebene Gesicht» (1995) über Männer, die im japanischen Kabuki-Theater Frauenrollen spielen.
Erinnerung und Geschichte
Schmids erster Spielfilm war 1972 «Heute Nacht oder nie» über den alten Brauch des temporären Rollenwechsels zwischen Herrschaft und Dienerschaft. Mit «La Paloma» schuf er zwei Jahre später ein erstes Meisterwerk über die morbide Beziehung zwischen einem Aristokraten und einer Cabaret-Sängerin.
Auf «Schatten der Engel» (1976) nach einem Text von Fassbinder folgte 1977 «Violanta», eine Inzestgeschichte nach C.F. Meyer und 1982 «Hécate», ein Drama um Leidenschaft und Eifersucht. In «Jenatsch» verband er Gegenwart und Vergangenheit im Motiv um den Tod eines Bündner Freiheitskämpfers und in «Zwischensaison» gestaltete er Erinnerungen an (s)eine Kindheit im Hotel.
Enge Zusammenarbeit mit Martin Suter
Seit 1984 inszenierte Schmid ausserdem sieben Opern am Opernhaus Zürich und am Grand Théâtre Genf, darunter Rossinis «Guglielmo Tell» (1987), Verdis «Il Trovatore» (1996) und Bellinis «Beatrice di Tenda» (2001).
Die Vor- und Dreharbeiten zu seinen letzten Filmen, «Julia disappears» und «Portovero» musste Schmid Anfang dieses Jahres aus Krankheitsgründen einstellen. Das Drehbuch von «Julia disappears» stammte wiederum, wie schon diejenigen für «Jenatsch», «Zwischensaison» und «Beresina», vom Zürcher Bestsellerautor Martin Suter.
swissinfo und Agenturen
1970: Thut alles im Finstern (Do everything in the dark)
1972: Heute Nacht oder Nie (Tonight or Never)
1974: La Paloma
1976: Schatten der Engel (Shadow of Angels)
1977: Violanta
1981: Notre-Dame de la Croisette
1982: Hécate
1983: Imitation of Life (Douglas Sirk)
1984: Il Bacio di Tosca (Tosca’s Kiss)
1987 Jenatsch
1991: Les Amateurs
1992: Hors Saison/Zwischensaison (Off Season)
1995: The Written Face
1999: Beresina
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