Schweiz und Japan loten den Handel von morgen aus
Nächste Woche treffen sich die Delegationen Japans und der Schweiz zum vierten Mal, um über das Freihandels-Abkommen zu verhandeln.
Mit Traktanden wie Ökologie und Innovation bewegen sich diese Verhandlungen in neuen, noch wenig bekannten Sphären, erklärt der Schweizer Delegationschef Luzius Wasescha.
Die Freihandels-Verhandlungen mit Japan begannen zu Beginn des Jahres 2007. Im zweiten Halbjahr 2008 sollten sie beendet werden.
Enden sie erfolgreich, dürfte es sich um den wichtigsten Handelsvertrag der Schweiz nach jenem mit der Europäischen Union handeln.
Eine Zwischenbilanz mit Luzius Wasescha, dem Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge und Delegationsleiter in den Verhandlungen mit Japan.
swissinfo: Worin unterscheiden sich die laufenden Verhandlungen mit Japan von anderen bilateralen Verträgen, die die Schweiz bisher abgeschlossen hat?
Luzius Wasescha: Wir versuchen uns bei diesem Vertrag mit Japan als Pioniere. Die künftige Handelspolitik wird Themen wie Entwicklung, Umwelt oder Menschenrechten stark Rechnung tragen müssen. Das macht die Politik zwar kompliziert, aber gleichzeitig umfassender.
Mit unseren japanischen Partnern versuchen wir, neue Wege einzuschlagen, um solche Fragen ebenfalls zu lösen.
Künftige Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation werden zudem neue Bereiche wie Forschung, Innovation, sicherere Lieferungen – zum Beispiel von Wasser – und Zugang zu Ressourcen wie Energie umfassen. Die hier aufgeworfenen Fragen sind äusserst heikel.
swissinfo: Die heutige Handelsbilanzstruktur zwischen Japan und Schweiz favorisiert die Schweiz. Zielt das Freihandelsabkommen auf einen Ausgleich?
LW: Im globalen Handelsumfeld ist ein bilateraler Handelsbilanzausgleich kein Ziel an sich mehr. Betrachtet man hingegen die Schweizer Zölle auf japanische Fahrzeuge, sollte ein Freihandelsabkommen diese stark ermässigen. Das trägt dann sicher auch zur Stimulierung der Verkäufe japanischer Fahrzeuge im Land bei.
Das wirtschaftliche Gewicht Japans wird oft unterschätzt. Es handelt sich immerhin um die zweitwichtigste Wirtschaftsmacht der Welt. Für die Schweiz wichtig ist die Diversifikation ihrer wirtschaftlichen Beziehungen.
Unser ökonomisches Gravitationszentrum ist sicher die EU. Aber wir wollen auch mit Ländern wie Japan, USA, in zweiter Linie Kanada, Südamerika, dem Rest von Asien und hoffentlich auch Afrika enge Beziehungen pflegen.
swissinfo: Üblicherweise bevorzugen solche Freihandelsabkommen den stärkeren der beiden Vertragspartner. Wie steht es im vorliegenden Fall?
LW: Es liegt nicht im Wesen der japanischen Unterhändler, uns zu jedem Preis eine Lösung aufzudrängen. Wir haben das Glück, in einem sehr angenehmen Klima verhandeln zu können. So vermögen wir gemeinsam Lösungen zu suchen, die beiden Partnern dienen.
Einen privilegierten Zugang zum japanischen Markt zu haben, ist für die Schweiz ein wichtiger Trumpf. Lassen sich unsere innovativen Produkte in Japan, einem schwierigen Markt, gut absetzen, heisst das, das sie auch anderswo konkurrenzfähig sind.
swissinfo: Solche bilateralen Verträge sind wichtig. Setzen wir jedoch stark auf Bilaterale, könnte uns dies nicht bei den multilateralen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation benachteiligen?
LW: Sicher gibt es eine Komplementarität zwischen den WTO-Verhandlungen und jenen ausserhalb dieses Rahmens.
Sollten wir eines Tages 36 verschiedene bilaterale präferenzielle Handelssysteme auf der Welt haben, werden die wirtschaftlichen Entscheidungsträger sehr schnell den diskreten Charme des multilateralen Rahmens der WTO wiederentdecken.
swissinfo: Einige wichtige WTO-Vertreter, inklusive Direktor Pascal Lamy glauben, dass ein multilateraler Rahmen sogar innerhalb der Doha-Runde möglich ist. Und Sie?
LW: Bis zu einem gewissen Punkt schon. Seit September befassen sich die WTO-Mitglieder erstmals seriös mit der Verhandlungsarbeit. Das dürfte zu einem Konsens bei den Grundzügen führen, zumindest in jenen Bereichen, die weniger kontrovers sind.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Zeit noch reicht, dies alles im ersten Teil des kommenden Jahres unterzubringen.
Es besteht die Gefahr, dass die Grundzüge der Verhandlungen, also die Basis, veraltet. Das würde zu zusätzlichen Komplikationen führen.
Interview swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertrag aus dem Französischen: Alexander P. Künzle)
Japan ist nach der EU und den USA der drittgrösste Handelspartner der Schweiz.
2005 erreichten die Investitionien der Schweiz in Japan 7,7, jene der Japaner in der Schweiz 1,1 Mrd. Franken.
Die Schweiz ist in Japan der fünftgrösste Investitor.
Die bilateralen Beziehungen der beiden Länder reichen bis 1864 zurück.
Während der 2. Weltkriegs nahm die Schweiz in Japan die Interessen von rund 20 Ländern wahr, darunter der Allierten. Gleichzeitig repräsentierte sie Japan vor den Allierten.
Die beiden Länder sind mit bilateralen Verträgen aneinander gebunden, zum Beispiel im Bereich des Flugverkehrs, der Visa-Erteilung oder der Doppelbesteuerung.
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