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Wer sich hinter die Bürgerinnen und Bürger im Ausland stellte – und wer nicht

Nationalrat
Bei sehr vielen Entscheiden auf einer Linie mit der Fünften Schweiz: Die Nationalrätinnen und Nationalräte der Sozialdemokraten. Keystone / Anthony Anex

Welche Parteien haben in der ablaufenden Legislatur 2015 bis 2019 die Interessen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wirklich vertreten? SWI swissinfo.ch hat alle Geschäfte des Nationalrats mit Bezug zur Fünften Schweiz analysiert.

Viele der 760’000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland niedergelassen haben, bleiben an der Schweiz politisch interessiert. Sie wollen in der Heimat ihre Anliegen vertreten sehen. Kommen diese aber auch im Parlament Externer Linkan?

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So haben wir die Parlamentsarbeit ausgewertet

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Wie wir die Parlamentsarbeit untersuchten, welche Kriterien wir anwendeten und was die politischen Parteien zur Analyse beigetragen haben.

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Diese Frage hat swissinfo.ch gestellt. Wir haben in Zusammenarbeit mit den Politik-Analysten von smartvote.chExterner Link die Legislatur 2015 bis 2019 unter die Lupe genommen. Wir identifizierten über die vier Jahre der Parlamentsarbeit im Bundeshaus 16 Geschäfte, die im Nationalrat zur Abstimmung gelangten. Alle Geschäfte hatten einen Bezug zu den im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizern, zu 14 davon hatte die ASO ihre Position öffentlich formuliert.

Die Auslandschweizer-OrganisationExterner Link (ASO) vertritt die Anliegen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Diese Interessen hat die ASO unter anderem zu Beginn der Legislatur in einem Manifest Externer Linkdefiniert. Jedoch liegt nicht alles, wofür sich die ASO einsetzt, im Interesse jeder und jedes Auslandschweizers oder jeder Auslandschweizerin.

Das Gesamtbild zeigt eine deutliche Tendenz: Bei allen 16 Geschäften, die wir analysiert haben, stellte sich die Sozialdemokratische Partei (SP) hinter die Interessen der Fünften Schweiz, wie die Bürgerinnen und Bürger im Ausland auch genannt werden.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), Grüne und Grünliberale schlugen sich überwiegend auf die Seite der Auslandschweizer-Organisation. Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) stimmte bei der Hälfte der Geschäfte für, bei der Hälfte entgegen der Interessen der ASO. 

Am wenigsten Übereinstimmung zeigte sich bei der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

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Woher kommt die Übereinstimmung von SP und ASO? 

Warum die Sozialdemokraten im Interesse der Auslandschweizer-Organisation stimmen, hat verschiedene Gründe. Zum Einen gibt es starke Übereinstimmungen bei politischen Positionen: Beispielsweise haben sich sowohl SP als auch ASO klar gegen die Selbstbestimmungs-Initiative ausgesprochen.

Auch der Einfluss von SP-Nationalrat Tim Guldimann dürfte eine Rolle gespielt haben. Als sogenannter «Internationalrat» war er der erste Auslandschweizer im Parlament und lobbyierte in seiner Fraktion bis zu seinem Rücktritt 2018 stark für deren Interessen – dies immer auch in der Optik seiner Partei.

Ein weiterer Grund: Die SP unterhält mit der SP InternationalExterner Link von allen Parteien mit internationalen Sektionen die politisch aktivste. Das zeigte sich gerade Ende Juli wieder, als die Partei über 30 kandidierende Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer präsentierte.

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Ebenfalls zur SP gehört der ehemalige Nationalrat Remo Gysin, der heute Präsident der Auslandschweizer-Organisation ist. SVP-Politiker Claudio Zanetti wirft Gysin vor, er zwinge der ASO eine «stramm sozialistische Agenda» auf. Zanetti ist ebenfalls Mitglied des Vorstands der ASO. Regelmässig trage er dort mit seinen SVP-Positionen ein einsames Gefecht aus, sagt er.

Auf der anderen Seite beklagt Peter Hug, der Auslandsekretär der Sozialdemokraten, dass viele Themen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Ständerat oder im Nationalrat von einer bürgerlichen Mehrheit versenkt würden. «Überall bürgerliche Sonntagsreden. Aber wenn es im Nationalrat und im Ständerat darauf ankommt, dann wird knallhart alles abgelehnt, was der Fünften Schweiz Konkretes bringen würde», wirft Hug den Bürgerlichen vor.

Auswertung nach Themen

Teilt man die 16 untersuchten Geschäfte in fünf Kategorien ein, wird das Bild differenzierter. So zeigt sich beispielsweise, dass die SVP beim Thema Bankzugang durchaus die Interessen der Auslandschweizerinnen und -schweizer vertrat. 

Die folgende Grafik zeigt, dass auch FDP und Grüne je nach Kategorie mal für und mal gegen die Interessen der ASO stimmten. Wenn man mit der Maus über die Farbpunkte der Parteien fährt, zeigt sich dies deutlich. 

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Nachfolgend analysieren wir das Abstimmungsverhalten auf Parteiebene bei den Themen Bankzugang, E-Voting, Volksinitiativen, Medien und anderen Geschäften im Detail.

Viele Schweizer Banken erlegen ihren Kunden im Ausland hohe Gebühren und Hürden auf. In den Jahren 2017 und 2018 gab es drei Abstimmungen, welche die Abschaffung dieser Hürden zum Ziel hatten. Die ASO war jeweils für diese Anliegen. Die SP und die Grünen stimmten hier am stärksten mit der ASO überein.

Auffällig ist die relativ hohe Übereinstimmung der SVP: 64% der SVP-Parlamentarier waren mit der ASO einig. SVP-Nationalrat Claudio Zanetti erklärt: «Ordnungspolitisch lehnen wir ab, dass der Staat einer Bank reinredet. Wenn der Staat aber eingreift, um Banken zu retten, dann ist es auch zulässig, dass er dies mit Auflagen verbindet.»

Die bürgerlichen Parteien Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) und FDP distanzierten sich zu diesem Anliegen deutlich. Vor allem die wirtschaftsliberale Partei FDP ist eng mit dem Bankenplatz verbunden und gewichtete die Interessen der Banken höher als jene der ASO.

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Schiffbruch erlitt die Auslandschweizer-Organisation in dieser Legislatur mit ihrer Ambition, dem E-Voting zum Durchbruch zu verhelfen. Gescheitert ist dieses Projekt letztlich ausserhalb des Parlaments, an technischen und an Kostenfragen.

Im Parlament wurde seit 2015 vier Mal zum Thema E-Voting abgestimmt. Der Grossteil der Parteien stellte sich hinter das Anliegen, jedoch kam grosser Widerstand von der SVP und den Grünen. Beide brachten von Anfang an grosse Sicherheitsbedenken in die Debatte ein. In unserer Analyse zeigt sich: 76% der abstimmenden SVP-Nationalräte waren anderer Meinung als die ASO.

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Im Frühling 2019 wurden Sicherheitslücken im System der Post bekannt – der politische Support für die elektronische Stimmabgabe bei allen Parteien begann zu bröckeln. Im Juni schaffte es ein SVP-Vorstoss unter dem Titel «E-Versand statt E-Voting», die Mehrheit des Nationalrats hinter sich zu scharen. Auch die ASO hatte sich schliesslich dahinter gestellt.

Bei den Volksinitiativen, bei denen die ASO sich öffentlich positioniert hatte, wird das Bild besonders deutlich. Die meisten grossen Parteien waren auch auf ASO-Linie – nur die SVP stimmte zwischen 2015 und 2019 mehrmals gegensätzlich zu den ASO-Empfehlungen ab.

Als Initiantin des Geschäfts «Ausländergesetz. Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen» (2016) im Zuge der Umsetzung der Volksiniative «Gegen Masseneinwanderung», der Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (2018) als auch der Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» war sie geschlossen für diese Anliegen, alle anderen Parteien dagegen.

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Bei der Umsetzung der sogenannten Masseneinwanderungs-Initiative sowie bei der Selbstbestimmungs-Initiative ging es den Gegnern – besonders auch der ASO – um den Erhalt der Personenfreizügigkeit. Von dieser profitieren alle Schweizerinnen und Schweizer, die im EU/EFTA-Raum leben.

Mit der «No Billag»-Initiative zielte die SVP auf die Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren. Hier standen bei den anderen Parteien wie auch bei der Auslandschweizer-Organisation der Service Public und die Rolle der Medien für die DemokratieExterner Link im Vordergrund.

Im Jahr 2016 stimmte das Schweizer Parlament über Sparvorschläge ab. Davon betroffen war zum einen das Auslandangebot der SRG, es ging um massive Kürzungen bei swissinfo.ch. Zum andern drohten auch dem Magazin der Auslandschweizer-Organisation, «Schweizer RevueExterner Link» Einschnitte. Bei den Befürwortern dieses Angebots herrschte Geschlossenheit. Die SVP und die FDP votierten für die Kürzungen.

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«Die rechtsbürgerliche Mehrheit in der Finanzkommission hatte dem Kahlschlag beim Auslandangebot der SRG noch zugestimmt», erinnert sich Peter Hug, Auslandsekretär der Sozialdemokraten: «Wir konnten es nur sehr knapp verhindern.»

Es gibt einige Themen, die nicht nur der ASO, sondern wohl den meisten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern am Herzen liegen: etwa die Doppelbürgerschaft oder der Anspruch auf Ergänzungsleistungen bei einer Heimkehr ins Heimatland Schweiz. 

Von bürgerlicher Seite wurden zwei Vorstösse zu deren Abschaffung ins Parlament getragen. Die die übrigen Parteien hielten dagegen.

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Ebenfalls hier haben wir zwei Vorstösse analysiert, die zum Ziel hatten, mehr oder bessere Daten über die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zu beschaffen, einerseits über deren Abstimmungsverhalten, andererseits über ihren Nutzen aus der Personenfreizügigkeit: Politische Grundlagenarbeit für die Sichtbarkeit der fünften Schweiz.

Auch bei diesen ergibt sich ein ähnliches Bild: Die SVP lehnte entschieden ab, die FDP deutlich, die meisten andern waren mehr oder weniger dafür.

Unsere Methode: Wir haben Entscheide gesucht, welche die im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer tangieren. Dabei stützten wir uns bei 14 der 16 untersuchten Abstimmungen auf die Agenda der Auslandschweizer-Organisation ASO ab. Details zur Datengrundlage und zur Methodik lesen Sie hier, unseren Analyse-Code können Sie hier auf Github einsehenExterner Link


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