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Darum dominiert die Schweiz den weltweiten Markt für Kaffeemaschinen

Kaffeebohnen
Keystone / Christian Beutler

Die Schweiz ist weltweit führend in der Herstellung von Kaffeemaschinen. Die Chancen stehen gut, dass Ihr Lieblingsgetränk, ob zu Hause oder bei einer Kaffeekette, mit einer Schweizer Maschine zubereitet wurde. Wie kam es zu dieser Dominanz?

Die Schweiz ist bei der Herstellung von Kaffeemaschinen eher als Trendfolgerin denn als Trendsetterin zu bezeichnen. Seit die Mailänder Firma La Pavoni 1905 mit der Produktion von Espressomaschinen begann, konnten die ungeduldigen Italienerinnen und Italiener ihren Kaffee in weniger als einer Minute zubereiten.

Nach dem Ersten Weltkrieg sahen Schweizer Unternehmen, die in anderen Branchen tätig waren, die Chance, in das Geschäft mit Kaffeemaschinen einzusteigen, die in Italien jenseits der Alpen in Mode waren.

Eine dieser Firmen war Schaerer, die 1892 als kleines Einzelhandelsgeschäft begonnen hatte. Der Gründer, Maurice Schaerer, nutzte sein Ingenieurwissen, um chirurgische Instrumente, Desinfektionsgeräte und Operationstische zu entwickeln und zu bauen. Solche waren während des Ersten Weltkriegs sehr gefragt.

Schaerer spürte jedoch einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung und nutzte seine Erfahrungen in der Metallverarbeitung und im Umgang mit Dampf, um eine dampfbetriebene Kaffeemaschine zu entwickeln.

Eine der ersten automatischen Kaffeemaschinen
Die 1957 hergestellte manuelle Dosiermaschine PIC gilt heute als eine der ersten automatischen Kaffeemaschinen. Schaerer

«1924 folgte Schaerer der zeitgenössischen, aus den Entbehrungen des 1. Weltkriegs geborenen, Sehnsucht nach Luxus und Genuss und entwickelte (…) eine erste, eigene Kaffeemaschine», heisst es auf der Website des Unternehmens.

Diese Neuausrichtung der Schweizer Ingenieurkunst weckte auch den Appetit auf Innovationen. Schaerer entwickelte 1957 den PIC-Handdosierer, der heute als einer der ersten Kaffeevollautomaten gilt.

«Die Firmen Egro, Schaerer und Rex waren die grossen Pioniere. Dank solider Konstruktion und intelligenter Produkte hatten sie sofort Erfolg; zuerst in der Schweiz, dann in Nordeuropa und im Fernen Osten», sagt Chahan Yeretzian, Professor und Leiter des Kompetenzzentrums Kaffee an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

«Die Produkte wurden laufend weiterentwickelt und mit zusätzlichen Anwendungen versehen. Als echte Schweizer boten diese Firmen ihrer Kundschaft auch einen hervorragenden Service an.»

Die Revolution in der Gastronomie

1970 entwickelte Schaerer mit der KM-Serie den weltweit ersten Kaffeevollautomaten mit integrierter Mühle.

Der Zeitpunkt für diese Innovation war günstig: 1974 wurde nach langen Verhandlungen der erste nationale Gesamtarbeitsvertrag für das Schweizer Gastgewerbe unterzeichnet und in Kraft gesetzt.

Er verpflichtete die Wirtinnen und Wirte, allen Angestellten einen Monatslohn zu zahlen und eine Servicegebühr von 15% auf die Gesamtrechnung zu erheben. Bis dahin waren die Kellnerinnen und Kellner auf Trinkgelder angewiesen gewesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, da sie nur wenige hundert Schweizer Franken als Fixlohn erhalten hatten.

Das neue Gesetz trug zwar zur Vereinheitlichung der Löhne bei, erhöhte aber die Lohnbelastung der Wirtinnen und Wirte. Dies und der allgemeine Personalmangel in der Gastronomie zwangen sie, ihre Betriebe zu verkleinern.

Servierpersonal in einem Lokal in der Schweiz, 1944
Die glorreichen Zeiten, in denen es viele Kellner und Buffetdamen gab, welche die Getränke zubereiteten, waren in den 1970er Jahren vorbei (Foto aus dem Jahr 1944). Keystone

«Die Buffetdamen, welche die Getränke am Buffet zubereiteten und den Service kontrollierten, wurden in den Restaurants nicht mehr gebraucht. Fortan musste das Servicepersonal alles selbst machen, auch das Auffüllen der Kaltgetränke und die Kaffeezubereitung», sagt Yeretzian.

Dieser Wandel in der Kaffeezubereitung gab den Schweizer Kaffeemaschinen gegenüber den italienischen einen deutlichen Schub, waren diese doch auf ausgebildete Baristas angewiesen.

«Es ist wichtig, die Triebkräfte der Innovation zu verstehen. Italienische Unternehmer entwickelten die Espressomaschine im 20. Jahrhundert vor allem, um die Brühzeit zu verkürzen und der Kundschaft frisch gebrühten Kaffee zu servieren», sagt Jonathan Morris, Professor an der University of Hertfordshire und Autor des Buchs «Coffee: A Global History» und der Podcast-Serie «A History of CoffeeExterner Link«.

«Die Schweizer Maschinen waren die Antwort auf eine etwas andere Triebfeder: die Vereinfachung der Zubereitung von Getränken für Menschen, die dafür nicht ausgebildet waren.»

Eine der ersten vollautomatischen Kaffeemaschinen
Die KM77 war eine der ersten vollautomatischen Kaffeemaschinen. Schaerer

Amerikanische Kooperationen

Eine weitere wichtige Entwicklung der 1970er-Jahre war die Eröffnung der ersten Filialen amerikanischer Fastfood-Ketten in europäischen Ländern.

Dazu gehörte auch McDonald’s, das in den 1960er-Jahren mit dem Schweizer Küchenhersteller Franke Kontakt aufnahm, um seine europäische Expansion voranzutreiben.

Franke, 1911 als Sanitärfirma gegründet, installierte 1972 die erste McDonald’s-Küche in München (die zweite McDonald’s-Filiale in Europa).

Wenige Jahre später begann das Unternehmen, auch in den USA Küchen für den Fastfood-Riesen zu liefern.

Franke witterte eine Chance und übernahm 1984 den Schweizer Kaffeemaschinenspezialisten Augsburger und nutzte die sich bietende Gelegenheit, McDonald’s mit Kaffeevollautomaten auszurüsten.

«Franke Coffee Systems zeichnet sich dadurch aus, dass wir massgeschneiderte Lösungen für die spezifischen Bedürfnisse der grossen Ketten anbieten. Die Individualisierung und Produktion auf Abruf unserer Maschinen sind oft ausschlaggebende Faktoren im Entscheidungsprozess der Kundschaft», sagt Franke-Geschäftsleiter Marco Zancolò.

Franke war nicht der einzige Schweizer Akteur, der die amerikanischen Giganten der Lebensmittelindustrie umwarb. Auch Thermoplan, ein weiterer Nachzügler im Kaffeemaschinengeschäft, beschloss, auf die Kaffeewelle aufzuspringen.

Das 1974 gegründete Schweizer Unternehmen stellte Schlagrahmautomaten und Milchaufschäumer her, entschied sich aber 1995 für den Einstieg ins Kaffeemaschinengeschäft.

1999 gelang es dem relativen Newcomer, einen Vertrag über die Lieferung von Kaffeemaschinen an die Kaffeekette Starbucks zu gewinnen. Seither ist Thermoplan Exklusivlieferant von Starbucks und hat am Hauptsitz in Weggis am Vierwaldstättersee bereits zwei Maschinengenerationen (Mastrena I und II) entwickelt und produziert.

«Es ist unbestritten, dass diese Partnerschaft eine wichtige Rolle für den heutigen Erfolg von Thermoplan gespielt hat und weiterhin spielt», sagt Firmenchef Adrian Steiner.

Ein Mann vor einem Kaffee-Vollautomaten
Thermoplan-Chef Adrian Steiner mit einer Mastrena-Maschine, die für Starbucks montiert wird. Thermoplan

Die wachsende Beliebtheit der Kaffeespezialitäten bei Starbucks hat den Schweizer Kaffeemaschinenherstellern zu weiteren Marktanteilen verholfen. Thermoplan, das dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert, exportiert 98% seiner Maschinen ins Ausland, in über 80 Länder der Welt.

«Gerade in den Märkten, in denen Milchgetränke am beliebtesten sind, konnten sich die Automaten durchsetzen, wie die Übernahme von Thermoplan-Maschinen durch Starbucks zeigt», sagt Kaffeehistoriker Morris.

Kaffeekultur und Cluster der Kaffeeindustrie

Schweizer Marken wie Thermoplan, Franke, Schaerer, Cafina, Rex Royal und Egro gehören heute zu den weltweit grössten Herstellern von professionellen Kaffeevollautomaten.

Auch bei den semiprofessionellen Maschinen sind Schweizer Hersteller wie Solis und Jura (mit dem Schweizer Tennisstar Roger Federer als Markenbotschafter) weltweit führend.

Obwohl keine spezifischen Daten über den Welthandel mit Kaffeevollautomaten vorliegen, gehört die Schweiz zu den wichtigsten Exporteurinnen von Kaffeemaschinen aller Art für den privaten und professionellen Gebrauch.

Externer Inhalt

«Ich schätze, dass heute rund 70% aller weltweit verkauften Kaffeevollautomaten aus der Schweiz stammen», sagt Kaffeeforscher Yeretzian.

Als Grund für die Schweizer Dominanz nennen alle von SWI swissinfo.ch angefragten Firmen die hohe inländische Nachfrage nach gutem Kaffee.

«Diese kulturelle Affinität zum Kaffeegenuss treibt die Innovation in der Kaffeemaschinenindustrie an, da die Hersteller bestrebt sind, die Vorlieben und Erwartungen der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zu erfüllen», sagt Samuel Wildhaber, Geschäftsführer von Schaerer. «Diese inländische Nachfrage dient als Sprungbrett für Schweizer Unternehmen, um international zu expandieren.»

Ein Land von Kaffeetrinker:innen

Procafé, die Schweizerische Vereinigung zur Förderung des Kaffees, schätzt, dass die Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2022 rund neun Kilogramm Bohnenkaffee pro Person konsumiert haben, doppelt so viel wie der europäische Durchschnitt.

Ein weiterer Grund für den Erfolg der Schweiz ist die Entwicklung eines industriellen Clusters der Kaffeeindustrie – nicht nur für den Bau von Maschinen, sondern auch für die Herstellung ihrer zahlreichen Funktionsteile. Die Stärke in der Präzisionsmechanik und die hohen Qualitätsstandards verschaffen der Schweiz einen strategischen Vorteil.

«Der Zugang zu hochwertigen Rohstoffen, qualifizierten Arbeitskräften und modernen Maschinen trägt zur Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hersteller bei», sagt Wildhaber von Schaerer.

Auch Thermoplan-Chef Steiner anerkennt den industriellen Ökosystem-Effekt. «Thermoplan ist durch und durch ein Swiss-Made-Unternehmen. Wir stellen unsere Kaffeevollautomaten in Weggis her, wobei rund 80% der verwendeten Komponenten aus einheimischer Produktion stammen», sagt er.

Ob die Schweizer Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil halten können, hängt von ihrer Fähigkeit ab, mit den neuesten Trends und Technologien Schritt zu halten. Thermoplan zum Beispiel investiert viel, um am Puls der Zeit zu bleiben.

Von den 530 Mitarbeitenden am Hauptsitz sind 120 in der Abteilung Forschung und Entwicklung tätig. Sie können es sich nicht leisten, so unvorsichtig zu sein wie die damals dominierende Schweizer Uhrenindustrie, die durch die bahnbrechende Quarztechnologie in den 1970er- und 1980er-Jahren fast ruiniert wurde.

«Die Digitalisierung eröffnet auch im Bereich der professionellen Kaffeemaschinen einzigartige Möglichkeiten, wie etwa die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die präzise Datenanalyse oder die Schaffung einzigartiger Erlebnisse für unsere Kundschaft», sagt Wildhaber.

Editiert von Samuel Jaberg/ts, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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