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Kampf um KI-Talente: Apple wirbt Google in der Schweiz die Leute ab

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Der FT zufolge hat Apple in den letzten Jahren zahlreiche Mitarbeitende eingestellt, um sein globales Team für KI und maschinelles Lernen zu erweitern. AP Photo / Matthias Schrader, File

Der Tech-Gigant Apple hat in den letzten Jahren Dutzende von Expert:innen für künstliche Intelligenz von Google abgeworben. Mit einem geheimnisvollen Labor in Zürich rüstet sich der iPhone-Hersteller für den Kampf gegen die Konkurrenz.

Eine Analyse der Financial Times von Hunderten von Linkedin-Profilen, öffentlichen Stellenausschreibungen und Forschungspapieren von Apple hat ergeben, dass das 2,7 Milliarden Dollar schwere Unternehmen in den letzten Jahren eine riesige Rekrutierungskampagne durchgeführt hat, um sein globales KI- und Machine-Learning-Team zu erweitern.

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FT

Der iPhone-Hersteller hat es vor allem auf Mitarbeiter:innen von Google abgesehen und mindestens 36 Spezialist:innen von seinem Rivalen abgeworben, seit er 2018 John Giannandrea zu seinem obersten KI-Manager ernannt hat.

Während die Mehrheit von Apples KI-Team in Büros in Kalifornien und Seattle arbeitet, hat der Technologiekonzern auch einen wichtigen Aussenposten in Zürich aufgebaut.

Laut Professor Luc Van Gool von der ETH Zürich hat Apple nach der Übernahme von zwei lokalen KI-Startups – der Virtual-Reality-Gruppe “FaceShift” und der Bilderkennungsfirma “Fashwell” – in der Stadt ein Forschungslabor namens “Vision Lab” eingerichtet.

Die in Zürich ansässigen Mitarbeiter:innen sind an der Erforschung der Technologie beteiligt, die Produkten wie ChatGPT von OpenAI zugrunde liegt. Ihre Arbeit konzentriert sich auf immer ausgefeiltere KI-Modelle, die Text und visuelle Eingaben bei der Beantwortung von Anfragen berücksichtigen.

Das Unternehmen hat an zwei Standorten in Zürich Stellen im Bereich der generativen KI ausgeschrieben, von denen einer ein besonders unauffälliges Profil hat. Ein Nachbar sagte der FT, er wisse nicht einmal von der Existenz des Büros. Apple reagierte nicht auf die Bitte um Stellungnahme.

Apple gibt sich wortkarg

Apple hält sich wie üblich bedeckt, wenn es um seine KI-Pläne geht, während die grossen Tech-Rivalen Microsoft, Google und Amazon mit milliardenschweren Investitionen in diese Technologie prahlen.

Die Aktien des Unternehmens sind seit Jahresbeginn gefallen, während die der Konkurrenz in die Höhe schossen. Dies hat den Druck auf den Tech-Giganten erhöht, bahnbrechende KI-Funktionen anzukündigen, die den Absatz seiner Geräte ankurbeln könnten.

Brancheninsider:innen vermuten, dass Apple sich darauf konzentriert, generative KI auf seinen Mobilgeräten einzusetzen – ein Durchbruch, der es KI-Chatbots und -Apps ermöglichen würde, auf der eigenen Hard- und Software des Telefons zu laufen, anstatt von Cloud-Diensten in Rechenzentren betrieben zu werden.

Apple-Boss Tim Cook erklärte gegenüber Analystinnen und Analysten, dass Apple “eine breite Palette von KI-Technologien erforscht” und ” verantwortungsvoll” in die neue Technologie investiert und diese entsprechend innoviert.

Neuronale Netze

Allerdings entwickelt der Technologiekonzern bereits seit mehr als einem Jahrzehnt KI-Produkte, wie seine Sprachassistentin Siri.

Seit langem ist sich das Unternehmen des Potenzials von “neuronalen Netzen” bewusst – einer Form der KI, die sich an der Art und Weise orientiert, wie Neuronen im menschlichen Gehirn interagieren, und der Technologie, die bahnbrechenden Produkten wie ChatGPT zugrunde liegt.

Chuck Wooters, ein Experte für konversationelle KI und grosse Sprachmodelle, der im Dezember 2013 zu Apple kam und fast zwei Jahre lang an Siri arbeitete, sagte: “In der Zeit, in der ich dort war, war der Wechsel zu einer neuronalen Architektur für die Spracherkennung einer der Vorstösse, die in der Siri-Gruppe gemacht wurden. Schon damals, bevor die grosse Sprachmodelle aufkamen, waren sie grosse Befürworter von neuronalen Netzwerken.”

Dieses Interesse scheint Apple zu Forscher:innen geführt zu haben, welche die treibende Kraft hinter den neuronalen Netzen waren, die KI-Modelle antreiben.

Im Jahr 2016 kaufte Apple Perceptual Machines, ein von Ruslan Salakhutdinov und zwei seiner Studierenden an der Carnegie Mellon University gegründetes Unternehmen, das an generativer KI-gestützter Bilderkennung arbeitete.

“Zu dieser Zeit waren sie auf der Jagd nach ein paar Forschenden und versuchten, die Infrastruktur für das Training dieser Modelle aufzubauen”, so Salakhutdinov gegenüber der FT.

Salakhutdinov ist eine Schlüsselfigur in der Geschichte neuronaler Netze. Er studierte an der Universität von Toronto unter dem “Paten” der Technologie, Geoffrey Hinton, der Google im vergangenen Jahr aus Sorge über die Gefahren der generativen KI verliess.

Salakhutdinov arbeitete bis 2020 als Leiter der KI-Forschung bei Apple, bevor er an die Carnegie Mellon University zurückkehrte.

Team aus wichtigen ehemaligen Google-Mitarbeitenden

Apples oberstes KI-Team setzt sich nun aus ehemaligen Schlüsselfiguren von Google zusammen, darunter Giannandrea, der zuvor Google Brain leitete, das KI-Labor des Suchkonzerns, das inzwischen mit “DeepMind” fusioniert ist.

Samy Bengio, Senior Director für KI- und ML-Forschung, war früher einer der führenden KI-Forschenden bei Google. Ruoming Pang, der das an LLMs arbeitende “Foundation Models”-Team von Apple leitet, war zuvor Leiter von Googles KI-Spracherkennungsforschung.

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Das Unternehmen stellte auch Ian Goodfellow ein, einen weiteren Pionier im Bereich Deep Learning, der jedoch 2022 zu Google zurückkehrte, weil er gegen Apples Politik der Rückkehr an den Arbeitsplatz protestierte.

Sechs ehemalige Google-Mitarbeiter:innen, die in den letzten zwei Jahren eingestellt wurden, gehörten zu den Autor:innen eines im März veröffentlichten Forschungspapiers. Darin enthülle Apple, dass es eine Familie von KI-Modellen mit der Bezeichnung “MM1” entwickelt hat, die Text und visuelle Eingaben verwenden, um Antworten zu generieren.

KI Startups

Apple hat in den letzten zehn Jahren auch etwa zwei Dutzend KI-Startups aufgekauft, die sich auf die Anwendung von KI-Techniken in den Bereichen Bild- und Videoerkennung, Datenverarbeitung, Suchfunktionen und Kuratierung von Musikinhalten konzentrieren.

Laut ihren Linkedin-Profilen arbeiten die Gründerinnen und Gründer von Musicmetric, Emotient, Silk Labs, Pullstring, CamerAI, Fashwell, Spectral Edge, Inductiv Inc, Vilynx, AI Music und Waveone immer noch für Apple.

Salakhutdinov sagte, Apple konzentriere sich darauf, “so viel wie möglich auf dem Gerät zu machen”, was den Bedarf an leistungsfähigeren Chips mit sogenanntem dynamischem Arbeitsspeicher (DRAM) mit sich bringe, der die riesigen Datenmengen verarbeiten könne, die für die KI-Modelle erforderlich seien.

“Das nächste grosse Ding werden ‘KI-Smartphones’ sein – und diese werden viel mehr DRAM benötigen”, sagte Sumit Sadana, Executive Vice President und Chief Business Officer von Micron Technology, einem der Chip-Lieferanten von Apple.

Sadana fügte hinzu, dass der durchschnittliche Speicherchip eines Smartphones heute weniger als das Minimum bietet, das für die Ausführung eines grossen Sprachmodells auf dem Gerät erforderlich ist.

Ein weiterer Grund für Apples langsame Einführung von KI sei die Tendenz der Sprachmodelle, falsche oder problematische Antworten zu geben. “Ich denke, sie sind einfach etwas vorsichtiger, weil sie nichts veröffentlichen können, was sie nicht vollständig kontrollieren können”, fügte er hinzu.

Apples Vorstoss in Richtung generativer KI-Funktionen könnte erstmals auf der Worldwide Developers Conference (WWDC) des Unternehmens im Juni zu sehen sein.

Erik Woodring, Analyst bei Morgan Stanley, sagte, dass das nächste iPhone “viel mehr ein sprachgesteuerter, intelligenter persönlicher Assistent werden könnte, angeführt von einer verbesserten Siri, die zum Beispiel mit allen Apps auf dem Telefon per Sprachsteuerung interagieren könnte”.

Er fügte hinzu: “Worauf wir auf der WWDC achten werden, sind Previews von ein oder zwei KI-Funktionen, die für Durchschnittsnutzer:innen von entscheidender Bedeutung sind.”

Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

© 2024 The Financial Times Ltd. All rights reserved.

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