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Rob Versloot: «Hero wird für eine Schweizer Marke gehalten… aber nur in der Schweiz»

Ein Mann
Rob Versloot ist der CEO von Hero mit Hauptsitz in Lenzburg. Er trat dem Unternehmen im September 2008 als Regional Vice President bei. SWI swissinfo.ch / Thomas Kern

Rob Versloot ist seit 2012 Geschäftsführer der Hero-Gruppe. In einem seiner seltenen Medienauftritte erklärt er, weshalb sein Unternehmen ganz bewusst nicht die Schweizer Herkunft in den Vordergrund stellt und nicht nur auf das Premium-Marktsegment setzt.

Die meisten Schweizer Konsumgüterkonzerne wie Ricola (Hustenbonbons), Läderach (Schokolade) und Victorinox (Taschenmesser) zielen auf das Premium-Marktsegment und versuchen, aus ihren Wurzeln und dem guten Image der Schweiz in der Welt Kapital zu schlagen.

Die Hero-Gruppe, die vor allem für ihre kleinen Konfitürenportionen in Hotels berühmt ist, hat sich für eine ganz andere Strategie entschieden: Das Unternehmen, das 1886 in Lenzburg im Kanton Aargau gegründet wurde, hängt seine Schweizer Wurzeln nicht an die grosse Glocke. Wenig überraschend bringt man die Marke im Ausland denn auch kaum mit der Schweiz in Verbindung.

Eine Grafik mit vielen Zahlen zur Hero Gruppe
SWI swissinfo.ch / Kai Reusser

Nun hat die Hero-Gruppe unlängst beschlossen, ihr Produkteportfolio zu straffen und sich auf weniger Märkte zu konzentrieren, namentlich auf Europa und die USA. Zudem wurde die Auslastung der Produktionsanlagen optimiert – was jüngst die Schliessung der Herstellung von Konfitüre in Lenzburg bedeutete.

Gleichzeitig setzt Hero ihre Strategie mit internationalen Akquisitionen fort. SWI swissinfo.ch hat Rob Versloot, seit 2012 Konzernchef der Hero-Gruppe, am Hauptsitz des Unternehmens in Lenzburg getroffen und mit ihm über die aktuellen Herausforderungen und den Weg in die Zukunft gesprochen.

SWI swissinfo.ch: Hero ist nicht das typische internationale Schweizer Grossunternehmen, das vor allem im Premium-Markt präsent ist. Wie positionieren Sie sich international?

Rob Versloot: Die Hero-Gruppe unterscheidet sich grundlegend von Schweizer Firmen, die ihre Swissness in den Vordergrund stellen. Unser Konzern ist ein «House of Brands».

In einigen Ländern nutzen wir die Marke Hero, aber in vielen anderen setzen wir auf andere Marken wie Organix (Babynahrung), Corny (Snacks) oder Vitrac (Konfitüren).

In der Schweiz werden wir zwar als Schweizer Firma wahrgenommen, in anderen Ländern aber als lokales Unternehmen ohne Schweizer Wurzeln – selbst dort, wo wir Hero als Marke verkaufen.

Für bestimmte Produkte und Marken verfolgen wir einen Premium-Ansatz, für andere bedienen wir aber auch den breiten Markt. In dieser Situation wäre es ein Fehler, überall auf die Marke Hero zu setzen.

Ihre Gruppe hielt über viele Jahre ein breites Portfolio. Dies hat sich zuletzt geändert: Sie haben den Konzern deutlich stärker fokussiert. Was steckt dahinter?

Die grösste Herausforderung für die Hero-Gruppe besteht darin, die richtigen Produktkategorien zu identifizieren und in denjenigen Ländern präsent zu sein, deren Märkte ein vielversprechendes Potential aufweisen.

Denn vergessen wir nicht: Wir sind viel kleiner als Grosskonzerne wie Nestlé, Danone, Unilever oder Mondelez. Deshalb müssen wir intelligent fokussieren.

Wir sind nur in drei Produktekategorien tätig: Baby- und Kindernahrung, gesunde Snacks und natürliche Brotaufstriche. Mit diesen drei Kategorien erwirtschaften wir 75% unseres Gesamtumsatzes.

Die Nachfrage nach gesunden Produkten und Snacks für den kleinen Hunger zwischen den drei klassischen Mahlzeiten ist gross. Wir sehen hier grosses Wachstumspotential.

Um von diesen Trends weiter profitieren zu können, haben wir vor kurzem Deliciously Ella übernommen, einen britischen Pionier für vegane Sacks.

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Rob Versloot: «Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten wissen nicht, wo unsere Produkte hergestellt werden.» SWI swissinfo.ch / Thomas Kern

2023 entfielen 71% Ihres Umsatzes auf Europa, gefolgt von Nordamerika (16%). Wo sehen Sie zukünftiges Potenzial für rentables Wachstum?

Zu unserer Strategie gehört auch, dass wir uns auf wenige Länder beschränken, analog zum Ansatz bei den Produktkategorien. Wir verkaufen primär über Supermärkte, und in den meisten Ländern sind die Supermarktketten stark konzentriert.

In der Schweiz beispielsweise decken Migros, Coop, Aldi und Lidl einen sehr grossen Teil des Markts ab. Um mit diesen Schwergewichten verhandeln zu können, brauchen wir «unverzichtbare Marken», die in ihrer Kategorie entweder Nr. 1 oder Nr. 2 sind.

Konkret werden wir uns weiter auf Europa, die USA und den Mittleren Osten konzentrieren statt auf Schwellenmärkte. Wir sehen in unserem angestammten Markt grosse Wachstumschancen.

Sie haben soeben die Konfitürenproduktion in Lenzburg geschlossen. 48 Mitarbeiter:innen waren davon betroffen. Leidet darunter Ihr Image bei der Kundschaft? Ist ihrer Kundschaft wichtig, wo ihre Produkte hergestellt werden?

Zum einen wird Hero nicht als Schweizer Marke wahrgenommen, ausser vielleicht in der Schweiz, zum anderen wissen die meisten Kund:innen tatsächlich nicht, wo unsere Produkte hergestellt werden.

Die Konfitürenproduktion in Lenzburg haben wir geschlossen, weil sie nicht genügend ausgelastet war. Trotzdem werden über die Hälfte der Produkte, die in der Schweiz verkauft werden, auch in der Schweiz oder Liechtenstein hergestellt.

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Die Kundschaft will Produkte, die gut schmecken und gesund sind. Wie möchten Sie beides gewährleisten? Ich denke da beispielsweise an den Zuckergehalt der Babysnacks von Organix.

Geschmack und Gesundheit gehen sehr gut zusammen. In vielen unserer Produkte arbeiten wir ausschliesslich mit natürlichem Fruchtzucker. Und selbst bei den Aufstrichen haben wir zuckerreduzierte oder zuckerfreie Versionen eingeführt, und die Produkte verkaufen sich sehr gut.

Bei den natürlichen Brotaufstrichen arbeiten Sie mit den Marken Hero, Queensberry und Casa de Mateus. Viele Kundinnen und Kunden ziehen aber günstigere Supermarkt-Labels vor. Wie gehen Sie mit diesem Trend um?

In den Bereichen Baby- und Kindernahrung und gesunde Snacks haben sogenannte «Private Labels», also Eigenmarken der Supermärkte, einen ziemlich niedrigen Marktanteil.

Die meisten Kundinnen und Kunden ziehen etablierte Marken wie unsere vor. Bei den natürlichen Brotaufstrichen ist der Anteil Eigenmarken tatsächlich höher, aber insgesamt haben wir mit unseren Markenprodukten noch immer eine starke Position.

Blick von aussen in eine Fabrikhalle: Anlagen und Maschinen sind in Plastik verpackt
Mit der Schliessung der Konfitürenproduktion von Hero in Lenzburg haben 48 Mitarbeitende ihren Job verloren. Ein Grossteil der Anlagen und Maschinen ist bereits in Plastik verpackt. SWI swissinfo.ch / Thomas Kern

Ist Ihre Kundschaft bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen als für solche mit einer schlechteren Ökobilanz?

Für die meisten Kundinnen und Kunden ist Nachhaltigkeit zwar sehr wichtig, sie sind aber nicht bereit, dafür mehr zu bezahlen.

Unsere Gruppe hat sich jedoch verpflichtet, bei den Treibhausgasen bis 2050 über unsere gesamten Wertschöpfungskette Netto-Null zu erreichen. Wir werden über die jährlichen Fortschritte gegenüber dem Ausgangsjahr 2019 öffentlich in unserem freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht informieren.

Wie schwierig ist es, für Ihre Zulieferer ein verlässlicher Partner zu sein?

Wir sind für den Einkauf unserer Produkte zu 100% selbst verantwortlich. Deswegen überprüfen wir in der Qualitätskontrolle sowohl die Konformität aller Ausgangsstoffe, die wir erhalten und überprüfen, und am anderen Ende das fertige Produkt, bevor wir es auf den Markt bringen. Nahrungsmittelsicherheit ist ein sehr heikles Thema, speziell bei der Babynahrung.

Aber auch wir sind nicht perfekt, egal, wie sehr wir uns anstrengen. Wichtig ist, dass wir beim Auftreten von Problemen auf die richtigen Prozesse zurückgreifen können. Dazu gehören auch die rasche Information der Kundschaft und falls nötig Produktrückrufe.

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«Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten halten Nachhaltigkeit für sehr wichtig, sind aber nicht bereit, dafür einen Aufpreis zu bezahlen.» SWI swissinfo.ch / Thomas Kern

Welches sind die Vorteile und Nachteile ihres Hauptsitzes in Lenzburg, einem eher ländlichen Ort mit nur gerade 10’000 Einwohner:innen?

Auch wenn unser Konzern seine Wurzeln in Lenzburg hat – der Schweizer Markt macht nur einen kleinen Teil der Konzernverkäufe aus. Wir haben also unseren Hauptsitz nicht deswegen in Lenzburg.

In der Schweiz profitieren wir von kompetenten Mitarbeiter:innen mit internationalem Hintergrund innerhalb einer starken Nahrungsmittelbranche. Die öffentlichen Dienstleistungen und die Infrastruktur sind zudem ausgezeichnet, und die Besteuerung ist attraktiv.

Zudem ist man von Lenzburg aus in nur gerade 20 Minuten bereits in Zürich. Aktuell arbeiten am Hauptsitz in der Schweiz etwa 60 Angestellte.

Hero ist nicht mehr an der SWX Swiss Exchange kotiert. Warum veröffentlichen Sie immer noch dicke JahresbereichteExterner Link, die ihre Mitbewerber sicher peinlich genau durchlesen?

Wir sind dezidiert der Ansicht, dass Transparenz und gezielte Veröffentlichung umfassender Information für eine gute Unternehmensführung zentral sind.

Wo sehen Sie die Hero Gruppe in zehn Jahren?

Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtige Strategie für die Zukunft definiert haben und auf die richtigen Produktekategorien setzen, besonders bei Baby- und Kindernahrung und gesunden Snacks. Ich bin optimistisch, dass wir wachsen werden.

Editiert von Virginie Mangin / ts, Übertragung aus dem Französischen: Lorenz Mohler

Werbung für Hero Konfitüre
Die Marke Hero ist vor allem für ihre kleinen Konfitürenportionen bekannt, die man in Hotels auf der ganzen Welt findet. SWI swissinfo.ch / Thomas Kern

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