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So handhaben Schweizer Händler Sorgfaltspflichten in Hochrisikoländern

Brazilian oil company Petrobras at the Campos sea basin
Petrobras' Offshore-Plattform Campos Basin in Brasilien. Die Schweiz gehört mit rund 500 Rohstoffhandels-Unternehmen zu den grössten Handelsplätzen für Erdöl, Metalle, Mineralien und Agrarprodukte. Keystone

Die in der Schweiz ansässigen Rohstoffhändler Trafigura, Vitol und Glencore wurden kürzlich unter die Lupe genommen, weil sie angeblich Verbindungen zu korrupten Vermittlern haben sollen. Die Korruption kam im Lauf der brasilianischen Untersuchungen zum Petrobras-Skandal ans Licht.

Die Schweizer Unternehmen streiten zwar ein Fehlverhalten in Brasilien ab, aber die Häufigkeit von Korruptionsvorwürfen rund um problematische Vermittler im Rohstoffsektor wirft ganz grundsätzlich die Frage auf, wie Rohstoffhändler die Einhaltung von Sorgfaltspflichten in Hochrisikoländern garantieren können.

«Die Fälle und Untersuchungen im Rohstoffsektor deuten darauf hin, dass die Sorgfaltspflicht-Prozesse (Due Diligence) in vielen Fällen zu schwach sind», sagt Gemma Aiolfi vom Basel Institute on Governance gegenüber swissinfo.ch.

Im November publizierten Global Witness und Public Eye in einem Bericht mit dem Titel «Friends in Low PlacesExterner Link» eine lange Liste mit besonderen Gefahren («Red Flags»), gestützt auf Zeugenaussagen von Personen, die in den brasilianischen Petrobras-Skandal verwickelt waren.

Der Petrobras-Skandal

Die Operation Lava Jato («Autowäsche») begann im März 2014 mit der Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen Führungskräfte der staatlichen brasilianischen Ölgesellschaft Petrobras. Diese hatten Bestechungsgelder von Bauunternehmen angenommen, um ihnen Aufträge zu überhöhten Preisen zu erteilen.

Zu den Angeklagten gehörten Dutzende von Politikern, darunter Brasiliens populärer ehemaliger Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der im April seine zwölfjährige Haftstrafe wegen Korruption antrat.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass es ein «klares Bestechungsrisiko in den Fällen aller drei Rohstoffhändler» gebe und fordert die Schweizer Behörden auf, zu untersuchen, ob Zwischenhändler Bestechungsgelder zahlten oder versprochen haben, um Geschäfte für Glencore, Vitol oder Trafigura zu sichern – mit oder ohne deren Wissen.

Die Bundesanwaltschaft teilte swissinfo.ch auf Anfrage mit, dass sie hundert Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Fall Petrobras-Odebrecht eröffnet hat und in engem Kontakt mit verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, insbesondere in Brasilien, steht. Sie sagte, sie habe die Ergebnisse von Public Eye zur Kenntnis genommen, führe aber zu diesem Zeitpunkt keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Erdölhändler im Zusammenhang mit diesem Fall durch.

Die drei betroffenen Unternehmen betonen, es gebe keine Beweise für Fehlverhalten und sie würden hohe Standards der Sorgfaltspflicht in Brasilien und anderswo einhalten. «Trafigura führt bei allen seinen Geschäftspartnern eine Due Diligence-Prüfung durch, sowohl bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung als auch konstant für die Dauer der Geschäftsbeziehung», sagt das Unternehmen.

Vorsicht vor «Red Flags»

Trafigura überprüft beispielsweise Unternehmen und verwandte Schlüsselpersonen mit Hilfe einer Branchendatenbank namens World-CheckExterner Link. Dieses Screening-Verfahren identifiziert «Red Flags» für Hochrisikoindikatoren, die mit diesen Unternehmen oder Personen verbunden sind, einschliesslich Kontakte zu politisch exponierten Personen (PEP). In diesen Fällen greift das Compliance-Team ein und führt allenfalls weitere Kontrollen durch.

Auf die Frage nach den Sorgfaltspflichten betont Vitol, dass Rohstoffhändler wie Finanzinstitute «im Umgang mit politisch exponierten Personen (PEP) strengen Gesetzen unterliegen, unter anderem jenen gegen Bestechung und Geldwäsche». Die globale Anti-KorruptionsrichtlinieExterner Link von Glencore äussert sich klipp und klar: «Bestechung ist eine Straftat.»

Internationale Händler müssen sich an den U.S. Foreign Corrupt Practices Act von 1977 halten, der Transparenzanforderungen und Vorschriften für die Rechnungslegung im Zusammenhang mit der Bestechung ausländischer Amtsträger festlegt. Oder an den noch strengeren «Bribery Act» von 2010 des Vereinigten Königreichs. Das Ausmass der Korruptionsrisiken für den Rohstoffhandel in fragilen Staaten ist der Schweiz klar, wo der Rohstoffhandel 4% des BIP ausmacht.

«Die Vergabe öffentlicher Aufträge, die Bereiche Bewilligungen und Erhebung von Gebühren, die Monopolbildung oder die Zollvorschriften sind Verfahren, die gegenüber Korruptionsanreizen besonders anfällig sind», schrieb die Schweizer Regierung in ihrem Grundlagenbericht RohstoffeExterner Link von 2013.

Public Eye nicht zufrieden

Anti-Korruptionsaktivisten wünschen sich sektorspezifische Regelungen, die diese Herausforderungen anerkennen und angehen.

Laut Public Eye beinhaltet eine unter Rohstoffhändlern beliebte Strategie, um Marktanteile zu gewinnen, die Auslagerung von Risiken durch Bezahlung von Vermittlern. Nach der Unterzeichnung von Antikorruptions-Vereinbarungen steht es dem Vermittler frei, seine Provision ganz oder teilweise an Beamte zu zahlen, im Austausch für den gewünschten Vertrag.

Schlüsselergebnisse des Public Eye-Berichts «Friends in Low Places»:

  • Vitols Vertreter für brasilianische Ölgeschäfte war ein wichtiger Akteur in einem Netzwerk, das gemäss Gerichtsdokumenten mehrere Bestechungspläne in Zusammenarbeit mit Insidern der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras ausgearbeitet hatte. Vitol bezahlte den Vertreter über eine Offshore-Gesellschaft, die im Mittelpunkt der Pläne dieses Netzwerks stand.
  • Glencore hatte einen Deal mit einem anderen Mittelsmann, der ebenfalls Teil dieses Netzwerks war. Glencore schloss eine Vereinbarung mit dem Mittelsmann über den Kauf einer Ladung Heizöl von Petrobras, wie der Rohstoffhändler selbst einräumte.
  • Eine Tochtergesellschaft von Glencore zahlte mindestens 2,1 Millionen Dollar an ein Vater-Sohn-Team von angeblichen Bestechungshelfern. Laut Glencore hat das Unternehmen die beiden als legitime Broker engagiert; es streitet jegliche Ungebührlichkeit ab. Aber ein Finanzbericht, der für einen Top-Direktor von Petrobras erstellt wurde, listet Tausende von Dollar auf, die als Bestechungszahlung aus einem «Trading Glencore»-Deal fällig sind, angeblich von den beiden bezahlt.
  • Trafigura ist Gegenstand einer aktuellen polizeilichen Untersuchung in Brasilien, sagte Petrobras gegenüber Global Witness. Trafigura und die brasilianische Bundespolizei lehnten eine Stellungnahme ab.
  • Zwei der wichtigsten Persönlichkeiten im Petrobras-Skandal – darunter Jorge Luz – tauschten Botschaften darüber aus, wie man Bestechungszahlungen aus einem vorgeschlagenen 2 Milliarden Dollar schweren Trafigura-Öl-Deal herausholen kann, wie Gerichtsdokumente zeigen. Trafigura gibt zu, Petrobras den gescheiterten Öl-Deal vorgeschlagen zu haben, sagt aber, dass das Unternehmen Jorge Luz nicht «behalten» habe, der nun eine 13-jährige Haftstrafe verbüsst.

Im Falle Brasiliens engagierten Unternehmen gemäss Public Eye Strohmänner, die angeblich an Bestechungen in Millionenhöhe beteiligt waren.

«Fast alle Korruptionsfälle von Unternehmen, die Bestechungsgelder zahlen, beinhalten einen Vermittler», stellt Aiolfi fest. «Unternehmen scheinen immer noch zu denken, dass sie sich irgendwie distanzieren können, indem sie das Risiko auslagern, obwohl die Gesetze klar sagen, dass das nicht möglich ist.»

Problematische Rolle von Vermittlern

Die Anti-Korruptionsgesetze der Schweiz und Brasiliens stellen die Zahlung von Bestechungsgeldern an Regierungsbeamte direkt und indirekt unter Strafe. Damit obliegt es den Unternehmen, sicherzustellen, dass Dritte, die sie zur Wahrung ihrer Interessen beauftragen, nicht in Bestechung involviert sind – ein ungeheures Problem in Brasilien und vielen ressourcenreichen Ländern. Um auf der richtigen Seite der Gesetze und Compliance-Vorschriften zu bleiben, erfordert die Einbeziehung eines Vermittlers einen gut dokumentierten Geschäftsgrund.

Roger Müller, ein in Zürich tätiger Schweizer Anwalt, hat sieben brasilianische Kunden, die in die Petrobras-Untersuchung involviert sind. Die meisten von ihnen sind Händler. Laut Müller sind Rohstoffhändler rechtlich nicht für das Verhalten eines Dritten verantwortlich, sofern sie die Sorgfaltspflicht ihrerseits einhalten, indem sie den Agenten eindeutig identifizieren und für jede Zahlung einen Rechtsgrund dokumentieren.

«Man muss sich der besonderen Gefahren bewusst sein, die auf Korruptionsrisiko oder Geldwäsche hinweisen», sagte er. «Diese Red Flags können das Auftreten eines Vermittlers, eines Bevollmächtigten oder eines Lobbyisten, von dem man nicht genau weiss, was er tut, oder der Einsatz von Offshore-Gesellschaften sein.»

Schwieriges politisches Umfeld

Laut Aled Williams, Senior Adviser am U4 Anti-Corruption Centre, ist die Tendenz zur Vermischung von Wirtschaft und Politik in Sektoren von strategischer Bedeutung nicht auf Entwicklungsländer beschränkt.

«Der Fall Petrobras zeigt, dass man politische Verbindungen braucht», sagt er gegenüber swissinfo. «Das ist ziemlich klar. Aber diese Frage betrifft nicht nur Länder wie die Demokratische Republik Kongo oder Brasilien. Sondern auch, wenn Sie grosse Investitionen in OECD-Ländern tätigen.»

Laut Williams ist es für die beteiligten Rohstoffunternehmen keine leichte Frage, da sie in einem sehr schwierigen Umfeld mit herausfordernden politischen und wirtschaftlichen Bedingungen agieren. «Due Diligence bedeutet für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge, und leider gibt es eine Unternehmenskultur, die mit den geringstmöglichen Standards im rechtlichen Sinne auszukommen versucht», sagt er.

«Es sollte darum gehen, zu wissen, dass alle Ihre Geschäftspartner entlang der gesamten Wertschöpfungskette sauber sind und dass alle Waren, die Sie beziehen, legal, ja, aber auch ethisch und nachhaltig produziert werden», so Williams.

Allein der Umstand, dass ein Unternehmen in bestimmten Länderkontexten tätig sei, bedeute, dass es unter Druck gerate, sich an Korruption oder anderen illegalen oder unethischen Handlungen zu beteiligen. «Unternehmen brauchen Unterstützung von ihren Heimatländern, um diese Herausforderungen zu bewältigen, auch wenn natürlich strenge Sanktionen für Verstösse verhängt werden sollten.»

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)

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