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Schweiz spart bei Prävention von Geschlechtskrankheiten – trotz mehr Fällen

Plakate der Love-Life-Kampagne
Auch die erfolgreiche Love-Life-Kampagne ist von den Sparmassnahmen betroffen. Vonier.ch

Im Februar hat das Bundesamt für Gesundheit angekündigt, die Mittel für mehrere nationale Strategien zu kürzen. Damit sollen 2026 jährlich 11 Millionen Franken eingespart werden. Unter die Sparmassnahmen fällt auch eine Initiative zur Bekämpfung von sexuell übertragbaren Infektionen und HIV, obwohl deren Zahl weltweit nach wie vor hoch ist.

Die nationale Strategie für sexuell übertragbare Krankheiten, die im November 2023 ins Leben gerufen wurde, zielt darauf ab, den Anstieg der Fälle von Syphilis und Gonorrhoe einzudämmen und die Übertragung von HIV und Hepatitis B und C (die in der Regel durch intravenösen Drogenkonsum übertragen werden) bis 2030 zu eliminieren.

Auch Love Life, eine der wichtigsten Aufklärungs- und Präventionskampagnen der Strategie, wird von den Sparmassnahmen betroffenExterner Link sein, die das Parlament und die Regierung im Rahmen eines nationalen Sparplans vorsehen.

Geschlechtskrankheiten entstehen, wenn sich ein Virus, ein Bakterium oder ein Parasit – meist durch sexuellen Kontakt übertragen – zu vermehren beginnt. Sie können sich zu Krankheiten entwickeln und Symptome hervorrufen.

Love Life, das seit seiner Gründung 1987 landesweit für seine gewagten Werbekampagnen für Safer Sex bekannt ist, wird weitergeführt. Allerdings mit weniger Mitteln und einem Schwerpunkt auf Jugendliche und junge Erwachsene, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Um wie viel das Love-Life-Budget gekürzt wird, sagte er nicht. Das BAG will insgesamt 19,5 Vollzeitstellen abbauen.

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Sexuell übertragbare Krankheiten auf dem Vormarsch

Die Ankündigung erfolgt, nachdem nationale und internationale Fachorgane, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), eine Zunahme der Fälle von sexuell übertragbaren Infekten (STI) festgestellt haben.

In der Schweiz nimmt die Zahl der STI seit Beginn der 2000er-Jahre kontinuierlich zu. Aufgrund der Distanzierungsmassnahmen von Covid-19 im Frühjahr 2020 gingen die Fälle zunächst zurück, erreichten aber Ende desselben Jahres wieder das Niveau von vor der Pandemie.

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Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) der Vereinigten Staaten erklären, dieser Anstieg könnte auf die durch die Pandemie verursachte Unterbrechung der Präventions- und Pflegeaktivitäten, die Verringerung der Vorsorgeuntersuchungen und die «Neuausrichtung der Ressourcen auf Programme für sexuell übertragbare Infektionen» zurückzuführen seinExterner Link.

Im vergangenen November kündigte die US-Behörde eine Verlangsamung der globalen STI-EpidemieExterner Link mit einem «ermutigenden» Rückgang um 1,8 Prozent zwischen 2022 und 2023Externer Link an. Sie erklärte jedoch, dass die Zahl der Fälle immer noch «inakzeptabel hoch»Externer Link sei.

Der jüngste Regierungswechsel in den USA und die damit verbundenen finanziellen Kürzungen im Gesundheits- und ForschungsbereichExterner Link beunruhigen auch Gesundheitsfachleute.

«Diese Massnahmen beeinträchtigen die Sammlung, Analyse und Verbreitung von Daten, die für eine effektive Kontrolle von sexuell übertragbaren Krankheiten in den USA entscheidend sind», so die American Sexually Transmitted Diseases Association (ASTDA) in einer ErklärungExterner Link.

Die USA stehen auch hinter einem Programm namens President’s Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR), das seit seiner Gründung im Jahr 2003 70% des weltweiten Kampfs gegen HIV/Aids finanziert hat.

Die Zahl der HIV-Fälle ist zwar stabilExterner Link, aber wenn die Unterstützung, die am 25. März ausläuft, nicht um weitere vier Jahre verlängert wird, «wird es in Zukunft 6,3 Millionen Aids-bedingte Todesfälle geben», sagt Christine SteglingExterner Link, stellvertretende Exekutivdirektorin von UNAIDS, dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids.

Immer weniger greifen zum Kondom

Auch in Europa haben die Fälle von Geschlechtskrankheiten seit Anfang der 2000er-Jahre zugenommen. Nach den neusten Daten des ECDC vom Februar sind die Fälle von Gonorrhoe «um 31% im Vergleich zu 2022 und um mehr als 300% im Vergleich zu 2014 gestiegen», teilte das Überwachungsprogramm mitExterner Link.

Die Krankheit kann bei allen Geschlechtern brennende Schmerzen und Ausfluss verursachen.

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Obwohl die Zahl der STI-Fälle aufgrund verbesserter Tests und Meldungen zunimmt, warnt die europäische Organisation davor, dass der Anstieg von Gonorrhoe-Fällen zu Antibiotikaresistenzen und zur «Entstehung arzneimittelresistenter Stämme führen könnte, welche die Wirksamkeit der derzeitigen Behandlungen gefährden».

Geschlechtskrankheiten können mit Antibiotika behandelt und durch den «korrekten und konsequenten» Gebrauch von Kondomen verhindert werden, so die WHO.

Das Europabüro der Organisation stellte festExterner Link, dass die Kondomnutzung bei den über 15-Jährigen zwischen 2014 und 2022 «deutlich zurückgegangen» sei, «wobei die Raten für ungeschützten Geschlechtsverkehr beunruhigend hoch sind».

+ Millionen Menschen leben laut WHO mit Genitalherpes

Während die Schweiz zwischen 2014 und 2022 mit 77% die höchste Kondomnutzung in Europa bei 15-jährigen Jugendlichen aufwies, wurde 2023 bei Gonorrhoe immer noch eine Zunahme von 20% im Vergleich zum Vorjahr beobachtet.

Gleichzeitig sind die Syphilis- und HIV-Fälle leicht zurückgegangen, während die Chlamydien-Fälle im Vergleich zu 2022 leicht zugenommen haben, so die Daten des BAGExterner Link.

«Um ein niederschwelliges Angebot für unsere LGBTQ+-Gemeinschaft zu gewährleisten, brauchen wir weiterhin die Unterstützung des BAG, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf Richtlinien oder Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit», sagt Christophe Catin. Er ist Co-Direktor der Genfer Zweigstelle von Checkpoint, einem Zentrum für LGBTQ+-Gesundheit.

In der Schweiz sind nicht nur Angehörige der LGBTQ+-Gemeinschaft und Randgruppen überproportional von Geschlechtskrankheiten betroffen, sondern auch die ältere Generation.

Heterosexuelle Männer im Alter von 55 bis 64 Jahren meldeten zwischen 2019 und 2023 mehr Syphilisfälle als 15- bis 24-Jährige.

In den USA haben die CDC festgestellt, dass sich die Zahl der Fälle von Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis bei den über 55-Jährigen zwischen 2012 und 2022 mehr als verdoppelt hat, was vor allem auf ein mangelndes Risikobewusstsein zurückzuführenExterner Link ist.

Editiert von Virginie Mangin/gw, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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