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Startups setzen auf Schokolade ohne Kakao

Pralinen
Die Kosten für Schokoladenprodukte sind auf ein Rekordhoch gestiegen. Keystone

Der hohe Preis für Kakaobohnen, die Bedenken der Verbraucher:innen und die Vorschriften zur Abholzung von Wäldern und zur Kinderarbeit haben eine Jagd nach neuen Schokoladenzutaten entfacht.

Die Schweizer Schokoladenindustrie steht unter grossem Druck. Die Kakaopreise haben Rekordhöhen erreicht und überstiegen kürzlich zum ersten Mal die Marke von 10’000 Dollar (9.15 CHF) pro Tonne.

Schlechtes Wetter und Planzenkrankheiten in der Elfenbeinküste und in Ghana haben das dritte Jahr in Folge zu Ernteausfällen bei den Kakaobohnen geführt. Auf die beiden westafrikanischen Länder entfallen rund 60% der weltweiten Kakaoproduktion.

«Im Vergleich zu den vor einem Jahr verzeichneten Durchschnittspreisen (2.752 $ pro Tonne in London und 3.040 $ pro Tonne in New York) sind die Preise im April 2024 um 301% bzw. 244% gestiegen“, schreibt die Internationale Kakao-Organisation (ICCO) in ihrem Marktbericht für April.

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Um den Druck zu erhöhen, hat die Europäische Union eine „Null-Abholzungs“-Verordnung für die Lieferkette eingeführt, die im Januar 2025 in Kraft treten wird.

Sieben Agrarrohstoffe, darunter Kakao und Kakaoprodukte wie Schokolade, darf in der EU nur verkaufen, wer nachweisen kann, dass sie seit 2020 keine Rodungen verursacht haben.

Allein auf Deutschland entfielen im Jahr 2023 21,7% der Schweizer Schokoladenexporte, wobei rund 40% aller Schweizer Schokoladenausfuhren in den Einkaufskörben der EU-Bürger:innen landeten.

„Die Zeit drängt: Ohne eine Lösung bis Ende Jahr wird der Zugang zum EU-Markt massiv erschwert“, so Chocosuisse in einer Medienmitteilung im Februar.

Der Verband der Schweizer Schokoladenhersteller reagierte damit auf die Entscheidung der Schweizer Regierung, keine ähnlichen Regelungen in der Schweiz einzuführen, sondern nach der Sommerpause die regulatorischen Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen zu prüfen.

Der Kakaoanbau ist auch mit anderen Problemen konfrontiert. Nebst der Kinderarbeit ist etwa auch der Schwermetallanteil in Schokolade in die Schlagzeilen geraten, allen voran das giftige Cadmium.

Neue Alternativen

Dieses schwierige Umfeld treibt die Suche nach neuen Zutaten voran, die den Kakao in Schokolade ersetzen oder seinen Anteil minimieren können und die in Europa angebaut werden.

Das im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen NukokoExterner Link ist ein solches Startup, das sich diesen Trend zunutze macht.
Es konnte in diesem Jahr 1,5 Millionen Dollar an Kapital aufnehmen, um seine kakaofreie Schokolade aus Favabohnen weiterzuentwickeln.

«Nukoko investiert in diesen Bereich, da es jetzt und in Zukunft einen dringenden Bedarf an Alternativen zum Kakao gibt. Wir sehen das an den aktuellen Preissteigerungen, die auf ein durch den Klimawandel verursachtes Angebotsdefizit zurückzuführen sind», sagt Ross Newton, Gründer und Co-CEO von Nukoko, gegenüber SWI swissinfo.ch.

«Der Markt braucht Alternativen aus anderen Quellen, die nicht vom Klimawandel betroffen sind, und somit langfristig eine billigere und nachhaltigere Option darstellen.»

Nukoko bezieht die Bohnen aus dem Vereinigten Königreich, wo Landwirt:innen jährlich 740’000 Tonnen davon ernten. Wie Kakaobohnen enthalten auch Favabohnen ein Protein namens Vicilin, das einen schokoladenähnlichen Geschmack verleiht, wenn es durch Fermentation und Röstung aufgespalten wird.

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Das deutsche Unternehmen ChoVivaExterner Link ist ein weiteres europäisches Startup, das durch Fermentation und Röstung Schokolade herstellt.

Anstelle von Bohnen werden als Rohstoffe Hafer und Sonnenblumenkerne verwendet.

«Wir haben uns eingehend mit der Geschichte und der Herstellung von Schokolade beschäftigt und festgestellt, dass der typische Geschmack nicht allein aus der Kakaobohne stammt. Vielmehr werden bis zu 80% der Aromen während der Produktionsprozesse wie Fermentation und Röstung gebildet», heisst es auf der Website des Unternehmens.

Ein weiterer Rohstoff mit dem Potenzial, Kakao zu ersetzen, ist Carob, eine in Südeuropa angebaute Hülsenfrucht. Das italienische Startup-Unternehmen Foreverland Externer Linkhat eine Reihe von Schokoladen mit der dieser Frucht des Johannisbrotbaums als Hauptzutat entwickelt.

Und es nimmt für sich in Anspruch, dass sein Freecao-Produkt 90% weniger Wasser verbrauche und 80% weniger CO2-Emissionen verursache als herkömmliche Schokolade.

Sündenfreie Schokolade?

Eine andere Front, an der die Innovation Ansetzt, ist die Nutzung von Schokolade als Mittel zum Wohle von Gesellschaft und Umwelt. Forscher:innen der ETH Zürich haben ein Kakao-Gel aus der Kakaofrucht entwickeltExterner Link, das den zugesetzten Zucker in der Schokolade ersetzt.

Dies würde es den Kakaobäuer:innen ermöglichen, den grössten Teil der Kakaofrucht zu nutzen, so dass nur die Schale übrig bliebe, die man kompostieren oder als Brennstoff verwendet kann.

Auch die Verbraucher:innen würden davon profitieren, denn Schokolade aus diesem Kakao-Gel hat 20% mehr Ballaststoffe und 30% weniger gesättigte Fettsäuren als herkömmliche dunkle Schokolade.

Das Wyss Institute for Biologically Inspired EngineeringExterner Link an der Harvard University, finanziert vom Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss, geht noch weiter. Die dortigen Forscher:innen haben eine Technologie entwickelt, mit der sie Treibhausgase wie CO2 in ein Fett umwandeln können, das Kakaobutter imitiert, und zwar nur mit Hilfe von Mikroben und Strom.

Die Technologie der Gasfermentation, die von der Spin-off-Firma Circe Bioscience vermarktet wird, hat mehr als 8 Millionen Dollar von Investor:innen erhalten, um die weltweit erste Schokolade zu entwickeln, die aus fermentativ gewonnener Kakaobutter hergestellt wird.

Diese Technologien stecken jedoch noch in den Kinderschuhen, und die Schokolade der Zukunft wird sich nicht radikal von dem unterscheiden, was die Verbraucher:innen gewohnt sind.

«Ich gehe davon aus, dass die Zukunft der Schokolade für den Verbraucher im Grossen und Ganzen die gleiche sein wird, d. h. die gleichen Marken, die sie lieben, werden ihnen die gleichen köstlichen Produkte anbieten, die sie schon immer genossen haben, und das zu einem angenehmen Preis“, sagt Newton.

«Was sich ändern könnte, ist, dass die Schokolade, die in oder um diese Produkte herum enthalten ist, teilweise oder ganz aus anderen Quellen besteht, wie in unserem Fall aus Favabohnen.“

Editiert von Marc Leutenegger/ts, Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger

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