Trumps Kurs gegen Diversität könnte Medikamentenentwicklung gefährden

Die Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis passen als Reaktion auf die Anordnungen von US-Präsident Trump ihre Ziele für Vielfalt und Inklusion an. Experten warnen, dass die Aufgabe jeglicher Diversitätsziele in der klinischen Forschung die Arzneimittelentwicklung um Jahrzehnte zurückwerfen könnte.
Global tätige Unternehmen mit Hauptsitz ausserhalb der USA sind nicht immun gegen den Druck, den die Durchführungsverordnungen von US-Präsident Donald Trump ausüben.
Mehrere Schweizer Unternehmen kündigten diese Woche an, dass sie ihre Sprache und Ziele in Bezug auf Diversität, Chancengleichheit und Inklusion (DEI) nicht nur in den USA, sondern auch auf globaler Ebene anpassen werden.
So ändert das Pharmaunternehmen Roche sein Zehnjahresziel von «ein inklusives Umfeld durch eine globale Führung zu erreichen, die unsere Belegschaft widerspiegelt» zu «ein inklusives Umfeld zu fördern, das Menschen dazu inspiriert, ihr Bestes zu geben», wie ein Roche-Sprecher in einer E-Mail an SWI swissinfo.ch schrieb.
Der Entscheid erfolgt als Reaktion auf Trumps Durchführungsverordnungen, speziell auf jene vom 21. Januar zur «Beendigung illegaler Diskriminierung und zur Wiederherstellung leistungsbezogener Chancen»Externer Link. Darin wird der Privatsektor aufgefordert, «illegale DEI-Diskriminierung und Präferenzen zu beenden».
DEI-Programme und -Richtlinien zielen darauf ab, Arbeitsplätze zu schaffen, die allen Menschen offenstehen, und Hindernisse für die Repräsentation marginalisierter Gruppen, beispielsweise in Führungspositionen, zu beseitigen.
Grosse Unternehmen in den USA und zunehmend auch weltweit setzen auf DEI, um Talente zu gewinnen und zu halten und um die Bedürfnisse einer zunehmend vielfältigen Kundenbasis zu erfüllen.
Präsident Trump hat DEI als «woke»-Kultur angegriffen, die seiner Meinung nach zu einer unfairen Behandlung von Nicht-Minderheiten führt.

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Trumps Druck auf die Wissenschaft erreicht die Schweiz
Im Zug von Trumps Abschaffung des DEI löschte Roche Mitte Februar Diversitätsziele von der Website seiner US-Tochter GenentechExterner Link.
Roche begründet seinen Entscheid, Änderungen auf globaler Ebene vorzunehmen, damit, «dass unsere globalen Programme und Ziele Auswirkungen auf unsere US-Organisationen haben können, wenn wir das neue Gesetz nicht einhalten», so die Roche-Führung am Dienstagabend in einer E-Mail an Mitarbeitende, die SWI einsehen konnte.
Doch die Tatsache, dass sich die globale Zentrale in der Schweiz Trumps Forderungen beugt, wirft die Frage auf, wie weit seine Anordnungen reichen könnten und ob einige der Kernaktivitäten des Unternehmens, darunter die Arzneimittelforschung und -entwicklung, davon betroffen sein könnten.
Erkenntnisse darüber, wie sich Krankheiten und Behandlungen auf Menschen je nach Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit unterschiedlich auswirken, sind für die Entwicklung zielgerichteter Medikamente wichtig geworden.
Der in Basel ansässige Konkurrent Novartis gab diese Woche ebenfalls bekannt, dass er bei seinen Einstellungsverfahren in den USA keine divers besetzten Gremien mehr einsetzenExterner Link wird.
Im Jahr 2022 investierte Novartis 17,7 Millionen US-Dollar (15 Millionen Schweizer Franken) im Rahmen eines Zehnjahresplans zur Beseitigung rassistischer Ungleichheiten in klinischen Studien.
Ein Jahr zuvor hatte das Unternehmen die Initiative «Beacon of Hope»Externer Link ins Leben gerufen, um mit 26 historisch schwarzen Universitäten in den USA zusammenzuarbeiten.
Novartis teilte SWI per E-Mail mit, dass das Unternehmen weiterhin «Beacon of Hope» verpflichtet sei und «weiterhin in eine vielfältige Patientenrepräsentation in klinischen Studien investieren wird, da dies für unsere Forschungs- und Entwicklungsbemühungen von entscheidender Bedeutung ist».
Roche schloss sich dieser Ansicht an. In seinem Geschäftsbericht 2024 schrieb das Unternehmen, dass es «DEI in jeden Aspekt unserer pharmazeutischen und diagnostischen Forschung, Entwicklung und Lösungsbereitstellung» einbinde. Weiter hiess es, das Unternehmen habe ein gesamtes «Team für die Unterstützung inklusiver Forschung».
In einer Antwort an SWI swissinfo.ch sagte ein Roche-Sprecher, die inklusive Forschung der US-Tochter werde sich «weiterhin auf die Konzeption von Studien konzentrieren, die Patienten verschiedener Ethnien und Abstammungen einschliessen, um sicherzustellen, dass klinische Studien die breitere Patientenpopulation widerspiegeln».
Es bleiben jedoch grosse Unsicherheiten bestehen. In der E-Mail an die Mitarbeitenden schrieben die Roche-Verantwortlichen, «dass es in Zukunft sowohl in den USA als auch weltweit zu Änderungen bei den Inhalten, Aktivitäten und Programmen von DEI kommen wird».
Langfristiger Schaden
Fachpersonen, die mit SWI swissinfo.ch sprachen, warnten davor, dass letztlich die Patientinnen und Patienten unter einem Rückgang der Diversität in der Arzneimittelentwicklung leiden würden.
«Die Nichtberücksichtigung von Geschlecht, Gender und Ethnie bei der Erforschung neuer Medikamente ist nicht nur schlechte Wissenschaft, sondern Fahrlässigkeit», sagt Antonella Santuccione Chadha, Pathologin und Neurologin, die von 2018 bis 2022 bei Roche und Biogen tätig war und heute die Women’s Brain Foundation mit Sitz in Zürich leitet.

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Pharmaunternehmen entwickeln endlich Medikamente für Frauen
In den vergangenen 40 Jahren wurden medizinische Produkte 3,5-mal häufiger wegen unerwünschter Nebenwirkungen bei Frauen vom Markt genommen als bei Männern, so eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie des McKinsey Health InstituteExterner Link.
Erst 1993 erlaubte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration Frauen im gebärfähigen Alter die Teilnahme an frühen Versuchen. In den letzten zehn Jahren haben eine Reihe von Arzneimittelbehörden, darunter auch in der Schweiz, Leitlinien, Instrumentarien und Standards für mehr Vielfalt bei klinischen Studien entwickelt.
Die Bedeutung, Studien auf eine vielfältigere Gruppe auszuweiten, hat auch angesichts der Bevölkerungsentwicklung an Dringlichkeit gewonnen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird im Jahr 2050 einer von vier Menschen aus Afrika stammen, 1960 war es noch einer von elf.
Obwohl Afrika über 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht und 25 Prozent der weltweiten Krankheitslast trägt, werden derzeit nur zwei bis vier Prozent der weltweiten klinischen Studien auf dem Kontinent durchgeführt.
Die Auswirkungen und Folgen eines Rückgangs der Diversität wären «greifbar und beängstigend», so Claudia Vaccarone, Beraterin für integrative Strategien. Dies würde sich auf die «Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Geräten auswirken, die speziell auf die Gesundheitsprobleme von Frauen und Minderheiten ausgerichtet sind».
Unter Druck
Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Diversität und Inklusion in der medizinischen Forschung durch die Trump-Regierung unter Druck geraten werden.
In der ersten Woche nach der Vereidigung des US-Präsidenten wurden bereits mehrere Webseiten der US-Bundesbehörden zum Thema Vielfalt in der Forschung entferntExterner Link, darunter auch der Entwurf eines Leitfadens für Arzneimittel- und Gerätehersteller zu unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen für klinische Studien im Spätstadium, der 2025 fertiggestellt werden sollte.
Der Leitfaden ist inzwischen wieder zugänglich, aber es ist immer noch unklar, was von den bestehenden Bemühungen übrigbleibt und welche Form sie annehmen werden.

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So betreffen Trumps Kürzungen die Schweizer Wissenschaft
Bloomberg berichtete im FebruarExterner Link, dass das US-amerikanische Pharmaunternehmen Bristol Myers Squibb Co. die Ziele für die Diversifizierung klinischer Studien aus seinem Jahresbericht 2024 gestrichen hat.
Die USA bleiben der wichtigste Pharmamarkt, auf den 40 bis 50 Prozent des weltweiten Umsatzes von Novartis und Roche entfallen. Die Unternehmen haben auch lukrative Verträge mit der US-Regierung über die Durchführung von Forschungsarbeiten und die Lieferung von Medikamenten abgeschlossen, beispielsweise im Rahmen Medicare, dem nationalen Krankenversicherungsprogramm für Menschen über 65.
«Die Unternehmen brauchen Regeln, Leitlinien und sogar Anreize, um sicherzustellen, dass die Studien die Bevölkerung widerspiegeln, die sie zu versorgen versuchen», so Chadha. «Es ist nicht die Zeit, um Rückschritte zu machen.»
Übertragung aus dem Englischen mit der Hilfe von Deepl: Petra Krimphove

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