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Verborgener Reichtum: Schweizer NGO legt den Finger auf undeklarierte Goldflüsse aus Afrika

Selbständiger Goldschürfer steigt in seinen vertikalen Schacht
Swissaid

Der Kleinbergbau ist ein Milliardengeschäft, das weitgehend im Verborgenen stattfindet. Ein Bericht der NGO Swissaid zeigt auf, wie den afrikanischen Staaten jährlich Milliarden an Steuergeldern entgehen und warum auch die Schweiz eine wichtige Rolle dabei spielt.

“Es muss noch viel getan werden, um den Sektor zu formalisieren und sicherzustellen, dass die afrikanischen Staaten Einnahmen aus dem Handel mit diesem Gold erzielen“, sagt Yvan Schulz.

Der Rohstoffspezialist bei Swissaid ist Mitautor einer Studie, welche die Daten zur Goldproduktion und zum Goldhandel des Kontinents Land für Land untersucht hatExterner Link.

Die Schweiz ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten die zweitgrösste Importeurin von afrikanischem Gold.

Im Jahr 2022 produzierte Afrika zwischen 991 und 1144 Tonnen Gold, wovon mehr als die Hälfte aus dem Kleinbergbau (ASM, artisanal and small-scale mining) stammte.

Allerdings wird ein grosser Teil des ASM-Goldes nicht offiziell in den Produktions- und Handelsdaten erfasst. Allein 2022 wurden dem Bericht zufolge mehr als 435 Tonnen Gold aus Afrika geschmuggelt.

In neun Ländern des Kontinents werden jährlich über 20 Tonnen ASM-Gold nicht deklariert. In 41 von 54 afrikanischen Ländern übersteigt die ASM-Goldproduktion 100 Kilogramm pro Jahr, doch 15 Länder geben überhaupt keine Produktion an, heisst es in dem Bericht.

Dieser verborgene Schatz macht bis zu 80% der ASM-Goldproduktion und fast 41% der gesamten Goldproduktion Afrikas aus.

Durch die Schattenwirtschaft entgehen den afrikanischen Staaten Steuereinnahmen, die in die Entwicklung investiert werden könnten. “Wir sprechen hier von Hunderten von Millionen Dollar für den gesamten Kontinent, die für alle Arten von öffentlichen Dienstleistungen zur Verfügung stünden, einschliesslich Gesundheit und Bildung”, sagt Schulz.

Einer der Gründe, warum Gold nicht für den Export deklariert wird, sind die hohen Exportsteuern. Einige dieser Ausfuhrsteuern sind laut Schulz “unrealistisch”.

“Wenn man von den Händlern eine Ausfuhrsteuer von 15% verlangt, kann man fast sicher sein, dass das Gold nicht deklariert wird. Eine unserer Empfehlungen an die afrikanischen Staaten ist, ihre Steuersysteme zu harmonisieren.”

In anderen Ländern hält die staatliche Verwaltung mit dem Ausmass des Handels nicht Schritt. Auch wenn dies nicht im Fokus des auf Sekundärforschung basierenden Berichts steht, sind staatliche Verwaltung und Korruption Teil des Problems.

“In Ländern wie Ruanda und Burundi ist es völlig klar, dass die Elite eine Rolle im Handel mit nicht deklariertem Gold spielt“, sagt Schulz. “Sie kontrollieren den gesamten Handel, nichts geschieht ohne ihre Zustimmung. Das ist eine Form von Korruption.“

Die VAE – das goldene Tor

Ein Grossteil des nicht deklarierten Goldes vom afrikanischen Kontinent gelangt auf geheimen Wegen auf die internationalen Märkte, namentlich in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Hier erhält das Gold einen legalen Status, wodurch die Grenzen zwischen illegalem und legalem Handel verschwimmen.

Ein Vergleich der Importdaten von Swissaid zeigt, dass die nicht deklarierte ASM-Goldproduktion in Afrika die obere Schätzung von 474 Tonnen erreichen könnte. Beim aktuellen Goldpreis entspricht dies einem Wert von 30,7 Milliarden US-Dollar.

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“Der Goldschmuggel in Afrika hat sich zwischen 2012 und 2022 mehr als verdoppelt“, sagte Adam Anthony, Vorsitzender des afrikanischen Lenkungsausschusses von Publish What You Pay (PWYP), in Reaktion auf die Swissaid-Ergebnisse, die erstmals auf einem OECD-Gipfel über verantwortungsvolle Rohstofflieferketten in diesem Monat vorgestellt wurden.

“Lassen Sie mich die Dinge ins rechte Licht rücken: 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr entsprechen dem Doppelten des BIP von Ruanda und den Währungsreserven von Tansania für die nächsten sechs Monate.“

Dem Bericht zufolge werden 2022 rund 66,5% der Goldimporte aus Afrika durch Schmuggel beschafft. Zwischen 2012 und 2022 wurden 2569 Tonnen afrikanisches Gold in die VAE eingeführt, ohne zur Ausfuhr deklariert zu werden, was einem Wert von 115,3 Milliarden US-Dollar entspricht.

Die VAE haben in den letzten Jahren weithin anerkannte Schritte unternommen, um die Vorschriften für den Goldsektor zu verschärfen.

Dennoch waren sie bei den jüngsten internationalen Veranstaltungen zum Thema verantwortungsvoller Goldbeschaffung nicht vertreten.

Darunter die OECD-Veranstaltung in diesem Monat und ein von der London Bullion Market Association im März in London einberufenes Treffen von Akteuren der Goldindustrie zu einem ähnlichen Thema.

Schweizer Verbindungen

Auch die Schweiz spielt eine wichtige Rolle im Goldhandelsnetz. Zusammen mit den VAE und Indien gehört sie zu den drei wichtigsten Importeuren von afrikanischem Gold.

Zwischen 2012 und 2022 gingen fast 80% der afrikanischen Goldexporte in diese drei Länder. Die direkten Goldimporte der Schweiz aus Afrika stiegen laut Bericht von 158 Tonnen im Jahr 2012 auf 246 Tonnen im Jahr 2022.

Die Schweiz, Südafrika und Indien beziehen Industriegold vom afrikanischen Kontinent. Die VAE sind das Hauptziel für ASM-Gold und erhalten 80 bis 85 Prozent dieser Exporte, so dieselbe Quelle.

Südafrika spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im innerafrikanischen Goldhandel und ist das wichtigste Bestimmungsland für deklarierte Goldlieferungen innerhalb des Kontinents.

Der Bericht hebt hervor, dass die Schweiz zwar derzeit ASM-Gold aus Afrika vermeidet, es aber möglich ist, dass Gold aus Afrika über die VAE auf den Schweizer Markt gelangt.

“Die Schweiz kauft zwar nicht direkt ASM-Gold aus Afrika, aber sie kauft viel Gold aus den VAE“, sagt Schulz. “Ein Teil dieses Goldes stammt höchstwahrscheinlich aus Afrika und aus afrikanischem ASM. Die Schweiz bezieht also tatsächlich indirekt viel ASM-Gold aus Afrika.“

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Das Datendilemma

Die Verlässlichkeit der Daten über den afrikanischen Goldsektor ist ein grosses Problem. Zahlreiche Studien haben die illegalen Goldströme in Afrika untersucht und dabei die engen Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hervorgehoben.

In diesen Studien wurde eine “Spiegeldatenanalyse“ verwendet, um Unstimmigkeiten in den Export- und Importzahlen aufzudecken.

Ein Bericht der UNO-Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD aus dem Jahr 2020 schätzt die illegalen Finanzströme im afrikanischen Rohstoffsektor für das Jahr 2015 auf 40 Milliarden US-Dollar, wovon ein erheblicher Teil auf Gold entfällt.

Eine Analyse von Reuters aus dem Jahr 2019 ergab Diskrepanzen bei den gemeldeten Goldexporten aus 46 afrikanischen Ländern in die VAE und wies auf eine Lücke von 7,4 Milliarden US-Dollar hin.

In einer Bloomberg-Studie aus dem Jahr 2021 wurde eine Lücke von 4 Mrd. USD in den Goldhandeldaten zwischen Afrika und den VAE für das Jahr 2020 festgestellt.

Diese Studien verwendeten eine “Spiegeldatenanalyse“, um Unstimmigkeiten in den Export- und Importzahlen aufzudecken.

Swissaid erklärt, dass sie auch eine Spiegeldatenanalyse durchgeführt habe, bei der Faktoren wie unterschiedliche Handelssysteme, Fehlklassifizierungen von Zolltarifcodes und Abweichungen bei der Meldung von Handelswerten berücksichtigt wurden.

Die NGO versuchte, die Genauigkeit zu erhöhen, indem sie nationale Zollstatistiken mit Handelsdaten und anderen Quellen abglich. Zur Vervollständigung der Informationen wurden Recherchen und Interviews mit Akteuren aus der weltweiten Goldindustrie durchgeführt.

Marcena Hunter, Direktorin der Rohstofabteilung bei der Global Initiative Against Transnational Organized Crime, lobte den Bericht und sagte, er decke sich mit den Studien ihrer Organisation.

“Es ist eine wirklich grossartige Untersuchung der Daten, sowohl im Hinblick auf ihre Grenzen als auch auf das, was man mit ihnen machen kann“, sagte sie während einer Podiumsdiskussion bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris.

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Lebensgrundlage und Zündstoff für Konflikte

Der Kleinbergbau ist zwar eine wichtige Einkommensquelle, geht aber oft mit harten Arbeitsbedingungen und erheblichen Umweltbelastungen einher. Der Einsatz von Quecksilber bei der Goldgewinnung birgt zudem erhebliche Gesundheitsrisiken für die Bergleute und die umliegenden Gemeinden.

Die Abholzung der Wälder und die Verschlechterung der Bodenqualität verschärfen die Umweltbelastungen zusätzlich. Auserdem sind die illegalen Goldflüsse mit Korruption und Konfliktfinanzierung verbunden.

“Der Goldsektor wurde in der Vergangenheit verteufelt, und wir müssen uns mit den Problemen der Existenzsicherung auseinandersetzen“, sagte Hunter während der OECD-Diskussion.

“Wir wissen aber auch, dass Gold sicherlich zur Finanzierung von Konflikten in mehreren afrikanischen Ländern beiträgt, darunter in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo und im Sudan. Wir wissen, welche gewalttätigen extremistischen Gruppen in der Sahelzone vom Goldsektor profitieren.“

Expert:innen sind sich einig, dass viel mehr getan werden muss, um den Goldsektor zu formalisieren und sicherzustellen, dass afrikanische Staaten Einnahmen aus dem Goldhandel erzielen.

Obwohl Gold offensichtlich ein Ressourcenfluch ist, wies Anthony von PWYP auf das enorme Potenzial des ASM-Goldsektors hin, wenn man bedenke, wie viel die ASM-Bergleute ohne grosse staatliche Unterstützung oder Investitionen inoffiziell produzieren konnten.

“Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat zwischen dem Anprangern der Probleme in diesem Sektor und der Stigmatisierung der Bergleute im ASM-Sektor“, sagt Schulz gegenüber SWI swissinfo.ch.

“Denn wir sind uns voll und ganz bewusst, dass sie auf diese Einkommensquelle angewiesen sind. Sie haben wenig Einfluss darauf, wie der Handel betrieben wird.“

Besondere Verantwortung

Damit der ASM-Goldabbau zum Segen wird, sind nach Ansicht von Expert:innen Anstrengungen der afrikanischen Regierungen, internationaler Gremien und des Privatsektors notwendig.

Die Umsetzung strengerer Vorschriften, die Verbesserung der Datenerhebung und die Förderung nachhaltiger Abbaupraktiken gelten als Schlüssel für eine gerechte und transparente globale Goldindustrie.

Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) hat den Bericht von Swissaid mitfinanziert. Dieser kommt zum Schluss, dass die Schweiz als wichtige Akteurin im globalen Goldhandel eine besondere Verantwortung trägt, dafür zu sorgen, dass ihre Importe aus ethisch einwandfreien Quellen stammen.

“Die staatlichen Behörden haben bisher nicht viel getan, um mehr Transparenz zu schaffen, und sie sollten es wirklich tun“, heisst es dort.

“Durch eine strengere Regulierung und mehr Transparenz im Goldsektor können wir das Leben der Minenarbeiter, ihrer Familien und der Bevölkerung in den afrikanischen Ländern wirklich verbessern.“

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Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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