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Warum die Schweiz gern Gold von Kleinschürfer:innen kauft

Zwei Frauen blicken in die Kamera, die eine hält eine Schüssel in der Hand. Kolumbien.
Swiss Better Gold Association

Die Swiss Better Gold Association hat sich zu einer weltweiten Referenz für die verantwortungsvolle Beschaffung von Gold aus dem artisanalen Bergbau entwickelt. Sie setzt auf öffentlich-private Partnerschaften. SWI swissinfo.ch hat mit der Geschäftsführerin Diana Culillas über Herausforderungen und Chancen gesprochen.

Obwohl der Kleinbergbau (engl. artisanal and small-scale mining, kurz ASM) heute nur 10-20% der Weltproduktion ausmacht, beschäftigt er 90% der im Goldbergbau tätigen Personen.

Von vielen in der Goldindustrie wird er immer noch als risikoreicher Sektor angesehen und daher von einigen Raffinerien gemieden.

Der Abbau von Gold durch Kleinschürfer:innen kann negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Am deutlichsten wird dies bei der Abholzung von Wäldern in artenreichen Regionen wie dem Amazonasgebiet und bei der Verseuchung von Wasserläufen mit Quecksilber. Bergleute verwenden Quecksilber, um das Gold in Form von Amalgam aus dem Erz zu lösen.

Auch Übergriffe auf indigenes Land und Kinderarbeit gehören in einigen Regionen zur Geschichte des Goldabbaus.

Dieses Interview wurde geführt, kurz nachdem bei einem Brand in einer als verantwortungsvoll zertifizierten Mine in Peru 27 Menschen ums Leben gekommen waren.

Doch die Zeiten sind im Umbruch. Die London Bullion Market Association, die den Standard für den weltweiten Goldhandel setzt, veröffentlichte im März ein Toolkit für verantwortungsbewusste Beschaffung mit Schwerpunkt auf ASM.

«Ein wichtiges Signal, welches wir aussenden wollen, ist, dass der Boykott vorbei ist», sagte Ruth Crowell, CEO der LBMA.
«Wir wollen die Beschaffung von ASM auf verantwortungsvolle Weise betrachten.»

Die 2013 ins Leben gerufene Swiss Better Gold Initiative wird als eine Möglichkeit genannt, um dieses Ziel zu erreichen.

Es handelt sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, die kleine Goldproduzent:innen dabei unterstützt, ihr Gold auf eine Weise zu fördern, die der Gemeinschaft zugute kommt und gleichzeitig den Schaden für die Umwelt begrenzt. Dies geschieht in Form von technischer Unterstützung beim Verzicht auf Quecksilber und bei der Formalisierung von Bergbauaktivitäten.

Die Initiative wird gemeinsam vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und der Swiss Better Gold Association finanziert. Die teilnehmenden Bergleute nehmen an einem kontinuierlichen Verbesserungsprogramm teil und erhalten für ihr Gold eine Prämie.

Das Geld fliesst in einen Fonds und wird in Gemeinschaftsprojekte reinvestiert. Das Gold wird von Schweizer Raffinerien wie Metalor und Schmuckmarken wie Breitling und Cartier aufgekauft.

SWI swissinfo.ch hat mit der Geschäftsführerin der Swiss Better Gold Association, Diane Culillas, über die Ausweitung des Programms und die Frage, wie die Risiken nach dem tödlichen Minenunfall in Peru weiter reduziert werden können, gesprochen.

SWI swissinfo.ch: Die SBGI-Initiative gibt es seit etwas mehr als einem Jahrzehnt. Was haben Sie in dieser Zeit erreicht?

Diane Culillas: Wir sind jetzt im 11. Jahr und freuen uns über die stetigen Fortschritte, die wir bisher gemacht haben. Im ersten Jahr arbeiteten wir mit einer Mine, Sotrami in Peru, zusammen und exportierten 27 Kilogramm.

Heute exportieren wir aus etwa 35 bis 40 Minen, und haben Exporte von dreieinhalb Tonnen pro Jahr aus Kolumbien und Peru erreicht. Auch die Zahl der Verbandsmitglieder ist im Laufe der Jahre auf heute 24 gestiegen.

Sie sind auch in Bolivien aktiv.

Aus Bolivien exportieren wir noch nichts. Das ist eine grosse Herausforderung. Es gibt das Problem des Quecksilbers, und wir sind der Meinung, dass das Land mehr leisten muss, was die Senibilisierung und Verwendung von Quecksilber betrifft.

Bolivien hat die Minamata-Konvention [ein internationales Abkommen zur Reduzierung des weltweiten Quecksilberverbrauchs] unterzeichnet, aber es gibt immer noch keinen nationalen Aktionsplan, der eine Ausstiegsstrategie für Quecksilber formulieren würde. Wir müssen zuerst den politischen Dialog ausbauen, bevor wir etwas in Bezug auf Akkreditierungen und Exporte unternehmen können.

Wie viele Bergleute haben insgesamt vom Programm profitiert?

Rund 60’000 Bergleute. Das sind 130 Minen in den drei Ländern.

Ist das genug, wenn man bedenkt, dass in jedem der Länder, in denen Sie tätig sind, eine Million Menschen von Kleinschürfen abhängig sind?

Irgendwo muss man ja anfangen. Tatsächlich weiten wir unsere Aktivitäten jedes Jahr aus und sind stolz auf was wir bisher erreicht haben. Aber ja, wir sind noch sehr jung. All diese Prozesse brauchen Zeit. Es dauert mindestens zwei Jahre, von dem Moment, in dem man in einer Mine mit technischen Aktivitäten beginnt, bis man auf der «Rolltreppe» [Programm zur schrittweisen Verbesserung] angekommen ist und als verantwortungsbewusster Produzent anerkannt wird.

Und dann hat man noch ein Jahr Zeit, um exportieren zu können. Bergleute sind in der Regel sehr misstrauisch, es ist eine Frage des Vertrauens, und es braucht Zeit, dieses Vertrauen aufzubauen.

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Wie überzeugen Sie die Bergleute, mitzumachen?

Viele dieser Bergleute haben nicht Bergbau studiert. Sie betreiben Bergbau, weil das jeder in ihrem Umfeld macht oder ihre Väter schon gemacht haben. Das Wissen um bessere Techniken ist für sie der erste Motivationsfaktor, sich an der Initiative zu beteiligen.

Die meisten unserer Produzenten in Kolumbien produzieren zwei bis drei Kilogramm Gold pro Monat. Unsere Prämie liegt bei einem Dollar pro Gramm. Sie kommen nicht wegen der Prämie. Sie kommen wegen der technischen Unterstützung.

Eine ihrer ersten Fragen lautet jeweils: «Wie kann ich meine Gewinnungsrate [d.h. den Prozentsatz des Goldes, der erfolgreich aus dem Amalgamierungsprozess gewonnen werden kann] verbessern?» Daran sind sie interessiert.

ASM-Gold macht etwa 1% der Schweizer Goldimporte aus. Welches sind die grössten Herausforderungen, denen Sie sich stellen müssen, wenn es um die Skalierung geht?

Wie können wir mit der Kleinproduktion die globale oder industrielle Nachfrage decken? Die Lösung besteht darin, die Zahl der Produzenten zu erhöhen, die in Frage kommen, um Skalierbarkeit zu erreichen.

In Kolumbien arbeiten wir derzeit mit etwa 20 bis 25 Betrieben zusammen, was keine nennenswerte Menge pro Jahr ergibt – zumindest noch nicht. Das sind sehr kleine Produzenten. Um zu wachsen, müssen wir mehr technische Unterstützung leisten und mehr Minen identifizieren.

Die Yanaquihua-Mine in Peru ist Teil des Swiss Better Gold-Projekts. Hat das Unglück, das dort letztes Jahr im Mai 27 Bergleuten das Leben gekostet hat, die Schweizer Raffinerien bezüglich ASM verunsichert?

Nein, wir haben weder von einer Raffinerie noch von einem Verbandsmitglied gehört, dass sie ihre Meinung geändert hätten. Im Gegenteil, sie haben sich sehr solidarisch gezeigt, was das Prinzip an sich betrifft, nämlich die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung.

Was haben Sie aus dieser Tragödie gelernt?

Der Unfall in Yanaquihua war für uns eine wichtige Lektion. Er hat uns bestätigt, dass ASM ständige Unterstützung braucht. Yanaquihua ist etwas grösser als unsere anderen Minen und wir dachten, dass wir aufgrund der Grösse anders vorgehen könnten. Wir nutzten die Instrumente des Responsible Jewellery Council (RJC) anstelle unserer eigenen.

RJC ist ein Standard, der alle drei Jahre überprüft wird. Die praktische Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass jede Struktur eine enge Begleitung und Überwachung erfordert. Unser Modell sieht vor, dass die Mine alle drei bis vier Monate besucht wird, damit wir ihre Aktivitäten genau überwachen können. Haben sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllt? Welche Verbesserungen wurden erreicht? Was bleibt noch zu tun?

Eine der Lektionen, die wir gelernt haben, ist, dass wir unsere eigenen Instrumente nach unserem eigenen Zeitplan einsetzen sollten. Eine weitere Lektion war, dass wir unsere Teams verstärkt haben, indem wir jedes Team mit einem Spezialisten für Gesundheit und Sicherheit erweitert haben.

Verantwortungsvoll gewonnenes Gold kann viele Bedeutungen und damit verbundene Standards haben, und es gibt viele Audit-Zeitpläne. Alle drei Jahre für RJC. Alle drei bis vier Monate für Swiss Better Gold. Was bedeutet es für Sie im Zusammenhang mit ASM, wirklich verantwortungsvoll gewonnenes Gold zu haben?

Verantwortungsvoll bedeutet für mich, Rücksicht auf die Menschen und den Planeten zu nehmen. Und zu wissen, dass es Perfektion nicht gibt. Das ist der Grund, warum wir es «besseres Gold» nennen. Weil wir es immer besser machen können. Und das ist der Grund, warum wir einen Ansatz der kontinuierlichen Verbesserung verfolgen.

Wie sehen Sie die Rolle von Verarbeitern oder Zwischenraffinerien? Sind sie nützlich, um die Reichweite des ASM-Bergbaus zu vergrössern, oder erschweren sie nur die Rückverfolgbarkeit?

Hier bieten sich Chancen. Die Zahl der Produzenten, die mit einer Verarbeitungsanlage zusammenarbeiten, schwankt zwischen 100 und 800.

Es gibt jedoch das Problem der Vermischung, weshalb es wichtig ist, die Herkunft des Goldes zu kennen. Ist das Gold erst einmal verarbeitet, ist es fast unmöglich, seine Herkunft zurückzuverfolgen.

Wir sind motiviert, mit diesen Aufbereitungsanlagen zusammenzuarbeiten, da sie eine grosse Anzahl von Produzenten umfassen. Ausserdem ist es nicht praktikabel, von jedem Produzenten zu erwarten, dass er sein eigenes Doré herstellt, da er nicht über die notwendige Ausrüstung verfügt.

Wenn sie Doré herstellen würden, bräuchten sie Quecksilber. Daher ist es für sie besser, das Mineral zu einer Aufbereitungsanlage in einem Industriegebiet zu bringen, wo geeignete industrielle Verfahren zur Goldgewinnung angewandt werden können und höhere Gewinnungsraten ohne Umweltverschmutzung gewährleistet sind.

Wie wirkt sich die Teilnahme an der Initiative auf das Einkommen aus? Bringt sie mehr finanzielle Stabilität?

Stabilität, ja. Das ist einer der Gründe, warum die Minenarbeiter Teil der Schweizer Wertschöpfungskette sein wollen. Bei anderen lokalen Abnehmern sind die Märkte oft volatiler. In Indien zum Beispiel ist die Nachfrage nach Gold während der Hochzeit [Januar-März] sehr hoch, danach geht sie wieder zurück.

Im Gegensatz dazu ticken die Schweizer Wertschöpfungsketten so regelmässig wie Schweizer Uhren. Einmal in diese Lieferketten eingebunden, fallen sie nie aus, was auch ihren Ruf verbessert. Das wiederum macht sie attraktiver für Kredite und Darlehen von Banken.

Wenn sie die Schweizer Sorgfaltsprüfung bestehen, werden sie in den Augen der Banken auf eine andere Stufe gestellt. Dies ist ein wichtiger Schritt, da sie sonst auf informelle Finanzierungsmechanismen angewiesen wären. Ziel der gesamten Bemühungen ist, sie auf den offiziellen Markt zu bringen.

Sie haben das Beispiel Indien genannt. Wie sieht es mit China aus, einem weiteren grossen Goldkonsumenten? Können Sie da mithalten?

In Lateinamerika haben wir nicht so viel Konkurrenz durch chinesische Raffinerien. China ist eher in Afrika präsent, zusammen mit einer russischen Söldnergruppe namens Wagner. Aber in Lateinamerika wäre der Hauptkonkurrent Indien.

Wie geht es weiter? Auf welche Länder konzentrieren Sie sich?

Wir haben Nicaragua erkundet. Ein erster vorläufiger Besuch fand in Ecuador statt. Wir waren auch zu einem Sondierungsbesuch in Ghana und in Tansania. Wir hoffen, dass einer dieser Besuche zu einem Ausbau unserer Tätigkeiten führt.

Denn jetzt, nach elf Jahren, haben wir das Gefühl, dass unser Modell funktioniert und replizierbar ist.

Editiert von Virginie Mangin, aus dem Englischen übertragen von Marc Leutenegger

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