Bio-Krieg im Blumentopf: Würmer als Waffe
Mit biologischem Geschütz geht Biocontrol gegen Schädlinge vor. Das Luzerner Pflanzenschutz-Unternehmen produziert Viren, Würmer, Käfer und Lockstoffe, um Landwirten und Hobby-Gärtnern beizustehen. 2009 überschreitet der Exportanteil erstmals die Umsatzhälfte.
Wie sieht ein Bio-Arsenal im Krieg gegen die Schädlinge aus? Ätherische Öle lassen die Varroa-Milben ersticken, jene Milben, die seit Jahren die europäischen Bienenvölker dezimieren, Marienkäfer fressen Blattläuse auf, Schlupfwespen stechen Motten ab, Nützlinge machen Schädlingen den Garaus. Denn Letztere treiben in Gewächshäusern, Getreidelagern und Obstplantagen ihr Unwesen.
Oft genug werden sie noch mit der konventionellen Agrochemie-Keule erschlagen. Dies kann aber die Nahrungsmittel mit Rückständen belasten. Und dagegen wehren sich heute nicht nur Bioprodukte-Verbraucher, sondern auch konventionelle Grossverteiler und Konsumenten immer mehr.
Auch im Rebberg wendet Biocontrol Kriegslisten im Kampf gegen Schädlinge an: Mit Sexuallockstoffen des Weibchens wird das Traubenwickler-Männchen so lange abgelenkt, bis nichts mehr geht.
Dieser so genannten Verwirrungstechnik bediene sich nicht nur der Biolandwirt, sagt Daniel Zingg, Managing Director von Biocontrol gegenüber swissinfo.ch. Biocontrol in Grossdietwil, Luzern, gehört zur Andermatt Biocontrol AG-Gruppe, in der Schweiz vier Firmen umfasst.
«Auf 8000 der insgesamt 14’500 Hektaren Rebanbaugebiet in der Schweiz wird diese von Biocontrol eingeführte Methode angewendet. Damit ist sie die erfolgreichste Bio-Bekämpfungsmethode in der Schweiz», sagt Zingg.
Nicht nur Biobetriebe setzen Bio ein
Zingg ergänzt: «Auch Non-Bio-Produzenten lassen sich heute mit natürlichen Waffen helfen, wenn das effizienter wirkt. Priorität haben Ziele wie das Minimieren agrochemischer Rückstände in Nahrungsmitteln – egal auf welche Weise. Auch in der Integrierten Produktion (IP) wird deshalb heute gerne eine natürliche Art von Schädlingsbekämpfung genutzt.»
In den 90er-Jahren war es der Bio-Boom, der Wachstum brachte, heute spricht der Agrar-Ingenieur vor allem von neuen Standards bezüglich rückstandsfreier Produktion: «Die Vorgaben für die Qualität der Nahrungsmittel sind wichtig. Sie setzen Standards, die, einmal eingeführt, meist nachhaltig erhalten bleiben.»
Biocontrol durchlief in den 21 Jahren seines Bestehens ein konstantes Wachstum: Nach der ersten Wachstumsphase, dem Bio-Boom der 90er-Jahre, sei die Konkurrenz unter den Bioproduzenten stärker geworden und der Markt habe stagniert. Dann folgte die zweite Phase, als die konventionelle Landwirtschaft den Nutzen der natürlichen Schädlingsbekämpfung ebenfalls zu nutzen begann.
Greenpeace verhalf zu Marktlücke
Und ein neues Phänomen habe zu einer 3. Wachstumsphase geführt. «Rückstandsfreie Pflanzenschutz-Mittel können eine Marktlücke schliessen, seit Greenpeace vor rund zwei Jahren bei Grossverteilern in Deutschland zu hohe Rückstände chemischer Pflanzenschutzmittel im Gemüse nachwies.»
Die Schweiz habe vor allem mit der Entwicklung des Biosektors zeitlich die Nase immer etwas vorn gehabt, so Zingg. Europa hinke mit einer Verspätung von rund 5 Jahren nach, wobei Österreich, Deutschland und teilweise auch Italien gut aufschlössen, Frankreich jedoch weniger.
Ein wichtiger Exportmarkt bleiben auch die USA: «Da kam der Bio-Boom im Obstbau erst kürzlich an», sagt Zingg. Als Schweizer KMU und Winzling im Vergleich zu Agrochemie-Riesen wie Syngenta oder Bayer liefert Biocontrol praktisch nur Eigenprodukte ins Ausland. In der Schweiz hingegen werden 150 Produkte von Partnern aus aller Welt offeriert.
International mag Biocontrol mit seinen 10 Mio. Franken Jahresumsatz ein typischer Schweizer Nischen-Player sein. In Grossdietwil im Luzerner Hinterland, wo das Unternehmen zu Hause ist, ist es mit rund 55 Vollstellen der grösste Arbeitgeber im Dorf.
In der Schweiz werden 11% der gesamten landwirtschaftlich genutzen Fläche biologisch bewirtschaftet – egal ob mit Pflanzen oder Tieren. Jedoch sind viel mehr, nämlich 30% aller eingesetzten Insektizide, biologisch. Laut Zingg ein weltweit rekordverdächtig hoher Anteil.
Auch Tiere biologisch schützen
Über den Pflanzenschutz hinaus hilft die Andermatt-Gruppe mit der Firma BioVet vermehrt auch Tierhaltern. So zum Beispiel zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe. «Wir imprägnieren einen Zellulose-Träger mit Thymol, einem Bestandteil des ätherischen Öls Thymian», sagt Simon Gisler, Geschäftsführer von BioVet. «Die so entstandenen Thymovar-Plättchen legt der Imker auf seine Bienenvölker.»
«Dort verdampft das Thymol wegen der dort herrschenden Wärme. Der Bienen-Schädling, die Varroa-Milbe, stirbt bei mehr als 5 Mikrogramm Thymol pro Liter Luft – die Bienen erst bei 20 Mikrogramm. Da muss man also genau sein mit der Dosierung.»
Im Inland ist Thymovar schon seit einem Jahrzehnt erfolgreich im Einsatz. Für den europäischen Markt brauchte es fünf lange Jahre Administrativaufwand für die Zulassung als Tierarzneimittel.
Die Gefahr der Resistenz
«Vor 10 Jahren konnte man noch synthetische Mittel einsetzen, um die Varroa zu töten», sagt Gisler. «Doch dann wurde sie resistent. Thymovar hingegen tötet bei optimalem Einsatz 90% der Milben. Auf diese Weise entwickelt sich nur schwer eine Resistenz.»
Bei der Bestäubung in den Obstgärten werden unterdessen die fehlenden Bienen durch Hummeln ersetzt. Die seien sehr effektiv, und der Imker müsse sich nicht um ihr Überwintern sorgen. Zudem würden sie nicht von der Varroa befallen.
Auch bei Feuerbrand bieten die Hummeln Vorteile, da sie nicht an andere Standorte verstellt werden können, wie Bienen mit ihren Bienenhäuschen. Doch damit ist das Feuerbrand-Problem, die wohl gefährlichste Krankheit im Kernobst, bei weitem noch nicht gelöst. Andermatt Biocontrol geht die Arbeit also noch lange nicht aus.
Alexander Künzle, swissinfo.ch
Rund 150 Produkte für Landwirtschaft und Gartenbau, neu auch Produkte für die Tiergesundheit (Fallen, Insektizide, Fungizide, Geräte, Netze).
Als Alternative zu den herkömmlichen chemisch-synthetischen Pflanzenschutz-Mitteln und Düngern.
Biologische Pflanzenschutzmittel,
resistente Pflanzen und Obstbäume,
Nützlinge,
Nematoden (kleine Würmer, die gegen Schnecken eingesetzt werden).
Die Gruppe umfasst vier Firmen in der Schweiz (Grossdietwil, Luzern) und zwei Töchter in Deutschland.
Andermatt Biocontrol AG, (mit Minderheitsbeteiligungen an BIOFA AG, Deutschland, und biohelp, Wien)
Andermatt Biogarten AG,
Andermatt BioVet AG (Tiergesundheit),
Andermatt Service AG
Töchter in Deutschland:
Andermatt Biocontrol
Andermatt BioVet
Die Gruppe beschäftigt rund 80 Personen.
2007 Preis der Schweizer Umweltstiftung
2009 Umweltpreis der Albert-Koechlin-Stiftung (AKS)
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