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In vollen Spitälern ist die Sterberate höher

Nahaufnahme der Hand eines Patienten in einem Spital
Laut einer Studie der Universität Basel steigt die Sterblichkeit in Spitälern ab einer bestimmten Belegungsschwelle um rund 2% pro Tag. Keystone / Gaetan Bally

Wenn die Bettenbelegung zunimmt, steigt die Sterblichkeitsrate in Spitälern. Manchmal sogar, bevor die Klinik voll ausgelastet ist. Zu diesem Schluss kommt eine Schweizer Studie. Das Phänomen betrifft vor allem kleine Spitäler.

Darüber wurde während der Covid-19-Pandemie am häufigsten diskutiert: die Belegungsrate von Intensivstationen und Spitälern. Solange es noch freie Betten gibt, ist eine angemessene medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten möglich – könnte man meinen. Aber ist das wirklich der Fall?

Um eine Antwort zu finden, untersuchte die Universität Basel den kausalen Zusammenhang zwischen der Bettenbelegung und der Sterblichkeitsrate von Patientinnen und Patienten.

Dazu analysierten Forschende die Daten von mehr als 1,1 Millionen Hospitalisierungsfällen aus 102 Schweizer Spitälern. Die Ende 2022 veröffentlichte StudieExterner Link kommt zum Schluss, dass die Sterblichkeit ab einer bestimmten Belegungsschwelle um etwa 2% pro Tag zunimmt.

«In einigen Fällen steigt die Sterblichkeit deutlich an, bevor die volle Kapazität der Klinik erreicht ist», sagt Michael Simon, Studienleiter und Professor am Institut für Pflegewissenschaften der Universität Basel, gegenüber SWI swissinfo.ch.

Grössere Schwankungen in kleinen Spitälern

Die kritische Belegungsschwelle, ab der das Sterberisiko steigt, ist von Spital zu Spital unterschiedlich. Sie kann laut der Studie zwischen 42,1 % und 95,9 % der maximalen Kapazität liegen.

«In einigen Fällen steigt die Sterblichkeit deutlich an, bevor die volle Kapazität der Klinik erreicht ist.»

Michael Simon, Universität Basel

Einer der entscheidenden Faktoren ist die Grösse der Einrichtung. In kleinen Spitälern mit einer durchschnittlichen Belegungsrate von 60% ist die kritische Schwelle niedriger und wird schneller erreicht als in grösseren Einrichtungen.

Dort liege die durchschnittliche Belegungsrate bei 90%, sagt Simon. Der Grund dafür sind die grösseren Schwankungen der Belegungszahlen. Solche sind in kleineren Spitälern zwar nicht immer, aber häufig zu beobachten.

Ein Beispiel: Eine Klinik mit zehn Betten und einem jährlichen Durchschnitt von sechs Patientinnen und Patienten pro Tag hat eine Belegungsrate von 60%. Das bedeutet, dass es Tage mit zwei belegten Betten geben kann und andere mit zehn.

Eine solche Situation ist laut Simon «schwer zu handhaben». In grösseren Einrichtungen wie beispielsweise Universitätskliniken gibt es dagegen weniger Schwankungen.

Ist es also aus Sicht von Betroffenen besser, in einem grossen Spital hospitalisiert zu werden? Nicht unbedingt, sagt Simon: «Im Prinzip sind Einrichtungen mit einer höheren und damit konstanteren Belegungsrate wahrscheinlich die beste Lösung für die Patientinnen und Patienten. Dazu gehören auch kleine und mittlere Spitäler», sagt er.

Die Beziehung zwischen der Bettenbelegung und der Sterblichkeitsrate in einem Spital sei komplex, betont der Experte. Denn neben dem Anteil der belegten Betten müssen auch andere Faktoren berücksichtigt werden.

Dazu gehören etwa der durchschnittliche Schweregrad einer Krankheit oder der Grund für die Hospitalisierung, das Sterberisiko oder das Alter und das Geschlecht einer aufgenommenen Person.

Warum sterben Menschen in Spitälern?

Sobald die kritische Belegungsschwelle eines Spitals überschritten wird, besteht das Risiko, dass Diagnosen oder Behandlungen nicht oder nur mit einer gewissen Verzögerung durchgeführt werden, sagt Simon. Trotz starker Schwankungen bei der Auslastung bleibt die Zahl des medizinischen und pflegerischen Personals relativ stabil.

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) prangert seit Jahren eine übermässige Arbeitsbelastung und einen chronischen Mangel an Pflegepersonal in den Spitälern an.

Der Beruf hat an Attraktivität verloren. Etwa ein Drittel der ausgebildeten Pflegefachpersonen verlässt den Sektor bereits nach wenigen Jahren, beklagt SBK-Präsidentin Sophie Ley.

Diese Abwanderung wurde durch die Covid-19-Pandemie noch verschärft. Weniger Pflegepersonal kann die Qualität der Pflege beeinträchtigen und das Risiko von Komplikationen oder vorzeitigem Tod erhöhen.

Statistisch gesehen sterben in der Schweiz etwa 2,3% der hospitalisierten Personen während ihres Spitalaufenthalts, sagt Simon. Wenn man bedenkt, dass jedes Jahr etwa eine Million Menschen ins Spital eingeliefert werden, bedeutet das etwa 23’000 Todesfälle pro Jahr.

«In den meisten Fällen stirbt ein Mensch, weil seine Zeit gekommen ist. Niemand kann ihn retten, zum Beispiel nach einem schweren Autounfall oder wegen einer schweren Krankheit», sagt Simon.

Hingegen würden nach einer Schätzung des Bundesamts für Gesundheit jährlich zwischen 2000 und 3000 Todesfälle durch medizinische Fehler verursacht.

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Schweizer Spitäler im Durchschnitt

Die Studie der Universität Basel über Bettenbelegung und Spitalsterblichkeit ist die erste ihrer Art. Sie wurde laut Simon möglich, weil in der Schweiz alle Daten von Patientinnen und Patienten verfügbar sind – im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland. Die Schlussfolgerungen könnten jedoch auch für andere nationale Gesundheitssysteme gelten, fügt er hinzu.

Die Schweiz ist das europäische Land mit der höchsten Anzahl an Pflegefachfrauen und -männern pro KopfExterner Link (18 pro 1000 Personen im Jahr 2019).

Was die Anzahl der verfügbaren Betten im Verhältnis zur Bevölkerung und die Auslastung der Spitäler betrifft, liegt die Schweiz im Durchschnitt oder leicht darüber, wie die beiden folgenden Grafiken zeigen.

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Lösungen zur Verringerung der Sterblichkeit

Für Michael Simon kann das Problem der steigenden Sterblichkeit durch eine Verringerung der Schwankungen bei den Belegungszahlen und durch eine angemessene Personalausstattung der Spitäler gelöst werden.

«Die Gesundheitspolitik muss sich Gedanken darüber machen, wie sie die Volatilität verringern und das Pflegesystem widerstandsfähiger machen kann», sagt er.

Lösungen könnten eine engere Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Zentren, eine bessere Spitalplanung und die Zusammenlegung kleinerer Kliniken sein, so der Professor.

Dadurch würde nicht nur eine Überbelegung der Spitäler vermieden, sondern auch eine Situation, in der es zu viele freie Betten gibt und bei der Ressourcen verschwendet werden.

«Im Idealfall ist es besser, wenige Betten mit ausreichend Pflegepersonal zu haben als eine Einrichtung mit vielen Betten, aber zu wenig Personal», sagt Simon.

Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub

Das Schweizer Gesundheitswesen soll den Herausforderungen der alternden Gesellschaft mit besserer Koordination und dem Einbinden vom Umfeld der Patient:innen begegnen.

Dies sind die Resultate aus fünf Jahren ForschungExterner Link, die das Nationale Forschungsprogramm im Gesundheitswesen (NFP 74) Mitte Januar 2023 präsentiert hat.

Der Gesundheitssektor steht vor erheblichen Herausforderungen: chronische Krankheiten nehmen zu, es gibt Kostendruck, die Gesellschaft altert.

«Die Pflege muss in Zukunft noch besser an die Bedürfnisse chronisch kranker Menschen angepasst werden», sagte Milo Puhan, Präsident der Leitungsgruppe des NFP, an der Präsentation.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen in der Behandlung und Betreuung involvierten Beteiligten erforderlich ist. In einem dezentralisierten System wie dem der Schweiz sei die Koordination oft schwierig, so der Forscher.

Ein Projekt konzentrierte sich auf die Entlassungsplanung für ältere und verletzliche Personen mit Hilfe eines Online-Tools, das medizinisches Personal und die Sozialarbeit miteinander verbindet. Dadurch konnten Menschen früher nach Hause entlassen werden.

Quelle: Keystone-SDA

Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub

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