Wie Schweizer Städte gegen die Überhitzung ankämpfen
Hohe Temperaturen machen im Sommer das Leben besonders in der Stadt zur Qual. Warum ist es dort wärmer als auf dem Land? Und was wird in der Schweiz gegen "städtische Wärmeinseln" unternommen?
Jeder zweite Mensch auf der Welt lebt in Städten. In der Schweiz sind 73% der Bevölkerung in den Agglomerationen konzentriert. Ausgerechnet diese städtischen Zentren können sich im Sommer in Öfen verwandeln.
In Städten kann die Temperatur mehrere Grad höher sein als in den umliegenden ländlichen Gebieten. In Zürich, Bern und Genf kann der Unterschied zwischen Zentrum und Peripherie in einer Sommernacht bis zu 7°C betragen.
Man nennt diesen Effekt «städtische Wärmeinseln». Vor allem im Rahmen der Klimakrise und vor allem in Städten und dicht bebauten Agglomerationen des Schweizer Mittellandes wird es immer wichtiger, das Phänomen zu berücksichtigen.
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Warum ist es in der Stadt wärmer?
Die vielen Beton- und Asphaltflächen in der Stadt absorbieren die Sonnenstrahlung und geben die Hitze wieder zurück an die Umwelt. Mangel an Grünflächen, eingeschränkte Luftzirkulation aufgrund höherer Bauten und die von Fahrzeugen, Industrie und Klima- und Heizungsanlagen erzeugte Wärme tragen ihr Übriges zur Erhöhung der Temperatur bei.
Leidtragende sind in erster Linie die Bewohner, insbesondere die älteren Menschen. Es trifft aber auch die Artenvielfalt, und beeinträchtigt ist auch der Fluss des Regenwassers, das nicht mehr in den Boden eindringen kann.
Wie kann die Temperatur in der Stadt gesenkt werden?
«Wenn man die Stadt in Blau und Grün tüncht und auf Bepflanzung und auf Wasser setzt, das sind eindeutig die wirksamsten Massnahmen, um eine Stadt zu erfrischen», sagt Jean-Michel Fallot vom Institut für Geographie und Nachhaltigkeit der Universität Lausanne in der Tageszeitung «24 heures».
Bäume und Grünflächen spenden nicht nur Schatten, sondern führen auch zu einer höheren Evapotranspiration. Man meint damit das Verdunsten von Wasser aus der Pflanzenwelt. Der physikalischen Prozess hat eine erfrischende Wirkung. Laut Martine Rebetez, Klimatologin an der Universität Neuenburg, senkt das Anlegen von Vegetation auf asphaltiertem Boden die Lufttemperatur um 5 °C.
Auch die Verwendung bestimmter Baumaterialien kann Hitze in der Stadt mildern. Transparente oder reflektierende Materialien für Gebäude und Strassen erhöhen die Fähigkeit der Stadt, Sonnenstrahlung zu reflektieren. Sie nimmt damit weniger Wärme auf.
Man kann darüber hinaus auch Korridore anlegen, die zum Ziel haben, frische Luft aus Hügeln, Wäldern und der umliegenden Landschaft in die Stadt zu bringen. Dies ist angesichts einer zunehmenden Verdichtung aber eher eine Herausforderung.
Was machen die Städte in der Schweiz?
Sion, die Hauptstadt des Wallis, ist die wärmste Stadt der Schweiz. In zwanzig Jahren ist dort die Durchschnittstemperatur um 1°C gestiegen. Die Zahl der sogenannten Hitzetage mit mehr als 25°C pro Jahr ist im Zeitraum 1960 von 1980 von 56 auf 76 gestiegen.
Als eine der ersten Städte des Landes, die auf Hitzeinseln reagierte, schuf Sion neue Grünflächen und pflanzte dort, wo früher Autos parkten, Bäume.
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Wenn ein Baum mehr bewirkt als eine Klimaanlage
Luzern und Genf wollen ebenfalls mehr Bäume pflanzen und bevorzugen hitze- und dürreresistente Arten. Genf hat zum Ziel, die mit Bäumen bepflanzte Fläche bis 2050 von 21% auf 30% zu erhöhen. Die Genfer Behörden haben auch 3000 Quadratmeter Teer von Dutzenden von Standorten entfernt und arbeiten daran, die unterirdischen Gewässer wieder an die Oberfläche zu bringen, sagt Philippe D’Espine, Sprecher der Stadt Genf.
In der Hauptstadt Bern sollen verschiedene Arten von Strassenbelägen getestet werden, um herauszufinden, welche von ihnen sich im Sommer weniger aufheizen.
Zürich ist das am dichtesten besiedelten Zentrum der Schweiz. Die Stadt hat eine detaillierte Karte der am stärksten von der Hitze betroffenen Gebiete erstellt, um künftige Hitzewellen in der Stadt vorherzusagen.
Im Mai legten die Stadtbehörden einen Plan zur Reduzierung der Hitze in ganz Zürich und zur Förderung der Frischluftzufuhr vor. Bäume, neue Grünflächen, riesige schattenspendende Planen, neue Springbrunnen und Pflanzenfassaden werden dazu beitragen, die Temperaturen auf einem akzeptablen Niveau zu halten, so der Leiter der öffentlichen Arbeiten Richard Wolff.
Durch die Planung der Ausrichtung und Lage der neuen Gebäude soll verhindert werden, dass neue Gebäude den Luftstrom aus den umliegenden Hügeln und Wäldern behindern.
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