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Schweizer High-Tech gegen Ölteppich im Golf von Mexiko

Ob das Schweizer High-Tech-Verfahren Oilguard im Golf von Mexiko zum Einsatz kommt? ZVG

Ein High-Tech-Verfahren, das vom Schweizer Unternehmen HeiQ in Zurzach entwickelt wurde, soll im Golf von Mexiko helfen, die von BP verursachte Ölkatastrophe zu lindern. Amerikanische Experten bekunden Interesse.

Die Firma HeiQ hat hohen Besuch aus Washington empfangen, wie Carlos Centonze, der Chef der Firma gegenüber swissinfo.ch bestätigt. «Vertreter der amerikanischen Armee und der US-Botschaft sind enthusiastisch über unser High-Tech-Vlies, das Öl und Wasser trennen kann. Im Moment laufen die Vorbereitungen, damit erste ‹live-trials› vor Ort im Golf von Mexiko vorerst kostenlos gemacht werden können.»

Das Projekt mit dem Namen Oilguard ist logistisch mit grossem Aufwand verbunden. «Zum einen benötigen wir die Bewilligung der US-Behörden, und zweitens brauchen wir die Unterstützung der amerikanischen National Guard, um das neue Material aussagekräftig vor Ort zu testen», hält Carlo Centonze fest.

Musterproduktion angelaufen

Alle Beteiligten am Projekt «Oilguard» sind in den Startlöchern. Carsten Otte, Sprecher der Firma TWE, welche die Vliesstoffe in Deutschland produziert, erklärt gegenüber swissinfo.ch: «Die Musterproduktion des 500 Meter langen und 5,5 Meter breiten High-Tech-Materials für den Grossversuch läuft und ist unterwegs in die USA.»

Die Schwarze Pest im Golf von Mexiko, die am 20. April 2010 nach einer Explosion auf der BP-Ölplattform «Deepwater Horizon» ihren Anfang nahm, ist noch immer nicht unter Kontrolle.

Während die negativen Schlagzeilen über dem Ölteppich nicht abreissen, sorgt HeiQ aus dem aargauischen Zurzach für hoffnungsvolle Nachrichten.

Das Hightech-Unternehmen hat eine ölfreundliche und gleichzeitig wasserabstossende Chemikalie entwickelt, die auf spezielle Vliesstoffe appliziert wird. Diese werden von der deutschen Firma TWE produziert. Mit diesem Vlies wollen die Experten den Ölteppich im Katastrophengebiet im Golf von Mexiko weiträumig auffangen.

Kommt Schweizer Technologie bald zum Einsatz?

British Petroleum (BP), welche die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verursacht hat, hatte die Idee von HeiQ und TWE aus über 20’000 Vorschlägen ausgewählt, die aus aller Welt zur Bekämpfung der Ölpest beim Ölmulti eingegangen sind.

Die Technologie aus der Schweiz scheint einsatzbereit. Bis das Projekt Oilguard nach den «live-trials» gegebenenfalls anlaufen kann, wird aber wertvolle Zeit vergehen.

TWE und HeiQ haben Kapazitäten, ab sofort täglich 30 Tonnen der imprägnierten Textilie zu produzieren. Diese Menge entspricht einem Schutzschild von 10 Kilometern Länge. Mittelfristig könne die Produktion auf 300 Kilometer Strandschutz pro Tag hochgefahren werden, berichten die Sprecher der beteiligten Firmen.

Sollte das Projekt Oilguard Erfolg haben, winkt dem innovativen Schweizer Start-up HeiQ das grosse Geschäft. «Wenn das Vlies zum Einsatz kommt, verzehnfacht sich unser Produktionsvolumen; eine Entwicklung, welche rasch zu neuen Arbeitsstellen im High-End-Bereich führen würde», meint Carlo Centonze.

Er warnt dennoch vor zu viel Optimismus. «Wir haben keine Wunderwaffe, aber eine Lösung für einen Teil des Problems.»

Weder Allerheilmittel noch Wunder im Golf

«Die von HeiQ angebotene Technologie kann vielleicht dort wirkungsvoll eingesetzt werden, wo Strände und damit die Tourismusindustrie gefährdet ist», meint Alexander Hauri von Greenpeace Schweiz gegenüber swissinfo.ch.

Zwar konnte BP in den vergangenen zwei Wochen die lecke Rohrleitung 1500 Meter unter der Wasseroberfläche absägen und einen Behälter montieren, der einen Teil des Öls zu einem Tanker hochpumpen kann. Der Rest des ausströmenden Öls gelangt aber weiterhin ungehindert an die Wasseroberfläche.

Bisher sollen zwischen 170 bis 380 Millionen Liter Öl ausgelaufen sein. Die Zahlen ändern fast täglich.

Auch unabhängige Experten warnen vor zu hochfliegenden Hoffnungen. Theoretisch kann das Vlies zwar bis zu einem Drittel des Öls aufsaugen, das aus dem Bohrloch in den Golf von Mexiko fliesst. Es kann aber die monumentalen Schäden nicht beheben, welche die Schwarze Pest am einzigartigen Ökosystem im Mississippi-Delta und in den Mangroven-Sümpfen im Golf von Mexiko bereits verursacht hat.

Grosse Mengen des ausgelaufenen Öls schwimmen nicht mehr an der Wasseroberfläche, sondern richten unter der Wasseroberfläche Zerstörung an der maritimen Flora und Fauna an.

Erwin Dettling, swissinfo.ch

HeiQ ist ein Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), Zürich. Die im Jahr 2005 gegründete Kleinfirma ist auf die Behandlung von Textilien spezialisiert.

Das Unternehmen hat sich in den vergangenen drei Jahren einen Namen gemacht als Hersteller von antibakteriellen Geruchshemmer auf Silberbasis für Sportbekleidung und Spitaltextilien.

Mit der neuen Chemikalie, die jetzt im Verbund mit einem Vlies Öl und Wasser trennen kann, betritt HeiQ Neuland.

HeiQ zählt 23 Mitarbeiter.

Der 36-jährige ETH-Ingenieur Carlo Centonze ist nicht nur federführend bei HeiQ. Bereits vorher hat der Tessiner die Klimaschutz-Organisation Myclimate mitgegründet.

Die Ölbranche ist Centonze aus seinem familiären Umfeld bekannt: Er sitzt im Verwaltungsrat des Unternehmens seines Vaters, Emanuele Centonze SA, Switzerland.

Centonze SA, Switzerland vertritt seit vielen Jahren British Petroleum (BP) in der Schweiz.

Vliesstoffe sind technologisch zwischen Textilien, Papier, Filz, Folie und Leder anzusiedeln.

Sie vereinen die Vorteile natürlicher Werkstoffe und nutzen die Möglichkeiten der modernen Faserchemie.

Vliesstoffe sind vielseitig: Feuerfest, verformbar, lichtecht, leitfähig, manchmal dicht, dann wieder dünn.

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