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«Man muss mit der Technik seiner Zeit gehen»

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"Die Schweiz zieht um": Szene aus der Sensibilisierungskampagne des Bundes mit der Schlagersängerin Francine Jordi. swissinfo.ch

Kürzlich haben die Schweizer Behörden bestätigt, dass das analoge UKW-Radio Ende 2024 definitiv abgeschaltet wird. Herkömmliche Radios werden durch digitale DAB+-Geräte ersetzt. Laut Xavier Studer, Spezialist für neue Technologien, ist diese Entwicklung unausweichlich, auch wenn der DAB+-Standard nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Seit einigen Jahren ist bereits davon die Rede, doch nun wird das Ende des UKW-Radios (auch FM genannt) immer greifbarer. Der Wendepunkt kam im Frühling 2016, als Radio zum ersten Mal stärker digital (DAB+ und Internet) als analog genutzt wurde. Laut Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) hat der Anteil der digitalen Nutzung letzten Frühling 57% erreicht. Es gibt Anzeichen, dass sich der Wandel sehr wohl fortsetzt. Beispielsweise sind neue Autos, mit einem DAB+-Gerät statt mit einem FM-Radio ausgestattet.

Auch für Privathaushalte empfiehlt es sich, die alten Radiogeräte auszutauschen, weil sie in sechs Jahren nutzlos sein werden. Etwa ein Drittel der Haushalte hat den Schritt bereits gemacht. Um die Leute zum Wechsel zu ermuntern, hat das BAKOM am Welttag des Radios (13. Februar) eine Kampagne mit dem Titel «Radio zieht umExterner Link» lanciert. Unter anderem werben prominente Persönlichkeiten der Schweizer Musikszene in Musikvideos für DAB+.

Externer Inhalt

Xavier Studer, Autor eines BlogsExterner Link über neue Technologien und Telekommunikation, hat diese Entwicklung aufmerksam verfolgt. Ein Interview.

swissinfo.ch:Wie lässt sich der Wechsel zu DAB+ einfach erklären?

Xavier Studer: Es ist ein Wechsel von der analogen zur digitalen Technik. Es ähnelt dem, was wir beim Übergang von der Schallplatte zur CD erlebt haben. Für das Radio sind wir bereits bei DAB+, einer Weiterentwicklung von DAB, die eine bessere Audioqualität bietet.

swissinfo.ch: Ihr Vergleich ist interessant, denn der aktuelle Trend für Musikliebhaber geht… zurück zur guten alten Schallplatte! Werden wir dasselbe Phänomen auch beim Radio erleben?

X. S.: Ich glaube nicht, denn wir müssen mit den technologischen Standards unserer Zeit leben. Wir sprechen hier über einen «Spleen» einiger Musikliebhaber, die überzeugt davon sind, dass der Sound auf Vinyl besser ist. Vor 20 oder 30 Jahren waren dieselben Leute überzeugt davon, dass der Ton auf CD besser ist. Die Technik hängt aber nicht (nur) von modischen Effekten ab. Es gibt gute Gründe, auf DAB+ umzusteigen. Diese Technologie ermöglicht die Übertragung von mehr Radiostationen über den gleichen Frequenzbereich wie FM.

Xavier Studer
Xavier Studer ist im Journalismus und in der Kommunikation tätig und verfolgt seit Jahren die Entwicklung des Mobilfunks. Xavier Studer

swissinfo.ch: Ganz konkret: Was ist für den Hörer der Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Radio?

X. S.: Ich bin versucht zu sagen, dass der Unterschied nicht so gross ist, denn wenn er es wäre, hätte die Technologie auf internationaler Ebene einen viel schnelleren Erfolg gehabt. Konkret verhilft die Technologie zu einer besseren Tonqualität sowie zu Zusatzinformationen über die ausgestrahlten Programme, es werden beispielsweise Musiktitel, Interpreten oder gar das Albumcover eingeblendet. 

swissinfo.ch: Der Unterschied scheint also nicht besonders gross zu sein.

X. S.: Der Klang von FM ist bereits recht gut und einige sind davon überzeugt, dass DAB+ keinen grossen Mehrwert bringt. Aber das digitale Signal ermöglicht es, eine Reihe von Störungen auszuschalten, zum Beispiel während Autofahrten. Das heisst, wir haben ein sehr sauberes Signal.

swissinfo.ch: Wenn man Ihnen zuhört, könnte man meinen, der wirkliche Vorteil von DAB+ bestehe darin, dass mehr Radiosender übertragen werden können.

X. S.: Die bedeutendste Entwicklung ist wohl tatsächlich, dass mehr Radioprogramme auf dem gleichen Frequenzbereich gesendet werden können. Aber das würde den Zuhörer erst interessieren, wenn das FM-Band ausgelastet wäre und es nicht genügend Platz für alle Radiosender gäbe…

swissinfo.ch: In der Schweiz ist offenbar eine Werbekampagne nötig, um die Umstellung auf DAB+ zu fördern. Ist es nicht etwas seltsam, Werbung für eine angeblich bessere Technologie machen zu müssen?

X. S.: Es läuft tatsächlich etwas harzig, weil UKW gut funktioniert und die neue Technologie aus Sicht der Zuhörer nicht viel mehr bietet. Es gibt auch verschiedene technische Gründe. So wurden beispielsweise Autos während langer Zeit mit UKW-Empfängern ausgestattet und es fehlte möglicherweise am Willen, die neue Technologie zum Standard zu machen.

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swissinfo.ch: Heutzutage hat fast jeder ein Smartphone mit unbegrenzter Internetverbindung und kann damit Radio hören. So gesehen kommt DAB+ in einem Moment, in dem man es nicht mehr wirklich braucht.

X. S.: Das Beispiel des Smartphones ist in der Tat sehr bezeichnend. Früher hatten diese Geräte einen integrierten FM-Empfänger, doch diese sind komplett verschwunden. Und sie wurden nicht durch einen DAB+-Empfänger ersetzt. Meines Wissens gibt es auf dem Markt nur wenige Telefone mit einem integrierten Empfänger. Das Mobiltelefon zeigt also, dass das Internet für den digitalen Radioempfang wahrscheinlich ausreicht.

swissinfo.ch: Wozu also all diese Bemühungen für ein Radio in DAB+? 

X. S.: Ein Rundfunkgerät, sei es analog oder digital, hat gewisse Vorteile. Das Gerät ist nicht sehr teuer; es kann Programme kostenlos empfangen, überall und unabhängig von einer Internetverbindung; es hat eine sehr lange Batterielaufzeit. All dies sind Faktoren, die das Radio zu einer idealen Informationsquelle bei Katastrophen und Krisen machen. Dies ist ein strategischer Aspekt, der nicht übersehen werden darf.

Vieille radio
Das gute alte Radio gehört bald ins Museum. Keystone/Petra Orosz
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Radio bleibt beliebt

Radio – sei es digital oder analog – bleibt ein sehr verbreitetes Medium. Gemäss Umfragen von MediapulseExterner Link erreichte das Radio im ersten Halbjahr 2017 in der Schweiz 9 von 10 Personen ab 15 Jahren. In der Westschweiz kommen 83% der Erwachsenen im Laufe des Tages mit einem oder mehreren Radiosendern in Kontakt. In der Deutschschweiz sind es 86% und in der italienischen Schweiz 88%. Im Durchschnitt hört ein Hörer in der Deutschschweiz täglich 115 Minuten, in der italienischen Schweiz 112 Minuten und in der Westschweiz 97 Minuten Radio. Mediapulse ist eine unabhängige Stiftung, die vom Bund mit der Messung der Einschaltquoten von Radio und Fernsehen in der Schweiz beauftragt ist.

Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi

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