Was wir alles tun, um saubere Bodenproben nach Hause zu bringen
Die Arbeit als Mikrobiologin im Feld ist ein Eintauchen in das Unbekannte, Unsichtbare und Komplexe. Eines bleibt jedoch immer gleich: Um die unsichtbaren, aber lebenswichtigen Lebewesen im Boden von Spitzbergen zu untersuchen, müssen wir die Proben davor bewahren, kontaminiert zu werden.
Um sauber arbeiten zu können, müssen wir zunächst die Mikroben des Tundrabodens von allen anderen Mikroben trennen, die auf der Ausrüstung oder in anderen Teilen der Umgebung vorkommen könnten: Rentierkot, Mikroben im zuvor beprobten Boden – oder Mikroben, die auf uns Forschenden herumkrabbeln.
Der Mensch ist mit einer Vielzahl von Mikroorganismen dicht bedeckt. Wussten Sie, dass Mikroben aus dem Zahnbelag des niederländischen Mikrobiologen Antonie van Leeuwenhoek aus dem 17. Jahrhundert zu den ersten gehörten, die unter dem Mikroskop entdeckt und untersucht wurden?
Um nur jene Mikroben zu untersuchen, die in den Böden von Spitzbergen heimisch sind, mussten wir das Risiko einer Kontamination von aussen immer auf ein Minimum reduzieren. Dazu mussten wir eine physische Barriere errichten: Gummihandschuhe, die wir bei der Handhabung der Geräte und des Bodens trugen.
Feldnotizen aus der Arktis
Die Doktorandinnen Lena Bakker, Sigrid Trier Kjaer und Jana Rüthers (v.l.n.r.) von der ETH Zürich haben sich auf den Weg zur norwegischen Inselgruppe Spitzbergen gemacht. Im hohen Norden wollen sie die Begrünung der Arktis untersuchen; ein Prozess, der durch die globale Erwärmung ausgelöst und lokal durch die chemische und geologische Beschaffenheit des Bodens bestimmt wird.
Anders als unsere Fingerspitzen sind die Handschuhe nicht mit unzähligen Mikroben bedeckt. Ausserdem waren so unsere Hände am Ende eines Tages auf dem Feld viel weniger mit Schlamm verschmiert!
Zusätzlich verwendeten wir mehrere Liter Ethanol und viele Rollen Papierhandtücher. Damit reinigten wir die Ausrüstung zwischen den verschiedenen Probenahmestellen und auf jeder Parzelle noch einmal gründlich.
Das war völlig anders als die übliche Vorgehensweise von Bodenforschenden. Sie wischen die Geräte zwischen den Parzellen im Normalfall einfach kurz ab. Einige unserer Kolleginnen und Kollegen schauten jeweils mitleidig zu, wie wir in Schlamm und Regen verzweifelt versuchten, die Geräte sauber zu halten.
An den feineren Werkzeugen, wie etwa den Spateln, mit denen wir unsere Fläschchen befüllten, brannten wir alle verbleibenden Verunreinigungen mit einem Gas-Campingkocher weg.
Den Kocher versuchten wir vor den starken und anhaltenden Winden auf Spitzbergen zu schützen, indem wir eine Aluminiumschale verwendeten, die wir von Hand zurechtgebogen hatten.
Letztendlich konnten wir uns aber auch auf kleine Vertiefungen, einen grösseren Stein oder sogar den Bus oder das Boot verlassen. Diese boten uns einen stabileren und weniger empfindlichen Windschutz für die Reinigung.
Hinzu kommt die Herausforderung, die gesammelten Proben zu konservieren. Mikroben bilden Gemeinschaften, und diese sind besonders komplex und können sich im Boden rasch verändern.
Das bedeutet, dass sich auch der entnommene Boden in der Probe weiter verändern wird. Je nach den Bedingungen, unter denen er aufbewahrt wird. Dies ist ein Problem, weil zwischen der Entnahme der Proben und der Analyse ihrer Lebensgemeinschaften im Labor viel Zeit vergeht.
Die einfachste Art, Bodenproben zu konservieren, funktioniert wie bei Ihrem Lieblingskuchen: kühlen und dann einfrieren. An einem abgelegenen Ort wie Spitzbergen ist das aber leichter gesagt als getan.
In der Tundra ist es zwar kalt, aber es gibt keine Steckdosen, um Gefrierschränke zu betreiben. Wir lösten dieses Problem, indem wir die Proben in flüssigen Stickstoff (-195,8 °C) in einem Trockenversandbehälter eintauchten. Ein solcher kann sicher transportiert werden (er ist sogar flugtauglich). Mit diesem Prozess kann vor Ort etwas rund zehn Tage lang aufbewahrt werden.
Da wir aber fünf Wochen auf Spitzbergen verbrachten, brauchten wir einen grösseren Tank mit Flüssigstickstoff, um den kleineren Trockentransporter aufzufüllen. Wie Sie sich vorstellen können, ist die Tundra auch davon nicht gerade übersät, also mussten wir einen Flüssigstickstofftank vom norwegischen Festland per Schiff bestellen.
Der kleinste verfügbare Tank war ein 200-Liter-Modell, das fast so gross wie eine von uns Mikrobiologinnen war, aber fast zehnmal so viel wog. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Schifftransporten während eines Streiks der Fluggesellschaften kam er nicht nur mit zwei Wochen Verspätung an, sondern war auch undicht.
Als wir uns darauf vorbereiteten, die empfindlichen Keimproben zurück in die Schweiz zu fliegen, war der Tank leer. Glücklicherweise konnten wir einen Gefrierschrank mit einer Temperatur von -80 °C von der örtlichen Universität ausleihen, so dass wir die Proben eine Zeit lang sicher lagern konnten.
Dieser Gefrierschrank wird normalerweise verwendet, um die Felle der Polarfüchse für die Analyse der Spitzbergen-Population zu konservieren. Aber zum Glück war er zu diesem Zeitpunkt leer.
Schliesslich mussten wir die Proben zurücklassen. Jana und ein Kollege, die etwas später gemeinsam für rund eine Woche zurückkehrten, um Pflanzensamen zu sammeln, holten sie mit Hilfe des Trockenversenders (der bis zum Rand mit flüssigem Stickstoff gefüllt war) zurück. Er hielt zum Glück gerade lange genug für die Rückreise in die Schweiz dicht.
Alle Proben in einem grossen Gefrierschrank im Labor sicher (und bei ausreichend kalten Temperaturen) zu halten, ist für alle Mikrobiologen, die im Feld unterwegs sind, eine kleine Heldentat der Improvisation.
Alle können eine Geschichte über die Abenteuer erzählen, die sie erlebt haben, um sicherzustellen, dass ihre Proben unter schwierigen Bedingungen steril bleiben. Für uns sind Labor-Gefrierschränke kalte – und laute – Schatztruhen, die wir nie als selbstverständlich ansehen.
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Feldnotizen aus der Arktis
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Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
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