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Airboard – Schicksal einer Schweizer Schneesport-Erfindung

Airboarden ist eine Mischung aus Surfen auf Schnee und Skeleton. ©Fun-Care AG

Seit 20 Jahren stürzen sich Wagemutige auf dem Airbord kopfüber die Piste oder den verschneiten Hang hinunter. Das Schweizer Sportgerät ist nach einem kurzen weltweiten Hype zum Nischenprodukt geworden, vor allem aus regulatorischen Gründen. Im Event-Tourimus wird es nun neu entdeckt.

Das Airboard gleicht einer kleinen Luftmatratze, ist 114 Zentimeter lang, 70 Zentimeter breit, 23 Zentimeter dick, wiegt etwa 2,5 Kilogramm und besteht aus Polyurethan. Ausgedacht hat sich dieses Produkt Joe Steiner, CEO des Schweizer Outdoor-Herstellers Fun-Care AG.

Die Idee kam ihm nach einem Snowboard-Unfall. «Ich verletzte die Bänder in meinem Bein und konnte nicht mehr Ski- oder Snowboard fahren. Deshalb wollte ich ein Produkt schaffen, das jeder Mensch sicher und schnell anwenden kann», erinnert er sich.

Zehn Jahre habe es gedauert, die vom Bodyboard, also vom Surfen, inspirierte Idee zum fertigen Produkt zu entwickeln, wobei die Haltbarkeit, das Handling und die Portabilität im Vordergrund gestanden hätten. Als das Produkt 2001 in die Läden kam, stiess es in Outdoor-Kreisen auf grosses Interesse. Eher geringe Kosten und einfache Handhabung – diese Argumente konnten punkten. «Es dauert drei Minuten, um das Board mit einer Pumpe aufzublasen und weitere 30 Minuten, um es zu beherrschen», sagt Steiner. Die Zielgruppe ist entsprechend grosszügig abgesteckt: 6 bis 66 Jahre.

Kein Platz neben Ski- und Snowboard

Im Vergleich zu Ski und Snowboard bietet das Airboard, bei dem man kopfvoran den Hang hinunter saust, eine intensivere Wahrnehmung der Geschwindigkeit – einen speziellen Nervenkitzel, könnte man sagen. 2002 wurde es deshalb auf der weltgrössten Sportmesse ISPO mit dem «Brand New Award» ausgezeichnet, der an die vielversprechendsten neuen Produkte der Sportindustrie verliehen wird. Die Bekanntheit wuchs rasant, nicht nur aus dem Alpenraum, auch aus weit entfernten Ländern häuften die Anfragen.

Japan und die Vereinigten Staaten gehörten zu den ersten, die auf den Zug respektive das Board aufsprangen. In Japan war Kirigamine in der Präfektur Nagano das erste Skigebiet, das einen speziellen Airboarding-Kurs für Familien anbot. Auch in den Vereinigten Staaten hätten sie einen guten Start hingelegt, erzählt Steiner.

Die New York Times, die Los Angeles Times und eine Reihe von Sportmagazinen griffen die Geschichte vom Airboard Anfang des Jahrtausends auf und brachten mehrseitige Berichte. Der Erfolg blieb nicht aus. Zwischen 2004 und 2010 hätten sie «mehrere tausend Airboards in den USA verkauft», so Steiner.

Das Airboard schaffte es auf die Titelseiten von US-Outdoor-Magazinen. swissinfo.ch

Doch das goldene Zeitalter währte nicht lange. Die Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahren (SKUS) stufte das Airboarden auf Pisten, auf denen sich auch Skifahrer und Snowboarder aufhalten, als gefährlich ein und befand, dass ohne räumliche Trennung Sicherheitsrisiken bestünden.

Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) hielt ihrerseits auf ihrer Webseite fest, dass beim Airboarden Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erreicht werden könnten. Airboards seien deshalb nur auf dafür vorgesehenen Strecken zu benutzen, es seien Helme und Protektoren zu tragen und das richtige Fahren müsse im Vorfeld gelernt werden. Weil sie keine Kanten haben, seien Airboards aber nicht nur schnell, sondern auch schwer zu steuern, und dabei sei der Kopf besonders exponiert.

Wie Fun-Care auf seiner Webseite zeigt, gibt es derzeit nur wenige Skigebiete, die Airbording erlauben. In den USA sind es genau deren drei – und das auch nur mit einem Guide. Steiner sagt, dass das Airboard nicht gefährlich sei, wenn man es richtig benutze. Er räumt aber ein, dass das Gerät in vielen Ländern marginalisiert worden ist. Das gilt auch für die eigene Firma. Derzeit macht das Airboard nur fünf Prozent der Produktion von Fun-Care aus.

Als Event im Trend

Eine Ausnahme gibt es. In Japan wächst die Nachfrage. Laut Fun-Care-Website gibt aktuell 31 Skigebiete mit Airboard-Pisten, und damit mehr als in der Schweiz. In diesem Jahr bietet zum Beispiel das Spring Valley Sendai Izumi Ski Resort in Präfektur Miyagi, eine neue «Airboard Night Cruising Tour» an. Maaya Ebina vom lokalen Tourismusbüro sagt: «Airboarding ist in Japan zwar nicht sehr bekannt, aber der Sport wurde dieses Jahr von mehreren Medien aufgegriffen.»

Obwohl in Airboard-Kursen viele Teilnehmer noch jung, also in den Zwanzigern oder Dreissigern seien, sei die Rate der Rückkehrer hoch. Und in Hokkaido ist eine weitere Aktion mit Airboards geplant, ein Rennen, bei dem Airboarding und Schneeschuh-Wandern kombiniert werden sollen.

Das Gerät Made in Switzerland scheint diesen japanischen Wintersportlerinnen Spass zu machen. (公財)仙台観光国際協会

Dass Airboarding eigentlich immer in einem kontrollierten Rahmen stattfindet, kommt in Japan nicht von ungefähr. 2012 hatte sich in einem Skigebiet in der Präfektur Gunma ein tödlicher Unfall ereignet. Ebina sagt: «Es gab Skigebiete, die danach das Airboarden verboten haben. Viele Skigebiete versuchen, die Sicherheit zu verbessern, indem sie das Airboarden auf geführte Touren beschränken, eine Schulung im Vorfeld anbieten und nur sanfte Pisten freigeben.»

Verglichen mit Skifahren und Snowboarden ist Airboarden freilich immer noch ein Nischensport. In der Schweiz ist es nur abseits der Pisten möglich oder in Skigebieten, die geführte Kurse anbieten. Steiners Hoffnung, dass das Potenzial seiner Erfindung noch nicht ausgeschöpft ist, ist dennoch ungebrochen.

Er glaubt, vor allem in den benachbarten Alpenländern gebe es noch Wachstumspotenzial, neben der Piste und im Eventbereich mit Schneeschuhen. «Wenn Snow-Bodyboard als Sport an Popularität gewinnt, können wir uns gut vorstellen, dass auch grosse Wintersport-Destinationen Pisten für dieses Gerät bereitstellen.»

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