«Das Virus kennt keine Landesgrenzen»
Ganz Italien wurde zur Sperrzone erklärt. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, allen voran die 29-jährige Angela Katsikantamis, erzählen, wie sie die aktuelle Situation erleben.
«Ich bin besorgt», sagt die 29-jährige Angela Katsikantamis aus Perugia. Die junge Auslandschweizerin meint damit aber nicht etwa ihre eigene Situation – isoliert zu Hause in der Provinz Umbrien – nein, sie spricht diejenige in der Schweiz an.
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«Meine Schwester geht in Lugano immer noch zur Schule», erzählt sie. Sie finde das verantwortungslos. «Ich hoffe, dass sich die Schweiz schneller organisiert und handelt.» Die Familie von Katsikantamis lebt aktuell in Lugano. Ihr Vater und sie sitzen momentan jedoch in ihrem Haus in Perugia fest. Es sei nicht sicher, ob sie überhaupt noch in die Schweiz reisen könnten.
«Ich halte mich an die Massnahmen, welche die Regierung verhängt hat», sagt die junge Auslandschweizerin. «Das Coronavirus kennt keine Landesgrenzen.» Angela Katsikantamis ist die Präsidentin der jungen Auslandschweizer in Italien – Unione Giovani SvizzeriExterner Link – und sehr aktiv in der Auslandschweizer-Community. «Man sollte nur schon aus Respekt gegenüber der Gesellschaft zu Hause bleiben», ist sie überzeugt.
Skiweekend und Hochzeiten abgesagt
«Weil der Kongress des Collegamento Svizzero im Mai verschoben wird, werden wir den Kongress erstmals online durchführen.»
Angela Katsikantamis, Präsidentin UGS
Die Unione Giovani Svizzeri hat alle ihre geplanten Events abgesagt: das Treffen mit den Jungbürgern in Rom, das Skiweekend und Koordinationssitzungen. Aber die jungen Auslandschweizer machen aus der Not eine Tugend. «Weil der Kongress des Collegamento Svizzero im Mai verschoben wird, werden wir den Kongress erstmals online durchführen.»
Angela Katsikantamis selbst hat ein Vorstellungsgespräch in der Schweiz verschieben müssen. Und: «Meine Freundin musste ihren Polterabend absagen, eine andere sogar ihre Hochzeit», erzählt sie.
Katsikantamis hat im Oktober die Anwaltsprüfung in Italien gemacht. Ihr Ziel: Diese Prüfung auch in der Schweiz zu machen. «Ich arbeite daran, eines Tages eine eigene Kanzlei zu eröffnen.» Zurzeit sei sie beruflich nicht eingeschränkt. Aber die meisten ihrer Freunde seien im Homeoffice.
Die Situation wird ernst genommen
Angela Katsikantamis pflegt ihre sozialen Kontakte intensiv. «Ich liebe es, Menschen um mich zu haben und organisiere viele Nachtessen oder Treffen mit Freunden», erzählt sie. Jetzt ist das alles nicht mehr möglich. Einige ihrer Freunde seien aber sogar froh, dass sie zu Hause bleiben könnten, ohne eine Ausrede parat zu haben, sagt sie amüsiert.
«Wie die meisten habe ich dieses Virus am Anfang unterschätzt und nicht ernst genommen», gesteht sie. Mittlerweile nähmen sie und ihr Umfeld die Sache ernst. Sie halte Abstand, desinfiziere sich die Hände und verzichte auf Begrüssungen mit Körperkontakt. «Das sollten alle machen.»
In der Provinz Umbrien gebe es noch nicht so viele Fälle von Infizierten. Aber in ihrem Bekanntenkreis habe sie schon von der einen oder anderen Erkrankung gehört.
Auch die Schweizer Schule passt sich der aktuellen Situation an:
Auslandschweizer tragen Situation mit Fassung
Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer in ItalienExterner Link haben sich bei swissinfo.ch gemeldet. Die meisten von ihnen hadern nicht mit ihrem «Schicksal» und versuchen, das Beste daraus zu machen.
So schreibt Esther Thomann aus Levico Terme in der Provinz Trient: «Alles okay hier, auch wenn wir nicht mehr ganz frei sind. Dann bleiben wir halt Zuhause.» Susan von Arx, die schon seit 17 Jahren im Piemont lebt, berichtet ebenfalls aus dem Sperrgebiet. «Wir sind top fit und müssen unsere Tochter bei Laune halten, da die Schulen ja noch mindestens zweieinhalb Wochen geschlossen sind.» Die Familie vermiete Ferienhäuser in der Region und bereite die Saison momentan ganz normal vor. «Wir hoffen einfach, dass der ganze Spuk dann bis spätestens Ende April vorüber ist. Da wir ausschliesslich von den Vermietungen leben, würde es uns schon sehr hart treffen.»
In den Augen der Auslandschweizerin musste Italien diese drastischen Massnahmen vornehmen. «Bis vorgestern haben sich vor allem die Jungen und Junggebliebenen – also fast alle – einen Deut um die Empfehlungen gekümmert.» Alba sei am Samstag um Mitternacht so voll wie immer gewesen. «Und wer sich superschlau fühlte, ist aus den Sperrgebieten (Mailand, Lombardei, etc.) Richtung Süditalien Heim zu Mamma oder ins Ferienhaus am Meer aufgebrochen. Mit dem grossen Risiko, das Virus auch gleich noch in den Süden zu bringen.»
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Eine Frage der Solidarität
Die Schweizerinnen und Schweizer in Italien appellieren an die Solidarität in der Gesellschaft. So schreibt etwa Margrit Schlapfer: «Wegen des Hausarrests gibt es kein Schulunterricht, keine Theatervorführungen und die meisten Restaurants und Bars sind geschlossen.» In ihrem Dorf mit 10’000 Einwohnern sei alles leer und man sehe nur einsame Spaziergänger. Es bestünden keine Kontakte zu anderen Menschen. «Langsam schlägt es aufs Gemüt. Aber nur so haben wir eine Chance das Virus zu überstehen», ist sie sicher.
Anita de Boni aus Süditalien empfiehlt ihren Leidensgenossen, dass sie am besten so wenig Nachrichten wie möglich im Fernsehen schauen. «Es dreht sich immer alles um das Coronavirus.» De Boni und ihren beiden Söhnen sei es bis jetzt noch nicht langweilig geworden. «Das Wichtigste ist jetzt, dass wir alle zu Hause bleiben, damit wir dieses fiese Virus bekämpfen können.»
Gemäss Bundesamt für Statistik lebten Ende 2018 49’644 Schweizerinnen und Schweizer in Italien, davon 9’753 Personen, die unter 17 Jahre alt sind.
Die Unione Giovani SvizzeriExterner Link UGS ist eine Gruppe, die junge Schweizerinnen und Schweizer in Italien zusammenbringt. Sie wurde gegründet, um der Jugend innerhalb des Collegamento SvizzeroExterner Link eine Stimme zu geben.
Das Netzwerk soll den Jugendlichen die Möglichkeit bieten, Meinungen und Ideen auszutauschen. Zudem haltet UGS die Community immer auf dem neusten Stand über Aktualitäten der Schweizerinnen und Schweizer in Italien und die aktuellsten Ereignisse in der Schweiz.
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