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Autor Alain de Botton bringt Philosophie in Mode

Alain de Botton: Philosophie auch per Twitter. Vincent Starr

Der britisch-schweizerische Autor und Philosoph Alain de Botton versucht in seinen Büchern seit 20 Jahren, die grossen Themen des Lebens anzugehen. Seine Erkenntnisse vermittelt er inzwischen aber auch mit Hilfe der Architektur, Fernsehberichten und Twitter-Beiträgen.

De Bottons erstes Buch «Essays in Love», englisch geschrieben und 1993 veröffentlicht, machte den Harvard-Geschichts- und Philosophiestudenten über Nacht berühmt und sicherte ihm in seiner Generation einen Platz als bemerkenswerten Denker.

Aber auch als Autor von Sachbüchern gelangen ihm Bestseller, etwa mit «How Proust Can Change Your Life», «Status Anxiety» and «The Architecture of Happiness». Aber nicht alle Bücher standen in der Gunst des Publikums und einige Kritiker bezeichnen ihn als «mittelklassigen Lifestyle-Weisen».

De Bottons nächstes Ziel sind die Medien, «es wird ein Buch über Nachrichten», sagt er gegenüber swissinfo.ch. «Auf die Idee gekommen bin ich bei der Lektüre eines Zitats des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der gesagt hatte, dass mit dem Bedeutungsverlust der Religionen die Zeitung zur wichtigsten Autoritätsquelle und Lebensberaterin werde. Das war wirklich eine provokative Aussage.»

«In meinem Buch geht es um Neuigkeiten, wie wir uns mit ihnen auseinandersetzen, wie sie unseren Geist beeinflussen, und wie es dazu kommt, dass wir die Welt, wie man sie uns erklären will, nicht verstehen.»

Versuch über die Liebe (1993)

   

Wie Proust Ihr Leben verändern kann (1997)

  

Trost der Philosophie (2000)

Kunst des Reisens (2002), 

Status Angst (2004)

Glück und Architektur (2006)

Airport. Eine Woche in Heathrow  (2009)

Wie man richtig an Sex denkt (2012)

Freuden und Mühen der Arbeit(2012)

Religion für Atheisten: Vom Nutzen der Religion für das Leben. (2012)

Neuerfindung der Religion

Religion ist derzeit das Lieblingsthema des bekennenden Atheisten. Sein Buch «Religion für Atheisten», das im letzten Jahr erschienen ist, sei in geschäftlicher Hinsicht sein bisher erfolgreichstes Buch.

Das Buch fordert Atheisten auf, ihre unnachgiebige Kritik gegenüber allen religiösen Dingen zu überwinden, um einige «nützliche» Aspekte der Religionen dieser Welt zu retten. Dies mit dem Ziel, «einige Fetzen der modernen Gesellschaftsfabrik zu reparieren».

Bei einer Promotionsveranstaltung für «Religion für Atheisten» im Basler Literaturhaus zu Beginn des Jahres amüsierte de Botton das Publikum mit dem Appell, «den Teller mit den Höhepunkten des Religionsbuffets zu bestücken».

Hinter dem schalkhaften Aufruf steht die Botschaft, dass es der säkularen Gesellschaft an brauchbaren Anleitungen mangle. Dieses Defizit möchte de Botton füllen. «Den Religionen ist bewusst, dass es wünschenswert, aber auch nicht einfach ist, zu einer Gemeinschaft zu gehören», sagte er dem empfänglichen Publikum.

Wegen seines ruhigen, freundlichen Benehmens könnte man ihn für einen Priester oder auch für einen Versicherungsagenten halten. Für de Botton liegen die beiden Berufe gar nicht so weit auseinander. 

Der Autor hat in der Öffentlichkeit bisher erst einmal die Fassung verloren, als er 2009 einen bitterbösen Kommentar zu einem Blog von Caleb Crain, Literaturkritiker der New York Times, publizierte. Crain hatte de Bottons Buch «The Pleasures and Sorrow of Work» attackiert und bedauert, dass der Autor das Leben anderer Leute herablassend und nicht sehr geistreich beschreibe. De Botton hatte sich später für den öffentlichen Wutausbruch entschuldigt.

«Paradies»

De Botton spricht ein geschliffenes Englisch ohne Hinweis auf seine Schweizer Herkunft. Aber der Autor hat noch eine emotionale Bindung zu seiner Heimat.

Nach der Machtübernahme durch Gamal Abdel Nasser musste de Bottons Familie wie andere Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft  in den 1950er-Jahren Ägypten verlassen. Alains Vater liess sich in Zürich nieder, wo er als Bankangestellter Kariere machte und später mit einer eigenen Investmentfirma Millionen verdiente. Von den publizistischen Erfolgen seines Sohnes war er dem Vernehmen nach nicht sehr beeindruckt.

Alain de Botton verbrachte die ersten Jahre in Zürich. Zuhause sprach er Französisch. Im Alter von acht Jahren schickten ihn die Eltern in ein Internat in England. An die Einsamkeit der Reise nach London ohne Begleitung erinnert er sich heute noch mit den Worten «der Anfang des Einzugs ins Gefängnis».

Die Reise zurück in die Schweiz hingegen beschreibt der Autor als «äusserst berauschend und als den Weg heim ins Paradies.»

Plant de Botton ein Buch über sein Geburtsland? «Ich würde gerne ein Buch über die Alpenrepublik und ihre Ideale schreiben», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

«Nicht unbedingt über das, was die Schweiz gegenwärtig ist, sondern über deren Träume, die – obwohl im Leben der Schweizer nur sporadisch verwirklicht – von einer lokalpatriotischen Gesellschaft, einer direkten Demokratie, finanzieller Besonnenheit, Bescheidenheit im Umgang mit Reichtum, Armenunterstützung, Respekt für die Natur handeln.»

Mehr als Worte

De Bottons Aktivitäten gehen inzwischen über die Literatur hinaus. In einem Interview mit der britischen Zeitung Independent gab de Botton bekannt, dass er sich nicht mehr mit dem Schreiben allein begnügen werde. «Was mich interessiert, ist die Beratung. Ich habe eine therapeutische Optik von der Literatur. Und diese Vision, die in 15 Büchern zum Ausdruck kommt, kann auch auf andere Arten ausgedrückt werden.»

Eine davon ist de Bottons Unternehmung Living Architecture, um die «Architektur und die Vermarktung von Ferien im Vereinigten Königreich zu revolutionieren». In diesem Sinn liess er bisher fünf Ferienhäuser von führenden Architekten gestalten. Engagiert wurde auch der Schweizer Architekt Peter Zumthor für die Gestaltung einer «laizistischen Pension» im ländlichen Dorset, Zumthors erstes permanentes Projekt in Grossbritannien.

Derzeit verbreitet de Botton seine Ideen über TED-Talks, TV-Dokumentarberichte und Kurse. 2008 gründete er in London ein selbstverwaltetes Ausbildungszentrum mit dem Namen «Lebensschule» – ein populäres Unterfangen, das aber für viel Hohn sorgte. Deshalb sucht de Botton für das Projekt nun ein Lokal in Zürich.

Auf Twitter verbreitet der umtriebige Doppelbürger tägliche Dosen seiner Weisheit an seine 379’000-köpfige Gefolgschaft. Eine davon scheint er auch in seinem eigenen Leben zu beherzigen: «Ein wirksamer Schutz vor Enttäuschungen ist es, viel zu tun zu haben.»

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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