«Bei Privatgeld für Universitäten ist Vorsicht geboten»
Schweizer Universitäten werden nicht nur durch öffentliche Gelder finanziert. Firmen, Stiftungen und Mäzene sind bedeutende Einnahmequellen für die universitäre Forschung und Lehre, wie drei Beispiele zeigen.
Das erste Beispiel ist zugleich das prominenteste: Ende Februar wurde auf dem Gelände der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Lausanne eine architektonisch futuristische Bibliothek eröffnet, das «Rolex Learning Center».
Dass der Geldgeber fester Bestandteil des Namens eines ganzen Lernzentrums ist, sei jedoch ein neues Phänomen, sagt Mathias Stauffacher, Generalsekretär der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS).
«Die Namensgebung wie bei der Bibliothek an der ETH Lausanne ist ein amerikanischer Brauch. Diese Verbindung eines neuen Gebäudes mit einem prominenten Firmennamen ist in der Schweiz eher neu», sagt Stauffacher. Er glaube auch, dass das nicht an jeder Universität so möglich gewesen wäre.
Geld mit Zweckbestimmung
Neben Firmen sind Stiftungen ebenfalls Geldgeber für Universitäten. «Stiftungen für Universitäten werden entweder ohne, meist aber mit einer Zweckbestimmung errichtet», erklärt Stauffacher.
«Kommen Gelder in grösserem Umfang von Privaten oder aus der Wirtschaft, sind sie normalerweise an einen konkreten Zweck gebunden, etwa an eine neu zu schaffende Professur oder gar ein neues Institut», sagt er.
«Drittmittel sind zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für die Universität geworden.» Doch sei Vorsicht geboten, wie der Generalsekretär betont: «Die Universitäten müssen vorgängig sehr aufmerksam sein und abwägen, welche Bedingungen mit den zur Verfügung gestellten Geldern verbunden sind.»
Kein Idealfall
Nicht abgewogen hat die Universität Freiburg, als sie im Jahr 2007 von der Stiftung des Industriellen Adolphe Merkle 100 Mio. Franken erhielt. Dieser aussergewöhnlich hohe Betrag wurde in ein neues Institut für Nanowissenschaften und -technologie investiert.
Anfang Jahr reichte nun der Gründungsdirektor dieses Instituts, Professor Peter Schurtenberger, seine Kündigung ein. «Der Konflikt ist ausgebrochen, weil sich die Stiftung nicht nur als Geldgeber gesehen hat», sagt er.
Der Stiftungsrat habe sich als oberste Leitung des Instituts definiert und habe stark ins Tagesgeschäft eingegriffen. «Der Rat konnte zudem erwirken, dass die letzte Entscheidung bei Forschungsprojekten bei ihm liegt», so Schurtenberger. Dies widerspreche jedoch seiner Vorstellung eines universitären, aber unabhängigen Instituts.
«Man hat es am Anfang versäumt, vertraglich zu regeln, welche Kompetenzen der Stiftungsrat hat», sagt der Professor. «Dies geschah deshalb nicht, weil man in der ersten Phase unter Zeitdruck stand und sicherlich auch von der Grösse der Spende überwältigt war», sagt er.
Schurtenberger forderte, dass sich der Stiftungsrat ganz aus dem Tagesgeschäft hält und nur noch eine Kontrollfunktion ausübt. Der Rat liess sich jedoch nicht darauf ein. Deshalb zog Schurtenberger die Konsequenzen und kündigte.
Guido Vergauwen, Rektor der Universität Freiburg, bestätigt, dass am Anfang der Fehler begangen wurde, nicht klar zu regeln, welche Rolle die verschiedenen Instanzen (Stiftungsrat, Direktion des Instituts, Universität) haben sollten.
«Jetzt sind wir aber daran, die Zuständigkeiten zu bereinigen. Die Staatsrätin möchte eine klare legale Basis schaffen für die Zusammenarbeit», sagt Vergauwen.
Forschungsfreiheit gefährdet?
Mit der rechtlichen Verankerung erhält die Stiftung bzw. das Institut definitiv die geforderten Mitbestimmungsrechte und Kompetenzen. Widerspricht das nicht dem Universitätsmodell, das sich nach der Forschungs- und Lehrfreiheit richtet?
«Ja und nein», antwortet Vergauwen: «Die beste Garantie für die Forschungsfreiheit ist die akademische Einbindung in eine Universität. Aber in diesem Fall haben wir einen Geldgeber, der dieses Institut finanziert. Man muss akzeptieren, dass der Stiftungsrat im Bereich der Finanzkontrolle und der Strategie mitbestimmen will.»
Für Schurtenberger ist die Forschungsfreiheit ganz klar nicht gegeben: «Mit den jetzigen Kompetenzregelungen ist das nicht der Fall. Die Stiftung könnte die Forschungsfreiheit stark einschränken, wenn sie das wollen würde», sagt er.
Dass private Stifter mitbestimmen wollen, sei eher die Ausnahme als die Regel, sagt Mathias Stauffacher von der CRUS: «Viele private Geldgeber möchten zwar darüber informiert werden, was finanziert wird», sagt er. «Aber sie überlassen die wissenschaftliche Entscheidungsverantwortung richtigerweise den universitären Instanzen.»
Der Idealfall
Der Idealfall einer Stiftung oder sonstigen privaten Finanzierung für eine Universität sieht für Stauffacher von der CRUS so aus: «Die Geldgeber errichten die Stiftung oder stellen die Finanzmittel zur Verfügung. Sie bleiben zwar interessiert, üben aber keinen direkten Einfluss mehr aus.»
So verhalte es sich im Fall der Forschungsstelle für Interkulturelle Mittelmeerstudien am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern, sagt Norberto Gramaccini, Professor für ältere Kunstgeschichte. Seit Anfang Februar wird die Forschungsstelle von Mäzen Horst Merk über einen Zeitraum von fünf Jahren finanziert.
Der Vertrag über die Zusammenarbeit wurde vom Rektorat der Universität Bern ausgestellt. «Mit dem Vertrag sind keinerlei Forderungen verbunden», bestätigt Gramaccini. «Herr Merk möchte sich für die Sache engagieren und dabei sehr diskret bleiben.»
Sandra Grizelj, swissinfo.ch
Im Jahr 2008 finanzierten der Bund, die Kantone und Private den Aufwand an den Schweizer Universitäten mit 6,2 Milliarden Franken.
Der wichtigste Geldgeber für die Universitäten ist der Bund. Für die ETH in Zürich und Lausanne stellt er praktisch die gesamten Finanzmittel bereit.
Die übrigen Universitäten werden zum grössten Teil durch die Kantone finanziert, mit Ausnahme der Universität St. Gallen: Die privaten Geldgeber stehen hier an erster Stelle.
Am besten werden die Fachbereichsgruppen Exakte und Naturwissenschaften sowie Medizin und Pharmazie dotiert.
1,3 Milliarden wurden 2008 an Drittmitteln vergeben. Der grösste Teil machen die Gelder aus dem Schweizerischen Nationalfonds aus (430 Mio.).
Die übrigen Gelder stammen aus EU-Forschungs-Programmen, Forschungs-Mandaten (Bund, privater Sektor und öffentliche Hand) sowie Erträgen aus Dienstleistungen und Weiterbildungen.
2008 erhielten die Universitäten insgesamt 14,5 Mio. Franken aus Stiftungen.
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