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Renaissance der Bergdörfer

Schweizer Berghütten verfallen trotz Kaufinteressenten

Maiensäss
Zerfallener Stall im Kanton Graubünden. Keystone / Arno Balzarini

Maiensässe, Ställe und Berghütten in den Schweizer Voralpen stehen häufig leer, weil sie landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden. Viele stehen zum Verkauf – für Spottpreise. Doch ein Ferien- oder Wohnhaus daraus zu machen, ist gar nicht so einfach.

Manche sind richtig süss: Kleine Stein- oder Holzhütten, die aussehen, als ob Heidi demnächst zur Tür herausträte. Andere sind so zerfallen oder voller Unrat, dass ein Wiederaufbau schwer vorstellbar ist. Sie kosten häufig zwischen 30’000 und 150’000 Franken.

Die Rede ist von Maiensässen, Rusticos und Ställen in den Voralpen, die von der Landwirtschaft aufgegeben wurden. Früher dienten sie als Unterkunft für Bauern und Sennen, die in der Übergangszeit das Vieh hier weiden liessen, bevor sie es für den Sommer auf die Alp oder für den Winter ins Tal trieben.

Manche dieser aufgegeben Hütten verfallen. Der Verein für Raumentwicklung Kultur und Landschaft (RAKUL)Externer Link ärgert sich über diese Ruinen in der Bergwelt. Er führt ein Inventar an zerfallenen Ställen und MaiensässenExterner Link, mitsamt Fotos und den Hintergründen, weshalb der Eigentümer das Haus nicht sanieren darf. Das Inventar soll laut Verein aufzeigen, wie das heutige Raumplanungsgesetz nachteilig für den Tourismuskanton Graubünden wirkt. Aber dazu kommen wir noch.

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Grosses Interesse

Eigentlich könnte man diese Ställe renovieren und als Ferienhäuser nutzen. Sie sind zwar klein – 25 bis 50 m2 Wohnfläche -, aber für die Ferien reicht das allemal.

Sowohl der Immobilienvermittler Armin AgtenExterner Link aus dem Kanton Wallis als auch der Immobilienkaufmann Gian DerungsExterner Link aus dem Kanton Graubünden, die sich beide auf Maiensässe spezialisiert haben, stellen ein grosses Interesse fest. «Ich könnte jede Woche ein Maiensäss verkaufen», sagt Agten.

Ausländer haben geringe Chancen

Doch es gibt die oben erwähnten gesetzlichen Hürden: «99% der Maiensässe liegen in der Landwirtschaftszone», erklärt Agten. Da darf man nicht einfach einziehen.

Wer einen Stall zu einem Wohn- oder Ferienhaus umnutzen will, braucht eine Bewilligung. «Da stösst man häufig auf Granit», sagt Agten. 

Auch laut Derungs sind solche Bewilligungsverfahren umständlich und langwierig. Häufig sei zu Beginn unklar, welchen Umfang der Wohnteil per Stichdatum 1972 aufwies, dem Beginn der Trennung des Bau- und Nichtbaugebietes. Dieser Zustand ist die Berechnungbasis für die heutigen Erweiterungsmöglichkeiten. Und wenn ein Maiensäss schon verfallen sei, dürfe man es nicht wiederaufbauen.

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«Wenn das Maiensäss im Inventar schützenswerter Bauten aufgeführt ist, bekommt man eher eine Bewilligung», sagt Agten aus Erfahrung. Anders gesagt: Je schöner und schützenswerter ein Häuschen ist, desto eher erlauben die Behörden eine Umnutzung und Renovation. Denn damit wird eine Baute erhalten, die andernfalls vielleicht verfallen würde.

Manchmal melden sich bei Agten und Derungs auch Interessenten aus dem Ausland. Doch der Verkauf von Ferienhäusern an Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz ist noch schwierigerExterner Link. Je nach Kanton ist es ganz unmöglich oder braucht eine BewilligungExterner Link.

Teure Renovationen

Doch die Gesetze sind nicht die einzigen Hürden auf dem Weg zum Traumhaus in den Bergen.

Das zweite Problem ist der häufig desolate Zustand, in dem die Hütten sich befinden. Agten sagt deshalb, man solle keinen hohen Kaufpreis zahlen. Die Renovation kostet nämlich ein Vielfaches des Kaufpreises. «Im Originalzustand besteht ein Maiensäss meist aus einer Holzverschalung mit Erdboden», erklärt Derungs. «Unter 300’000 Franken kriegt man eine Renovation nicht hin.» Dafür habe man dann einen Standard wie in einer kleinen Ferienwohnung.

Renoviertes Maiensäss
Saniertes Maiensäss im Kanton Graubünden. Keystone / Arno Balzarini

Agten empfiehlt bei Renovationen, mit Herzblut und Leidenschaft das Alte zu übernehmen und Freude daran zu haben, ohne allzu viel zu ändern. Wer ein Maiensäss nachhaltig renoviere und nutze, leiste einen Beitrag an Natur und Kultur der Region. Eine möglichst originalgetreue Instandsetzung gefällt vermutlich auch der Denkmalpflege, die bei der Renovation ebenfalls ein Wörtchen mitzureden hat.

Um böse Überraschungen zu vermeiden, rät Derungs, nicht nur den baulichen, sondern auch den rechtlichen Zustand eines Maiensässes sauber abzuklären. «Es lohnt sich, bei Gemeinde und Kanton die früheren Baubewilligungen aus dem Archiv holen zu lassen», sagt Derungs. «So kann man prüfen, ob wirklich alles so bewilligt wurde, wie es heute aussieht.» Sonst riskiert man, zu teuren Rückbauten gezwungen zu werden.

Eine einfache Behausung

Noch etwas anderes gilt es zu beachten: Maiensässe wurden als kleine Wohnräume mit Stall-Scheune für die Übergangszeit gebaut, nicht als Wohnhaus im Winter. «Maiensässe sind keine billigen Ferien-Chalets», gibt Agten zu bedenken. «Wenn keine Lawinengefahr besteht, kann man es mit dem richtigen Umbau allenfalls auch im Winter nutzen.»

Verschneites Maiensäss
Maiensäss im Kanton Graubünden. Keystone / Arno Balzarini

Damit kommen wir zum nächsten Punkt: Die meisten Maiensässe haben weder Strom noch Wasserleitungen, Heizung oder Kanalisation. Sie liegen abgelegen. «Leitungen zu verlegen, ist wegen der weiten Distanzen oft zu teuer», sagt Derungs. 

Zwar gibt es Alternativen: Eine Photovoltaik-Anlage kann Strom erzeugen, eine Kompost-Toilette oder Sickergrube ersetzt die Kanalisation. Manche Maiensäss-Besitzer nutzen auch Abwassertanks, die von Bauern ein- oder zweimal pro Jahr geleert werden. «Im Winter kann man Schnee schmelzen, um Wasser zu haben», schlägt Agten vor. Im Sommer ermöglichen Regenwassertanks eine Dusche, ergänzt Derungs.

Aber das Leben auf dem Maiensäss wird immer bleiben, was es schon zu Heidis Zeiten war: Ein einfaches und bescheidenes Berglerleben auf kleinem Raum.

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