Der Fahrplan ist das Resultat minuziöser Planung
Pünktlichkeit gilt als schweizerische Tugend. Dass 90% der Bahnpassagiere pünktlich am Ziel ankommen, ist das Verdienst der Bahnunternehmen und der Fahrplan-Planer.
Jedes Jahr und im Einklang mit andern europäischen Ländern, tritt am zweiten Dezembersonntag der neue Fahrplan in Kraft. Zuständig dafür sind die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und der Koordinator der Nutzungsrechte, die Firma «Trasse». Trotz der Bevölkerungsdichte und der teilweise schwierigen Topographie, erreichen die Reisenden in 98% der Fälle ihre Anschlusszüge.
«In der Schweiz wird der Fahrplan auf die Sekunde genau geplant», sagt der Verantwortliche für Geleise-Kapazitäten bei Trasse, Daniel Haltner
gegenüber swissinfo.ch. «Wenn wir sagen, ein Zug müsse pünktlich zur vollen Stunde abfahren, kalkulieren wir sogar die 12 Sekunden ein, die der Lokführer braucht, um auf die Umschaltung des Signals auf Grün zu reagieren.»
Der Fahrplan ist das Resultat der bestmöglichen Belegung der Geleise. Trasse koordiniert und vergibt die Gleisrechte und sorgt für eine unparteiische Planung und Zuteilung dieser Rechte. Das Resultat ist ein Fahrplan, der die Züge auch auf andere Transportmittel abstimmt.
Dichtes Netz
«Wir haben eine sehr hohe Pünktlichkeitsquote», sagt Markus Giger vom Bundesamt für Transport gegenüber swissinfo.ch. «Unsere Planung basiert auf unsern grossen Erfahrungen und auf realistischen Annahmen, doch bleiben immer noch einige unvorhergesehene Faktoren, die zu Verspätungen führen können.»
So verschüttete im vergangenen Juni ein Felssturz die Gotthard-Nordrampe. Die SBB mussten für die 120 täglichen Güterzüge und die 10’000 täglichen Passagiere Ausweichrouten finden, was unweigerlich zu grossen Verspätungen geführt hat.
Das Bahnnetz der Schweiz ist sehr dicht. Die Züge auf den Hauptachsen verkehren im Halbstundentakt. Intercity-Züge, Regionalzüge und Güterzüge benutzen dieselben Trassen. Das hat zur Folge, dass die Fahrplanplanung ein äusserst komplexes Unterfangen ist.
Rasante Zunahme der Pendler
Für den Winterfahrplan 2012/13 hat Trasse 13’512 Gleisrechte vergeben und 110 Konflikte gelöst, die zumeist wegen Güterzügen entstanden waren. Passagierzüge haben grundsätzlich Vortritt, doch die Cargo-Betreiber verlangen nach besseren Zugängen zum Schienennetz.
Am meisten werden die Gleise von Intercity- und Pendler-Zügen benutzt, wie Ulrich Weidmann vom Institut für Verkehrsplanung der ETH Zürich an der ersten Infrastrukturtagung an der ETH: «Die Kapazitätsprobleme sind vor allem auf die steigenden Pendlerzahlen zurückzuführen. Wir haben die Limiten erreicht. Für Güterzüge bleibt nicht mehr viel Platz übrig. Es kommt vor, dass ein Regionalzug selbst dann Vortritt hat, wenn all seine Passagiere in einem Minibus Platz hätten.»
Verlagerung der Güter auf die Schiene
Gleichzeitig sind die Intercity-Züge zwischen Bern und Zürich vor allem während den Stosszeiten regelmässig überfüllt. «Züge im Viertelstundentakt würden die Kapazitäten für Güterzüge einschränken», sagt Haltner: «Wenn das politische Ziel der Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene gefährdet sein wird, dann wird die Regierung intervenieren und weniger Passagier-Züge verlangen.»
1995 hat das Schweizer Stimmvolk die Alpen-Initiative gutgeheissen. Sie verlangt die Verlagerung des transalpinen Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Zwischen 1990 und 2010 haben die von der Bahn und auf der Strasse transportierten Güter von 22 Millionen Tonnen auf 38 Millionen Tonnen zugenommen. In der Schweiz betrug der Bahnanteil im Jahr 2010 beim Gütertransport 63%. In Österreich waren es laut dem Verband öffentlicher Verkehr 33% und in Frankreich 17%.
«Wenn die Güterbahn nicht funktioniert, wird der Strassenverkehr weiter zunehmen», sagt Haltner. «Die Schweiz ist bereits eng mit Strassen versorgt, wir können es uns nicht leisten, achtspurige Autobahnen zu bauen.»
Breitere Lastwagen
Der Nord-Süd Güterverkehr durchquert die Alpen durch den Gotthard- oder den Lötschberg-Tunnel. Gewisse Güter werden per Bahn von Genua nach Rotterdam transportiert. Die Schweiz muss ihre Bahninfrastruktur mit den Vorstellungen der EU koordinieren.
Im Gegensatz zu ihren Nachbarländern kann die Schweiz auch beim Ausbau des Europäischen Zugkontrollsystem (ETCS) den Zeitplan einhalten. Züge auf der Gotthardachse sollen künftig auch Lastwagen mit einer Eckhöhe von 4 Metern transportieren können. Deshalb soll die Achse zwischen Basel und Chiasso entsprechend ausgebaut werden. Der Bundesrat rechnet dafür mit Kosten von 940 Millionen Franken.
Fahrpläne nach einem regelmässigen Intervall wurden am Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals in Deutschland (Berlin) eingeführt.
Die Regelmässigkeit hat zum Ziel, die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs zu erhöhen, denn Passgiere können sich die regelmässigen Abfahrts- und Ankunftszeiten besser merken.
1970 führten die Niederlande den Takt-Fahrplan landesweit ein. Die Schweiz kennt seit 1982 den Takt-Fahrplan.
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)
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