Ein Tag für die digitale Welt
Der "Digitalday" oder Digital-Tag fand gestern zum zweiten Mal statt. Dabei wurde ein Blick auf Risiken und Chancen der Digitalisierung geworfen. In der Schweiz pflegt man noch immer ein gewisses Misstrauen gegenüber dieser grossen Veränderung.
«Die Schweiz ist kein Land der Revolutionen, sondern ein Land der Evolutionen.» Sébastien Kulling, Direktor von DigitalswitzerlandExterner Link in der Westschweiz, möchte mit dieser Aussage den Nutzen dieser VeranstaltungExterner Link hervorheben, die derzeit weltweit einzigartig ist.
Unter der Leitung von mehr als 70 Partnern (darunter Google, die Schweizerischen Bundesbahnen, Swisscom und SRG SSR, zu der auch swissinfo.ch gehört) wurden an diesem Tag an rund 30 Standorten im ganzen Land Treffen angeboten, um Innovationen von der Virtual Reality bis zur künstlichen Intelligenz, einschliesslich Telearbeit und notwendiger IT-Sicherheit, zu testen, zu entdecken, zu hinterfragen und zu reflektieren.
Verzögerungen und Misstrauen
Digitalswitzerland wurde 2015 gegründet und vereint mehr als 125 Unternehmen und Organisationen aus Forschung und Verwaltung mit dem Ziel, die Schweiz zum «weltweit führenden Zentrum für digitale Innovationen zu machen».
Denn die Schweiz gilt zwar als führend bei Innovationen im Allgemeinen, aber bei der digitalen Innovation steht sie nicht an vorderster Front. «Unsere Verspätungen sind in einigen Bereichen offensichtlich», sagt Kulling. «In der Digitalisierung geht alles sehr schnell, und in der Schweiz sind wir nicht so schnell, wie zum Beispiel die USA, Singapur oder Israel.»
Um seinen Standpunkt zu veranschaulichen, zitiert er den neuesten Competitiveness IndexExterner Link des Weltwirtschaftsforums in Davos (WEF). Die Schweiz hat nicht nur ihren Titel als Weltmeisterin der Wettbewerbsfähigkeit verloren (nach acht Jahren an der Spitze ist sie jetzt nur noch auf Platz vier), sie belegt auch nur Platz 24 in der Frage der Einstellung zum unternehmerischen Risiko und Platz 19 für die Fähigkeit ihrer Unternehmen, «disruptive» («bahnbrechende») Ideen zu übernehmen.
Diese bescheidenen Leistungen lassen sich insbesondere durch die Komplexität der politischen Organisation der Schweiz erklären. Mit 26 Kantonen, einem Bundesstaat und Behörden, die unter Aufsicht des Volks Gesetze erlassen (System der direkten Demokratie), dauert es lange, bis solche in Kraft treten. In der Digitalisierung verändern sich die Dinge jedoch sehr schnell.
Aber dann gibt es noch einen anderen Faktor: «Die Vorsicht der Schweizer», bemerkt Kulling. «In diesem Frühjahr weigerte sich der Ständerat (kleine Parlamentskammer), die Normen für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die die Entwicklung des Mobilfunknetzes 5G behindert, zu lockern.»
Trotz allem gut verbunden
Die Schweiz ist jedoch keine digitale Wüste, ganz im Gegenteil. Ob Internetanschluss oder Webnutzung, da sind die Schweizer auf Augenhöhe mit ihren Nachbarn. 93% der Haushalte haben einen Anschluss, womit das Land fünf Punkte über dem europäischen Durchschnitt liegt.
Und die Schweizer und Schweizerinnen nutzen das Netz: 91% der 16 bis 74-Jährigen surfen mindestens einmal pro Woche im Internet (davon 73% auch auf einem mobilen Gerät), was nur sieben Punkte unter den Isländern liegt, mit 98% den Europameistern in diesem Bereich.
Was die digitalen Fähigkeiten des Durchschnittsbürgers betrifft, nehmen die Schweizer einen soliden Mittelplatz im europäischen Ranking ein. Sie liegen zwar ziemlich weit hinter den Vorzeigeschülern – hauptsächlich aus Skandinavien –, aber über dem EU-Durchschnitt und den Werten ihrer direkten Nachbarn, wie die folgende Grafik zeigt.
(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)
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