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Google Street View: Probleme auch in der Schweiz

Google-Street-View-Ansicht der Zürcher Langstrasse, aufgenommen ab Bildschirm, am 18. August 2009. Keystone

Google muss nach einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes alle Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich machen, bevor sie auf dem Online-Dienst Street View erscheinen. Google hat mit Street View aber nicht nur in der Schweiz Probleme.

Der Eidgenössische Datenschutz-Beauftragte Hanspeter Thür hatte im September 2009 von Google Massnahmen verlangt, um bei Street View den Schutz der Privatsphäre zu verbessern. Weil Google die Umsetzung der Vorschläge mehrheitlich ablehnte, musste auf Thürs Klage das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.

Die Richter in Bern sind nun zum Schluss gekommen, dass Google fast alle Forderungen Thürs erfüllen muss. Im Zentrum steht die Pflicht von Google, Gesichter von Personen und Fahrzeugkennzeichen manuell vollständig unkenntlich zu machen.

Erleichterung hier, Enttäuschung da

Datenschützer Thür zeigte sich «erleichtert» über den Sieg vor Gericht. Das Gericht habe festgehalten, dass Passanten kein «Freiwild » für Onlinedienste seien, wie er in einem Interview mit dem Zürcher Tages Anzeiger betonte.

«Sehr enttäuscht» vom Verdikt gab sich Google. Street View habe sich als äusserst hilfreich für Millionen von Schweizern erwiesen, wie auch für Unternehmen und touristische Einrichtungen, erklärte Peter Fleischer, Datenschutzbeauftragter von Google.

Man werde die Urteilsbegründung prüfen und untersuchen, was das Urteil für Street View in der Schweiz bedeute und welche Möglichkeiten der Berufung bestünden. Der Entscheid kann beim Bundesgericht in Lausanne angefochten werden.

International einmaliges Urteil

Bei einem Treffen In Brüssel erfuhren am Montag die europäischen Datenschützer vom Richterspruch in der Schweiz.

Frankreichs Datenschutzbeauftragte Gwendal Le Grand sagte im Deutschschweizer Fernsehen, in Frankreich werde man genau verfolgen, wie dieses Urteil in der Schweiz jetzt umgesetzt werde. «Wir mussten Google mit 100’000 Euro büssen, weil der Konzern mit Street View weitere Daten gesammelt hat. Als die Google-Kamera-Autos vorbeifuhren, registrierte Google gleich noch, wer zu Hause ein privates Wireless-LAN (lokales Funknetz) installiert hat.»

Deutschlands Datenschutzbeauftragter Peter Schaar will das Urteil aus der Schweiz sogar zum Anlass nehmen, Google stärker in die Pflicht zu nehmen. «Ich finde das sehr gut, das ist ein echter Erfolg für den Datenschutz, der über die Schweizer Grenzen hinaus sicherlich auch Schule machen wird.»

Probleme in mehreren Ländern

Google hat seit der Lancierung von Street View 2007 in mehreren Ländern Probleme, obwohl der Dienst nicht in allen Ländern dieselben Regeln befolgt. Wie stark die Bilder verpixelt sind, ist von Land zu Land verschieden. In Deutschland etwa funktioniert die Google-Software so gut, dass praktisch keine Gesichter zu erkennen sind. Laut Tages Anzeiger hat Google einem deutschen Datenschützer versichert, die Gesicht-Erkennungssoftware könne einfach sensibler eingestellt werden.

Griechenland verbot Google im Mai 2009, weitere Aufnahmen zu machen oder zu publizieren, ursprünglich, um offene Fragen bezüglich Datenschutz zu klären. Dazu ist es laut Tages Anzeiger offenbar nie gekommen. In Griechenland gibt es den Dienst bis heute nicht.

In Japan musste Google die Höhe der Kameras reduzieren, damit private Gärten  und Höfe vor Einblicken verschont bleiben. Alle bisherigen Bilder wurden gelöscht. In Italien muss Google die Öffentlichkeit drei Tage im Voraus via Lokalzeitungen informieren, welche Stadt als nächste abgelichtet werden soll.

Österreich verbot die Street-View-Fahrten für mehr als ein halbes Jahr und fordert zusätzliche Informationen, damit Google mit dem Fotografieren weitermachen kann. Auch in Tschechien wurden die Fahrzeuge gestoppt. Eine Einigung ist dort nicht in Sicht.

In den USA soll laut Hanspeter Thür Google von der zuständigen Aufsichtsbehörde wegen Verletzung des Datenschutzes zu einer hohen Millionenbusse verurteilt worden sein.

«Die falsche Zielscheibe»

Weil die Technologie der Erkennung von Gesichtern immer besser werde, würden die Computer eines Tages fähig sein, diesen Job selber auszuführen, sagt Marc Pollefeys, Professor am Institute of Visual Computing der Fakultät Computer-Wissenschaft der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). «Dann wird niemandes Privatsphäre jemals mehr garantiert sein, bis strenge Gesetze zur Regelung dieses Problems erlassen werden.»

Die Leute müssten zu ihrer Privatsphäre Sorge tragen, «aber Google Street View ist wahrscheinlich die falsche Zielscheibe», sagt Pollefeys gegenüber swissinfo.ch. «Es gibt nie eine hundertprozentige Zielgenauigkeit, die Leute werden nicht voll abgelichtet, sondern lediglich etwa hinter einem Auto, oder sie sind zu klein, um erkannt zu werden.»

Schützenhilfe erhält Google Street View auch vom renommierten Genfer Internet-Experten Stéphane Koch. Für ihn stellt der Entscheid gegen Google Fragen der Fairness, weil andere Akteure denselben Inhalt produzierten.

«Google produziert nicht Fotos von Leuten in einem News-Kontext, sondern vorwiegend ‹Landschaftsraum›, sei dieser urban oder anders, so dass die Leute sich selber lokalisieren können», sagt Koch gegenüber swsissinfo.ch.

Datenschützer Hanspeter Thür sieht es indessen anders, wie er im Tages Anzeiger betonte: Für ihn geht der Online-Gigant «überall mit allen seinen Diensten immer an die Grenzen des Zulässigen und ritzt dabei Gesetze».

Das Bundesverwaltungs-Gericht verpflichtet Google, restlos alle Gesichter und Fahrzeugkontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor sie auf dem Online-Dienst Street View veröffentlicht werden. Aktuell werden laut Thür nur rund 98% aller Gesichter automatisch verwischt.

Im Bereich von sensiblen Einrichtungen, etwa bei Frauenhäusern, Gefängnissen, Schulen, Gerichten, Sozialbehörden und Spitälern muss vollständige Anonymität hergestellt werden. Dazu muss Google neben dem Gesicht auch weitere individuelle Merkmale wie Hautfarbe oder Kleidung entfernen.

Weiter muss Google in Lokalzeitungen über geplante Aufnahmefahrten und die Aufschaltung der Bilder ins Netz informieren anstatt wie bisher nur auf der Startseite von Google Maps. Unzulässig ist laut Gericht zudem der Einblick in Höfe und Gärten, deren Anblick einem «normalen Passanten» verschlossen bleiben würden.

Gemäss dem aktuellen Urteil hat jede Person das Recht am eigenen Bild. Damit dürfe prinzipiell niemand ohne seine Zustimmung abgebildet werden. Das gelte auch bei Bildern, bei welchen Personen wie auf Street View nur als Beiwerk erscheinen würden.

Google Street View wurde 2007 in den USA lanciert. In der Schweiz startete Google den Street-View-Dienst im August 2009.

Letzten Sommer wurden mit einem speziell ausgerüsteten Velo auch Aufnahmen an touristisch interessanten Orten gemacht, die schwer zugänglich sind, zum Beispiel im Aletsch-Gebiet.

Das Walliser Skigebiet Zermatt wurde seit diesem Winter als erstes in Europa von einem speziellen Schneemobil fotografiert. Man kann also virtuelle Skipisten am Fusse des Matterhorns herunterfahren.

Seit kurzem bietet Google auch virtuelle 360-Grad-Rundgänge durch 17 weltbekannte Kunstmuseen an. Werke aus 385 Galerieräumen lassen sich online entdecken und ansehen. Von über 1000 berühmten Werken sind hochauflösende Aufnahmen abrufbar.

(in Zusammenarbeit mit Jessica Dacey)

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