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In fünf Stunden aus der Schweiz nach London mit dem Zug – wird das bald Realität?

Ein Zug fährt in den Euro Tunnel
Die Zugfahrt nach London dauert von Genf aus mindestens 7 bis 8 Stunden, von Zürich aus rund 9 Stunden. Keystone / Johan Ben Azzouz

Die Aussicht auf eine Highspeed-Verbindung zwischen der Schweiz und London nimmt Fahrt auf: die SBB prüfen die Möglichkeiten mit internationalen Betreibern.

Aus der Schweiz nach Grossbritannien zu reisen ist ziemlich einfach: Es gibt täglich Dutzende von Flügen von Zürich, Genf und Basel in Städte im ganzen Land. Mit dem Zug ist die Reise von der Schweiz nach London (Bahnhof St. Pancras) ebenfalls möglich, die schnellste und billigste Option ist der TGV Lyria und der Eurostar, aber für alle Fahrten müssen die Passagiere in Paris zwischen dem Gare du Lyon und dem Gare du Nord umsteigen.

Rechnet man die Metro-/Taxifahrt, das Einchecken und die Wartezeit auf den Anschlusszug hinzu, kann sich die ReiseExterner Link lang anfühlen: mindestens 7 bis 8 Stunden von Genf nach London, 8 Stunden von Basel, 9 Stunden von Zürich und 9 bis 10 Stunden von Bern aus.

Derweil ist die Nachfrage nach schnellen internationalen Bahnverbindungen in Europa gross. Spätestens seit die Kohlendioxidemissionen von Kurzstreckenflügen ins Rampenlicht gerückt sind, setzen viele Menschen in Europa auf das umfangreiche Schienennetz des Kontinents, um Kurzstreckenflüge zu ersetzen.

Ein Schubs aus dem Parlament

Schweizer Behördenvertreter:innen und Politiker:innen haben daher die Möglichkeiten einer besseren Bahnverbindung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz in den kommenden Jahren eingehend geprüft.

Anfang letzten Jahres reichte der Sozialdemokrat Matthias Aebischer ein Postulat Externer Linkein, in dem er die Schweizer Regierung aufforderte, mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu prüfen, wie eine direkte tägliche Bahnverbindung zwischen Basel und London eingerichtet werden könnte. Dies würde helfen, die Klimaziele zu erreichen und den Tourismus anzukurbeln, argumentierte er.

Es gebe bereits direkte Bahnverbindungen von London nach Paris, Brüssel und Amsterdam und sogar mit Städten wie Lyon und Marseille. Es müsse also möglich sein, dies auch für die Schweiz zu realisieren, für die Stadt Basel, schrieb Aebischer.

Die Regierung antwortete, sie stehe einer direkten Bahnverbindung zwischen Basel oder Genf und London grundsätzlich positiv gegenüber. Sie erklärte jedoch, dass jede neue internationale Bahnverbindung von der Schweiz aus von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB und einem investitionswilligen ausländischen Bahnunternehmen organisiert werden müsse.

Die Regierung erklärte, sie sei bereit, entsprechende Gesuche zu prüfen, aber derzeit liege noch kein solches Gesuch vor.

Aebischer ist zuversichtlich, dass, «wenn alle an einem Strang ziehen, eine Direktverbindung zwischen der Schweiz und London in weniger als fünf Jahren möglich ist», sagt er gegenüber SWI swissinfo.ch.

Das Interesse an einer direkten Bahnverbindung zwischen der Schweiz und Grossbritannien scheint zuzunehmenExterner Link. Anlässlich der Konferenz des Schweizerischen Reiseverbands im November bestätigte Philipp Mäder, Leiter des internationalen Personenverkehrs bei den SBB, dass das Unternehmen die mögliche Einführung einer direkten Bahnverbindung nach London, «dem verkehrsreichsten Flugziel in Europa», prüfe.

«Basel nach London in rund fünf Stunden ist möglich», erklärte er.

Eine Machbarkeitsstudie gestartet

Die SBB haben 2022 eine Machbarkeitsstudie für eine Direktverbindung zwischen der Schweiz und Grossbritannien gestartet, die 2024 abgeschlossen sein soll.

«Wir befinden uns in einer Studie mit der französischen Staatsbahn SNCF und dem Eurostar, dem internationalen Hochgeschwindigkeitszug in Westeuropa, der Belgien, Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Grossbritannien verbindet», sagte Vincent Ducrot, Chef der SBB, am 9. Dezember gegenüber der Luzerner Zeitung.

«Wenn möglich, werden wir einen Zug von der Schweiz nach London einführen. Das Ziel ist sehr beliebt. Aber es muss in weniger als sechs Stunden machbar sein, nur wenige Leute nehmen den Zug, wenn die Fahrt länger dauert. Wir sprechen auch mit Trenitalia [Italiens grösster Bahngesellschaft] darüber, ob wir in Zukunft Direktzüge nach Florenz oder Turin anbieten können. Die Nachfrage steigt stark an.»

Matthias Aebischer sagt, es sei klar, dass für eine Direktverbindung zwischen der Schweiz und London der Zug nicht ins Zentrum von Paris fahren dürfe.

«Damit würden wir zu viel Zeit verlieren. Der TGV-Bahnhof am Flughafen Charles de Gaulle wäre eine Alternative.»

«Basel nach London in rund fünf Stunden ist möglich», ist er überzeugt.

Sabine Baumgartner, Sprecherin der SBB, will keine näheren Angaben zu der zur Diskussion stehenden Strecke machen. Sie weist lediglich darauf hin, dass auf den Zugstrecken Basel-London und Genf-London grundsätzlich Fahrzeiten unter sechs Stunden möglich seien.

Die Strecke Basel-London (798 km Luftlinie) dauert mit dem Auto rund 10 Stunden und 15 Minuten, die Strecke Genf-London (844 km) 10 Stunden und 45 Minuten.

Ausweitung des Eurotunnel-Dienstes

In einer separaten Ankündigung erklärte Externer Linkkürzlich Getlink, der Eigentümer von Eurotunnel, dass neue direkte Hochgeschwindigkeitszugverbindungen von London nach Köln, Frankfurt, Genf und Zürich innerhalb von fünf Jahren in Betrieb genommen werden könnten.

Auf einer Veranstaltung in Frankreich sagte der Geschäftsführer von Getlink, Yann Leriche, dass die Bahn auf den kürzeren deutschen und schweizerischen Strecken ab London, die fünf bis sechs Stunden dauern, irgendwann 30-40% des Flugverkehrs übernehmen könnte.

Er sagte ausserdem, dass neue Marktteilnehmer und Zielorte nun schnell hinzukommen könnten. Zwei potenzielle Betreiber, das spanische Bahnunternehmen Evolyn und das niederländische Startup-Unternehmen Heuro, haben öffentlich ihr Interesse bekundet, dem Eurostar Konkurrenz zu machen.

Leriche sagte, er habe mit mindestens zwei weiteren Akteur:innen Gespräche über die Aufnahme eines konkurrierenden Betriebs durch den Tunnel geführt.

Das derzeitige Angebot im Eurotunnel (etwa 400 Züge pro Tag) könnte auf 1’000 Züge erweitert werden, sagte der CEO von Getlink. Es gebe ein Potenzial für eine Million Bahnreisende pro Jahr zwischen London und Genf oder Zürich.

Sicherheits- und Passkontrollen

Trotz des wachsenden Interesses an einer Direktverbindung zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich gibt es noch grosse Herausforderungen.

Philipp Mäder merkte an: «Die Infrastruktur auf dieser Strecke ist teuer, auch wegen der Fahrt durch den Eurotunnel.»

Seit dem Brexit ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitglied der Europäischen Union. Die Schweiz gehört ebenfalls nicht zu den 27 Ländern, ist aber Teil des Schengen-Raums, der nahtloses Reisen zwischen europäischen Ländern ermöglicht.

Das Einsteigen in einen Zug in der Schweiz für das Vereinigte Königreich würde daher sowohl Sicherheits- als auch Passkontrollen ähnlich denen an Flughäfen erfordern, und neue Checkpoints und Terminaleinrichtungen, die an den entsprechenden Schweizer Bahnhöfen gebaut werden müssten.

«Aufgrund der Einreisebestimmungen für Grossbritannien müssten für die Abfahrtsbahnhöfe in der Schweiz kostspielige und ressourcenintensive Vorkehrungen getroffen werden, um die erforderlichen Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Ebenso müssten wegen der hohen Anforderungen an den Brandschutz für den Eurotunnel zugelassene Spezialzüge eingesetzt werden», so die Schweizer Regierung.

Übertragung aus dem Englischen: Marc Leutenegger

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