Peter Knapp, Schweizer Modefotograf
In den 1960er-Jahren hat der Schweizer Künstler die Spielregeln der Modefotografie auf den Kopf gestellt und der Frauenzeitschrift "Elle" ein neues Gesicht gegeben. In Paris würdigt ihn die Cité de la Mode et du Design mit einer Ausstellung.
Unter dem Titel «Dancing in the Street»Externer Link konzentriert sich die Ausstellung in der Cité de la Mode et du Design, dem Mode- und Designzentrum in den umgebauten Docks an der Seine, auf das fotografische Schaffen des Schweizers Peter Knapp in den 1960er- und 1970er-Jahren in der Welt der Mode. Bis zum 10. Juni werden rund hundert seiner Fotografien präsentiert, von denen die meisten noch nie zuvor zu sehen waren.
Die Bilder zeigen Frauen ohne Handschuhe und Hüte, barfuss am Strand. Oder nachts unterwegs auf den Strassen von Paris, junge Frauen, die herumspringen, lachen oder gar die Zunge herausstrecken. Heute sind solche Szenen nicht mehr erstaunlich, damals waren sie echt revolutionär.
Peter KnappExterner Link kam 1951 aus seiner Schweizer Heimat nach Paris, er war gerade mal 20 Jahre alt. «Die Ausbildungsangebote in der Schweiz brachten uns dazu, unsere Weiterbildung im Ausland zu vollenden», erinnert er sich. «Man hatte mir geraten, nach Paris zu gehen, und ich wählte die [Ecole des] Beaux-Arts, weil ich malen wollte.»
PLACEHOLDERVor Ort kam ihm sein von Bauhaus-Prinzipien geprägtes Diplom der Kunstgewerbeschule Zürich zu Gute. «Ich habe es gut getroffen. Ich war ein Alleskönner, der sich mit Typografie und Fotografie auskannte. Ältere Kollegen liessen mich gleich als Grafiker arbeiten.» In den folgenden Jahren brachte er seine Kenntnisse im Verlagswesen ein, arbeitete für die Frauenzeitschrift «Nouveau Femina» und für das Warenhaus Galeries Lafayette.
Zeitzeuge
1959 brachte Hélène Lazareff, Gründerin der Frauenzeitschrift «Elle», die sie modernisieren wollte, Knapp als künstlerischen Leiter an Bord. Die Epoche war geprägt von den Anfängen der Prêt-à-porter-Mode. «Die Frauen trugen Hosen und Ballerina-Schuhe, wie Audrey Hepburn, doch die Fotografen wollten sie weiter als Frauen der Bourgeoisie ablichten», erklärt Peter Knapp.
Helène Lazareff, die in den USA gearbeitet hatte, wollte für ihre Zeitschrift eine stärker angelsächsisch geprägte Typografie. Was die Fotos angeht, hiess das, keine Mannequins mehr, die in Haute-Couture-Roben im Studio posieren. Der Zürcher Fotograf revolutionierte in der Folge mit seinen Ideen das Layout der Zeitschrift und schoss Bilder, welche die Normen der Modefotografie umkrempelten und ihm zu einem weltweiten Renommée verhalfen.
Diese lebendigen Bilder, welche die Bewegungen einfangen, reflektieren den Wunsch nach Freiheit der damaligen Epoche. Doch Knapp sieht sich selber nicht als revolutionären Künstler, sondern einfach als Zeitzeugen. «Ich war zum richtigen Zeitpunkt dort», erklärt er bescheiden. «Die jungen Frauen fingen an, zu rauchen, Velo zu fahren und im Bois de Boulogne zu laufen. Sie hatten Lust auf andere Dinge. Und das wollte ich zeigen. Meine Arbeit ist das logische Ergebnis dieser Entwicklungen.»
1966 gab Peter Knapp seine Stelle bei «Elle» auf, um sich neuen Projekten zuzuwenden. «Nach sechs Jahren stellt sich der Eindruck der Wiederholung ein. Es ist sehr schwierig, zum siebten Mal eine gute Weihnachts-Nummer zu produzieren», erklärt er seinen Entscheid.
Er wird Regisseur bei Dim Dam Dom, einer französischen Fernsehsendung über Mode, Popkultur und Gesellschaft, die zum Kult wurde. Und Knapp malt, filmt, entwirft Designs, fotografiert und arbeitet für bedeutende Magazine aus verschiedenen Ländern. «Ich bin an kein bestimmtes Werkzeug gebunden», präzisiert der Künstler. «Was ich immer tun wollte, war, mich über das Bild auszudrücken», unabhängig vom jeweiligen Medium.
Facettenreiches Werk
Audrey Hoareau, Co-Kuratorin der Ausstellung und eine grosse Kennerin des Werks von Peter Knapp, unterstreicht diese vielgestaltigen Facetten. «Die Malerei, zum Beispiel, hat seine Fotografie alimentiert. Man sieht dies in der Art und Weise, wie er seine Materien fotografiert. Nach seiner Arbeit bei «Elle» wandte er sich einem persönlicheren Schaffen zu. Diese sehr umfassende Produktion ist jedoch bis heute nur wenig bekannt. Wenn man jemandem einmal einen Stil zuschreibt, ist es sehr schwierig, diesen wieder loszuwerden.»
Im Alter von 87 Jahren leugnet Knapp seine berühmten Bilder aus den 1960er- und 1970er-Jahren keineswegs. Und sagt, er freue sich über die Ausstellung in der Cité de la Mode et du Design.
Die Auswahl der Ausstellungsmacher Audrey Hoareau und François Cheval begeistert ihn. «Im Alter räumt man auf, eliminiert, behält nur noch einige wenige denkwürdige Bilder im Kopf. Es ist interessant zu sehen, wie eine neue Generation eine andere Vision hat. Fünfzig Jahre später wird die Auswahl ganz anders getroffen. Ich entdecke meine Arbeit von Neuem. Das Resultat überrascht mich, gefällt mir aber sehr gut.»
Unter den rund 100 ausgewählten Bildern räumt der Künstler eine besondere Vorliebe für jene ein, die er nachts in den Strassen von Paris mit der Open-Flash-Methode (einer Technik, die Blitzlicht und lange Belichtungszeit kombiniert) geschossen hatte. Gute Nachricht: Im Rahmen von «Dancing in the Street» sind Fotos dieser Nachtserie auf dem Vorplatz der Gare de Lyon zu sehen, dem Pariser Bahnhof, wo unter anderem die Zugsreisenden aus der Schweiz ankommen.
EINIGE ECKDATEN
1931 Geboren in Bäretswil, im Kanton Zürich
1947-1951 Grafische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Zürich
1951 Umzug nach Paris. Studium an der Ecole des Beaux-Arts
1959-1966 Künstlerischer Direktor und Fotograf des Frauenmagazins «Elle»
1965-1970 Regisseur von rund 40 Beiträgen für die französische Fernsehsendung «Dim Dam Dom»
1974 Erste bedeutende Einzelausstellung in Basel
1974-1978 Rückkehr zu «Elle» als künstlerischer Direktor
2003 Regisseur einer Serie von drei Dokumentarfilmen zur Geschichte der Fotografie für den Fernsehsender TV5
2018 Ausstellung «Dancing in the Street, Peter Knapp et la mode 1960-1970», in der Cité de la Mode et du Design in Paris, vom 9. März bis zum 10. Juni
Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch