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Daraus lässt sich noch was machen

Abfallsack, darin liegen Toast und Cherrytomaten
Viel Food Waste kommt in Privathaushalten vor. Keystone

Jeder Deutsche wirft im Jahr 55 Kilo Lebensmittel weg, in Schweizer Haushalten ist es gar fast doppelt so viel. Nun hat Berlin der Lebensmittel-Verschwendung den Kampf angesagt. Ein Vorbild für die Schweiz?

Vom Acker bis zum Teller, vom Landwirt bis zum Verbraucher – die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner appelliert in einer «Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittel-Verschwendung» an alle, den Wegwerf-Wahnsinn gemeinsam anzugehen.

Anders als in Frankreich soll dies zunächst auf freiwilliger Basis geschehen. Dort sind Supermärkte mit einer Ladenfläche über 400 Quadratmetern gesetzlich verpflichtet, ihre nicht verkauften Waren an gemeinnützige Organisationen wie die Tafeln zu spenden.

Verschwendung in der Schweiz

45% der Lebensmittel-Verschwendung in der Schweiz geht laut des Vereins FoodwasteExterner Link auf private Haushalte zurück. Pro Person und Tag werfen Schweizer rund 320 Gramm in den Müll. Den grössten Anteil haben Frischgemüse, Kartoffeln und Brot.

Insgesamt, so Foodwaste, werden in der Schweiz vom Feld bis zum Verbraucher pro Jahr rund 2 Mio. Tonnen Nahrungsmittel entsorgt, 30% davon in den verarbeitenden Betrieben, 13% bereits in der Landwirtschaft. Grosshändler, Supermärkte sowie Restaurants sind für die restlichen 12% verantwortlich.

Der so genannte «foodwaste» ist nicht nur ein ethisches und ökonomisches Problem, sondern er verschwendet auch Ressourcen wie Wasser und Land. 30 Prozent aller Umweltbelastungen gehen auf die Lebensmittelproduktion zurück.

(Quelle: foodwaste.ch)

Jeder kennt das schlechte Gewissen, wenn Essbares im Müll landet. Häufig fehlen jedoch gerade Jüngeren die Erfahrung und Kreativität, um aus dem Sammelsurium im Kühlschrank noch eine Mahlzeit zu zaubern. Aus dieser Erkenntnis startete das deutsche Landwirtschaftsministerium bereits 2012 die Kampagne «Zu gut für die Tonne»Externer Link, aus der eine Internetseite und eine App hervorgingen.

Dort finden sich neben praktischen Tipps, wie Lebensmittel gelagert werden, zahlreiche kreative Verwertungsideen. Unter der Rubrik «Rezepte für beste Reste»Externer Link können Nutzer zum Beispiel eingeben, welche Gemüsesorten in ihrem Kühlschrank dem Verderbern entgegen gehen und erhalten einen Rezeptvorschlag. Aus altem Brot, Wurst-, Käseresten und Gemüse kann beispielsweise ein schmackhafter Eintopf entstehen. 800’000 Mal wurde die App bereits heruntergeladen.

Erforschen, wo Verschwendung entsteht

Doch nun sind neben den Privathaushalten auch Erzeuger und Produzenten gefragt, besser zu planen statt später zu vernichten. Wenn es nach Deutschlands Landwirtschaftsministerium geht, sollen sich künftig alle Beteiligten, von der Landwirtschaft bis zum Handel, digital besser vernetzen.

Die Landwirtschaft könnte dann passgenauer auf die Nachfrage aus dem Handel reagieren, der wiederum über Apps seine nicht verkäuflichen Lebensmittel zeitnah an Bedürftige oder die örtlichen Tafeln verteilen kann. Schon heute retten «Die Tafeln»Externer Link in Deutschland pro Jahr über 260’000 Tonnen Lebensmittel aus etwa 30’000 Lebensmittelmärkten.

Forschungsprojekte sollen sichtbar machen, an welcher Stelle der Kette Verschwendung entsteht und wie ihr durch bessere Planung frühzeitig entgegengewirkt werden kann. Um 30 bis 50 Prozent liessen sich so die Lebensmittelabfälle in Restaurants und Kantinen reduzieren, ist das Ministerium überzeugt. In Restaurants und Kantinen könnten beispielsweise spezielle Tools helfen, die anfallenden Abfälle systematisch und besser zu messen, auszuwerten und in der Folge gezielter zu vermeiden.

Tellergericht mit Rösti und Rahmgeschnetzeltem
Restaurants sollten öfters auch kleinere Portionen anbieten. Keystone

Weg von Einheitsportionen

Die Initiative strebt auch ganz praktische Verbesserungen im Alltag an: Warum lassen sich im Restaurant eigentlich meist nur Einheitsportionen ordern – egal ob ein hungriger junger Mann oder eine Seniorin am Tisch sitzt?

Hier könnten verschiedene Bestellgrössen vermeiden, dass nicht zu viele Resten im Müll landen. Ein kleiner Teller für den kleinen Hunger. Zudem könnten in Restaurants die in den USA üblichen «Doggy bags» die Mitnahme nicht verzehrter Speisen zur Normalität machen.

Zu billig

Falsche Planung in Privathaushalten ist nur ein Grund, warum gerade in reichen Industrieländern unvorstellbare Mengen an eigentlich essbaren Lebensmitteln auf dem Müll landen.

Ein anderer ist: Lebensmittel sind dort zu billig, ihr Verlust schmerzt nicht finanziell. Während die Deutschen rund 10,3% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben und die Schweizer gar nur 8,7, sind es in Nigeria 56,4%. Das ergab eine Auswertung von Daten aus fast 90 Ländern, die das Finanzportal VexcashExterner Link veröffentlicht hat.

Entsprechend sorgsamer wird in Afrika mit Nahrungsmitteln umgegangen. In den Industrieländern kommen im Durchschnitt auf jeden Bürger 115 kg Lebensmittelabfall pro Jahr, in Ländern Südostasiens und Afrikas lediglich 10.

Eine andere Idee sind intelligente Etiketten, die anzeigen, ob ein Lebensmittel noch zum Verzehr geeignet ist. Deren Entwicklung will die Regierung finanziell fördern: Viele Produkte werden wegen eines abgelaufenen Mindesthaltbarkeits-Datums entsorgt, obwohl sie noch einwandfrei sind. Und Kinder und Jugendliche sollen bereits in Kitas und Schulen lernen, sorgsamer mit Lebensmitteln umzugehen.

Initiativen, junge Startups und kreative Ideen rund um das Thema gibt es zuhauf. Das deutsche Landwirtschaftsministerium zeichnet sie seit 2016 mit dem Preis für Engagement gegen Lebensmittel-VerschwendungExterner Link aus.

2018 gewannen unter anderem eine Gärtnerei, die ihr überschüssiges Gemüse fermentiert, ein OnlineshopExterner Link, in dem «gerettete» Lebensmittel verkauft werden, und die Internetplattform Deine ErnteExterner Link: Dort können Gartenbesitzer ihr Obst und Gemüse anbieten, das sie allein nicht verzehren können.

Und schliesslich ist auch einfach der gesunde Menschenverstand gefragt: Rund die Hälfte aller weggeworfenen Lebensmittel wäre eigentlich noch ohne Probleme zum Verzehr geeignet, sagt Julia Klöckner. Doch die Konsumenten seien von dem aufgedruckten Mindesthaltbarkeits-Datum verunsichert.

Dieses besagt jedoch anders als das Verbrauchsdatum keinesfalls, dass die Produkte nach diesem Tag nicht mehr verzehrt werden können. «Wir müssen wieder lernen, unseren eigenen Sinnen zu vertrauen», sagt Klöckner: «Schauen, riechen, schmecken – das hilft festzustellen, ob ein Lebensmittel noch geniessbar ist.»

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