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Schweizer Reptilienfan erfüllt sich seinen Traum in Frankreich

Ein lächelnder Mann mit einer Python um den Hals
Nachdem er sie behutsam aus ihrem Terrarium geholt hat, präsentiert Marc Jaeger eine seiner Pythons. swissinfo.ch

Der Zürcher Marc Jaeger ist seit 2013 Direktor von Planet Exotica, einem Reptilienpark mit touristischer Animation an der französischen Atlantikküste. Sein Zoopark ist die Krönung eines steinigen Wegs, denn er hat eine Leidenschaft für Tiere, die vielen Menschen Angst machen.

«Als ich drei Jahre alt war, war ich zum ersten Mal in Kenia und Tansania. Von diesem Moment an war ich von Reptilien und Amphibien fasziniert. Ich suchte überall im Gras nach ihnen. Meine Eltern waren erstaunt – und nicht sehr glücklich darüber», sagt Marc Jaeger und lacht. Inzwischen ist er 49 Jahre alt – und seine Faszination bleibt ungebrochen.

Die Anfänge

Schon in jungen Jahren hat Jaeger die Chance, mit seinen Eltern herumreisen zu können. Sein Vater, der eine Import-Export-Firma für Obst und Gemüse besitzt, will ihm «die verschiedenen Ecken der Welt zeigen». Der Schweizer sagt von sich selbst, dass er teils in Zürich und teils in Afrika aufgewachsen sei, so viele Ferien hat er dort verbracht.

Mit fünf Jahren bittet der kleine Marc seine Eltern um ein Haustier. Natürlich kommt weder ein Hund noch ein Kaninchen in Frage. Er wünscht sich eine Schlange. Es wird eine Kornnatter.

Das aus den USA stammende Tier mit der braunroten Färbung ist für Menschen völlig harmlos. Doch einige Monate später fragt der Bub: «Mama, meine Schlange ist zu traurig, sie braucht einen Freund.» So bekommt es eine zweite Schlange, und seine Sammelleidenschaft ist geweckt.

Einige Umwege

Die Jahre vergehen, und als Jaeger vor der Studienwahl steht, schwankt er zwischen einer Ausbildung, die mit Tieren zu tun hat, und einer, die auf die Reisebranche spezialisiert ist. Er entscheidet sich für die Höhere Fachschule für Tourismus ZürichExterner Link (IST) und wird Tourismusmanager.

Nach seinem Abschluss arbeitet er zunächst als Animator für Reisebüros und macht sich später selbständig. Er ist 25 Jahre alt und merkt schnell, dass ihn dieser Beruf frustriert: «Ich schickte Leute um die Welt, während ich an meinem Schreibtisch sass.» Der junge Unternehmer kündigte seinen Job und wurde Marketingleiter in einer Agentur für Kommunikation und Veranstaltungen.

Ein riesiges Krokodil beim Eingang zum Park Planet Exotica
Ein riesiges Krokodil begrüsst die Besuchenden von Planet Exotica. swissinfo.ch

Zurück zur ersten Liebe

Neben seinen Jobs lebt Jaeger immer noch seine Leidenschaft aus und kümmert sich um seine Reptilien. Die mittlerweile Dutzenden von Schlangen, Echsen, Krokodilen und Vogelspinnen, die er im Lauf der Jahre erworben hat, leben weiterhin bei seinen Eltern.

«Ich arbeitete den ganzen Tag an der Organisation von Events und verbrachte dann einen Teil der Nacht damit, mich um meine Tiere zu kümmern.» Bei diesem Rhythmus kommt der Schlaf zu kurz. Die Unzufriedenheit wächst, da er weder für die eine noch für die andere Tätigkeit genug Zeit hat.

Konsequent wie er schon immer war, trifft der Zürcher eine Wahl: «Da ich ohne Tiere nicht leben kann, habe ich mich entschieden, die Tiere zu meiner Arbeit zu machen.»

Das Tempo nimmt zu

Jaeger und seine Frau Patricia – eine Französin, die ebenfalls in der Branche arbeitet – organisieren eine erste Ausstellung mit ihren Tieren in einem Zürcher Vorort. Sie wird ein grosser Erfolg, und mit dem Gewinn können sie neue Terrarien kaufen.

Im nächsten Sommer mieten sie einen Raum im Kanton Tessin und veranstalten eine grössere Ausstellung, die ebenfalls von Erfolg gekrönt ist. Es folgen das Wallis und wieder das Tessin.

Wenn die Tiere nicht ausgestellt werden, müssen sie jedoch irgendwo untergebracht werden, und das Haus von Jaegers Eltern ist nicht mehr gross genug. Das Ehepaar hat sich in der Schweiz einen guten Ruf aufgebaut und erhält regelmässig Reptilien, die vom Zoll oder den Veterinärämtern des Landes konfisziert wurden.

Ein Alligatorweibchen
Das Alligatorweibchen Candy ist das Maskottchen des Parks. Es ist wie ein Haustier für Marc Jaeger und kommt zu ihm, wenn er es ruft. swissinfo.ch

Das Paar findet schliesslich sein Glück in Egg, einer Gemeinde 16 Kilometer südöstlich von Zürich, wo sie ein Untergeschoss mieten, das gross genug ist, um die gesamte Menagerie unterzubringen. Dort gründen sie den Zoo «ReptilEXPO».

«Irgendwann hatten wir so viele Tiere, die zudem noch wuchsen, dass der Platz knapp wurde», sagt Jaeger. Sie suchen nach Räumlichkeiten in der Schweiz, aber geeignete Orte liegen ausserhalb ihres Budgets.

Die Suche nach dem Gral

Marc und Patricia Jaeger beschliessen daraufhin, sich im Ausland umzusehen. Zunächst denken sie an Südostasien, dann an Florida oder auch an Spanien. Diese Optionen scheitern jedoch alle, da die Vorschriften vor Ort entweder zu streng sind oder die Zoos sich an Orten befinden, die für den Tourismus nicht geeignet sind.

Schliesslich ist es die Familie von Patricia Jaeger, die das Paar auf eine Möglichkeit im französischen Royan (Departement Charente-Maritime) aufmerksam macht. Die «Jardins du Monde» sind ein ehemaliger botanischer Park mit einer Fläche von fast acht Hektar, der im Jahr 2000 eröffnet und 2011 geschlossen wurde. Jaeger nimmt Verhandlungen mit der Stadtverwaltung von Royan auf, und sie einigen sich auf einen mehrjährigen Mietvertrag. Wir schreiben das Jahr 2011.

Landkarte Royan
swissinfo.ch

Eine Odyssee

In der Schweiz verfügt der Zürcher seit Jahrzehnten über alle Genehmigungen, die für die Haltung gefährlicher Tiere erforderlich sind. Diese sind jedoch in Frankreich nicht gültig, und er sieht sich gezwungen, noch einmal von vorne anzufangen.

«In der Schweiz ist alles genau in Vorschriften festgehalten. Man richtet sich entsprechend ein, eine Fachperson kommt und bestätigt, und innerhalb von zwei bis drei Wochen erhält man die Genehmigung. Hier muss man ein fast zehn Zentimeter dickes Dossier zusammenstellen, das aufgrund der geforderten Details fünfmal hin und her läuft», erzählt er.

«Dann müssen Sie es in mehrfacher Ausfertigung kopieren und monatelang warten, bis Sie zu einem Gespräch vor einem Eignungsausschuss eingeladen werden. Dieser entscheidet darüber, ob Sie eine Genehmigung erhalten oder nicht. Das Ganze geht wieder zurück an jene Behörde, der die Veterinärdienste unterstehen. Sie erstellt einen Bericht, der dem Präfekten zum Entscheid vorgelegt wird. Insgesamt dauert es fast ein Jahr, bis man die Genehmigung erhält.»

Ironisch fügt er an: «Und das ist nur der erste Teil. Darüber hinaus brauchen Sie noch eine Genehmigung zur Eröffnung einer Einrichtung!»

Jaeger erhielt eine vorläufige Genehmigung, die es ihm ermöglichte, den Park 2013 ohne Tiere und dann 2014 mit der ganzen Menagerie zu eröffnen. Insgesamt dauerte es also mehr als zwei Jahre von der Einigung mit der Stadtverwaltung von Royan bis zur Eröffnung des Parks Planet ExoticaExterner Link.

Nach dieser Reise, die ein wenig an «Asterix erobert Rom» erinnert, ist der Schweizer etwas ernüchtert: «Wenn ich das alles gewusst hätte, hätte ich mich bestimmt für ein anderes Land entschieden. Aber irgendwann hat man so viel Geld, Zeit und Energie investiert, dass man nicht mehr umkehren kann.»

Ein lebensgrosser Dinosaurier in einem Park
Wenn die Besucherinnen und Besucher in der Nähe des «versunkenen Waldes» ankommen, begegnen sie dem ersten der Dinosaurier des Parks. swissinfo.ch

Die Vollendung

Die Akzeptanz in der Bevölkerung von Royan ist nicht sofort da, weil die chaotische Geschichte der «Jardins du Monde» noch in den Köpfen der Menschen steckt. «Und dann kommt ein kleiner Schweizer, der dieses riesige Geschäft übernimmt, um Schlangen zu zeigen, stellen Sie sich das mal vor!», sagt Jaeger lachend.

Heute ist er sehr glücklich und in Royan integriert. Sein Park läuft gut und zieht viele Familien an. Am Wegesrand erzählt er den Besucherinnen und Besuchern gerne, wie er eine Nacht damit verbrachte, ein fast tot geborenes Alpaka-Baby mit dem Föhn zu wärmen, oder er erzählt ihnen liebevoll von Candy, einem Alligatorweibchen, das herbeieilt, wenn er es ruft. Anekdoten über die Tiere, welche die vielseitige Fauna von Planet Exotica ausmachen, hat Jaeger Dutzende auf Lager.

Das Herzstück des Projekts sind die Wüsten- und Tropengewächshäuser, aber es gibt auch Dinosaurier aus Kunstharz, ein indisches Dorf, einen japanischen und einen toskanischen Garten, echte Alpakas und einen ganzen Stamm von Meerschweinchen sowie viele andere Attraktionen. «Wir haben die Attraktionen diversifiziert, um möglichst viele Menschen anzusprechen – und auch, weil viele Angst vor Reptilien haben», sagt der Geschäftsmann.

Zucht, Forschung und Schulung

Jaegers grösster Stolz ist jedoch, dass er mit seiner beeindruckenden Sammlung von 400 Tieren zur Erhaltung mehrerer gefährdeter Arten beitragen kann. In der Aufzuchtstation des Parks werden jedes Jahr zwischen 200 und 300 Schlangen-, Krokodil- und Eidechsenbabys geboren. Ein Teil davon dient der eigenen Erneuerung, ein anderer dem Austausch mit anderen Zoos.

Planet Exotica ist auch ein Forschungszentrum, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt beherbergt. Sie kommen unter anderem hierher, um das Verhalten der Tiere zu studieren. «Zurzeit arbeitet ein Team daran, wie Krokodilbabys kommunizieren, wenn sie Angst haben, und eine Studie wird das Schwimmverhalten von Schlangen untersuchen», sagt Jaeger.

Ein Mann hält ein Babykrokodil in den Händen
In der Aufzuchtstation wachsen mehrere afrikanische Zwergkrokodilbabys unter Wärmelampen heran. swissinfo.ch

Der Park arbeitet auch mit Labors zusammen, die Schlangengift für pharmazeutische und kosmetische Zwecke sammeln. «Man hat herausgefunden, dass das Gift der Schwarzen Mamba fünf- bis zehnmal stärker schmerzlindernd wirkt als Morphin», sagt der Schweizer begeistert.

Planet Exotica ist auch ein Schulungszentrum für Menschen, die giftige oder gefährliche Tiere halten möchten. Und als ob das noch nicht genug wäre, hat Jaeger die Reiseagentur Herpsafari gegründet, die sich auf die Beobachtung von Reptilien in ihrer natürlichen Umgebung spezialisiert hat.

Ein einziger Unfall

In all den Jahren, in denen er mit Tieren hantiert hat, deren Gifte zum Teil tödlich sein können, hat der Zürcher nur einen einzigen Unfall erlitten. «Aber das war meine Schuld», verteidigt er sich fast. «Wenn es einen Unfall gibt, sind immer die Menschen schuld, nie die Tiere.»

Das Gift der Schlange, die ihn biss, brachte ihn für ganze zehn Tage ins Krankenhaus, «mit einem Arm, der sich im Umfang vervierfacht hatte und auf Eis lag, damit er abschwellen konnte».

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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