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Die Schweiz, Land der Heiligen

Die Schweizer Näherin, die eine Heilige wurde

Ein Ölgemälde einer Frau.
Marguerite Bays, die bereits am 29. Oktober 1995 von Johannes Paul II. seliggesprochen wurde, wird am 13. Oktober in Rom von Papst Franziskus heiliggesprochen. Fondation Marguerite Bays

Die Liste der katholischen Heiligen in der Schweiz ist um einen Namen länger: Marguerite Bays wird von Papst Franziskus während einer Feier in Rom am Sonntag, den 13. Oktober, offiziell heiliggesprochen. Dies ist erst die dritte Heiligsprechung einer Schweizer Persönlichkeit.

Wir sind in Siviriez, einem Dorf im Kanton Freiburg. Die Gegend ist ruhig, grün und leicht hügelig. Im Hintergrund sehen wir die kleine mittelalterliche Stadt Romont, die auf einem Hügel liegt.

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Siviriez geniesst eine gewisse Bekanntheit, denn hier lebte Marguerite Bays, die neue Heilige der katholischen Kirche. Die 1815 geborene und 1879 verstorbene Näherin aus einer bescheidenen Bauernfamilie fiel ihren Zeitgenossen wegen ihrer grossen Frömmigkeit und Liebe zu den Armen, Kranken und Kindern auf.

Heute ist die Heilige der Grund für verschiedene Anziehungspunkte im Dorf: die Kirche, wo sie jeden Tag betete, der Friedhof, wo sie begraben ist, der bescheidene Familienbetrieb, wo sie lebte und wo sie starb, sowie eine Kapelle, in die sie gerne ging und die ihr heute gewidmet ist.

Eine der ganz grossen unter den Heiligen

Für Gläubige sind Heilige nicht unbedingt exemplarisch, aber sie weisen einen Weg. «Mir gefällt die Metapher einer schneebedeckten Strasse, die man nicht mehr vom Rest unterscheiden kann. Aber es gibt Wegweiser, die den Weg anzeigen, dem es zu folgen gilt. Mit den Heiligen ist das ein wenig dasselbe», sagt Abt Martial Python, Pfarrer von Romont und Biograph von Marguerite Bays.

«Die Heiligen geben uns eine humanere Lesart der biblischen Texte, weil sie auf gelebter Erfahrung basieren», fährt er fort. «Wenn die Kirche Menschen heilig spricht, tut sie dies, um uns zu sagen, dass es möglich ist, den Glauben in jeder Lebenssituation zu leben. Unter den Heiligen fanden sich sowohl Könige als auch Bettler.»

Der Lebenslauf von Marguerite Bays ist ziemlich klassisch für einen Menschen, der die Heiligkeit erlangt hat. Doch weist er auch einige Eigenschaften aus, welche Bays ein wenig besonders machen. «Sie war eine Frau, und sie war weltlich», sagt Jean-Paul Conus, Präsident der Stiftung Marguerite BaysExterner Link. Das machte es für ihre Heiligsprechung nicht einfacher. Vor ein paar Jahrzehnten waren die Ordensleute nicht sehr motiviert, ein solches Profil zu unterstützen.»


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Noch überraschender war, dass Marguerite Bays die Wundmale Christi trug. Es heisst, dass diese Spuren nach der wundersamen Remission von einer Krebserkrankung entstanden seien. Allerdings bezieht sich die Anzahl stigmatisierter Menschen unter allen Heiligen auf nur gerade mal rund 20. «Die Stigmatisierten sind die ganz Grossen der Heiligkeit», sagt Python. Es sind diejenigen, die aufgrund ihrer Nächstenliebe zum Spiegel Christi wurden. Es ist das Siegel der Gefühle Gottes.»

«Dem damaligen Bischof passte es nicht, dass sich um Marguerite Bays ein Kult entwickelte. Er bat daher einen radikalen und leidenschaftlich antiklerikalen Arzt, diese Stigmata zu untersuchen. Dieser konnte nur feststellen, dass sie sehr real und unerklärlichen Ursprungs waren», sagt Conus.

Heilige und Selige

Es gibt keine grossen Unterschiede zwischen Heiligen und Seligen. Zwei wesentliche Elemente erlauben es, zwischen den beiden zu unterscheiden:

Es braucht nur ein bewiesenes Wunder, um selig gesprochen zu werden, während es zwei braucht, um heilig gesprochen zu werden.

Der Kult eines Seligen ist lokal – zum Beispiel eine Diözese – oder betrifft eine Ordensfamilie. Andererseits ist die Verehrung eines Heiligen universell und gilt für die gesamte katholische Kirche.

Heutzutage ist die Seligsprechung ein erster Schritt zur Heiligsprechung.

Anzeichen eher statt Wunder

Eine Person, die grossen Glauben bezeugt und sogar Stigmata hat, wird aber nicht einfach zu einer Heiligen. Vielmehr ist die Heiligsprechung der Höhepunkt eines langen und komplexen Prozesses. Alles beginnt in der Diözese des Kandidaten. Die Gläubigen bitten jemanden aus der Ordensgemeinschaft – den Postulator –, einen Antrag an den Bischof zu richten. Dieser leitet die Akte dann an den Vatikan, an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse weiter, die entscheidet, ob etwas gegen die Fortsetzung des Prozesses spricht.

Wenn dies nicht der Fall ist, beginnt eine lange Untersuchung der Beweise und Zeugnisse, um das Leben und die Tugenden des Kandidaten oder der Kandidatin zu beurteilen. In Siviriez kann man auch ein Faksimile des «Summariums» einsehen – ein Werk, in dem alle Zeugenaussagen zu Marguerite Bays festgehalten sind.

Aber es ist unerlässlich, dass ein Wunder für eine Seligsprechung und zwei für eine Heiligsprechung vollbracht werden. Im Falle von Marguerite Bays betrifft das erste Wunder einen Bergunfall. Ein Bergsteiger überlebte einen Sturz, weil er Marguerite Bays anrief. Seine Seilgefährten starben. Das zweite bezieht sich auf einen Betriebsunfall: Ein Grossvater rief Marguerite Bays an, als er sah, wie seine Enkelin unter die Räder seines Traktors kam. Das 22 Monate alte Kind kam ohne Folgen davon.

Wunder sind oft umstritten. Für die einen ein Beweis für die göttliche Intervention, sind sie für die anderen ein erklärbares Phänomen oder gar ein Hirngespinst einfacher Gemüter. Für Abt Python ist es wichtig, dies zu relativieren.

«Die Kirche kann nicht sagen, dass ein Mensch heilig ist oder nicht», erklärt er. Sie wartet auf ein Zeichen. Es sind diese berühmten Wunder, die einen Blick des Glaubens erfordern. Wunder erzeugen Kontroversen, weil sie überbetont werden. Das Wunder ist in der Tat die Gegenwart Gottes in der Person. Man spürt, dass sie von einem Ideal angetrieben wurde.»

Weder Lourdes noch Fatima

Der Heiligenkult war im Mittelalter, als Wallfahrten dem Tourismus der damaligen Zeit entsprachen, sehr beliebt. In der Folge verlor er viel an Bedeutung, vor allem auch wegen der Kritik des Protestantismus, der darin eine am Götzendienst nahestehende Form des Glaubens sah. Seit ein paar Jahren allerdings, erlebt dieser Kult wieder eine regelrechte Expansion.

Die Zahl der Heiligsprechungen nimmt zu: 25 von 1588 bis 1700, 29 im 18. Jahrhundert, 79 im 19. Jahrhundert und 168 von 1900 bis 1978. Fast von einer Inflation kann man unter Johannes Paul II. sprechen. Unter ihm als Papst von 1978 bis 2005, kam es zu 1338 Seligsprechungen und 482 Heiligsprechungen zu seiner Ehre. Dieser Trend scheint sich mit Papst Franziskus nicht zu ändern.

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«Diese Rückkehr zur Anbetung der Heiligen ist mit einem Bedürfnis nach Zusammenkunft verbunden», kommentiert Abt Python. «In den Pfarreien nimmt die religiöse Praxis ab, in den grossen Pilgerzentren hingegen zu. Dieses Bedürfnis nach Zusammenkunft spiegelt sich auch in den Treffen des Weltjugendtages (WJT) und dem Erfolg charismatischer Bewegungen.»

In diesem Zusammenhang hat die Heiligsprechung von Marguerite Bays auch Auswirkungen auf die Besucherzahlen von Siviriez. «Der Effekt ist seit der Heiligsprechung sichtbar», sagt Stiftungs-Präsident Conus. «Wir haben viel mehr Gruppen, die mit dem Bus anreisen, während es vorher etwas diskreter und familiärer zu und her ging. Wir haben keine genauen Statistiken, aber wir empfangen rund zehntausend Besucher pro Jahr.»

Aber es geht nicht darum, aus Siviriez ein Lourdes oder Fatima zu machen. Erstens, weil die Infrastrukturen, insbesondere die Hotellerie, nicht in der Lage wären, eine grosse Anzahl von Pilgern zu beherbergen. Aber auch, weil die Figur der Marguerite Bays nicht zu grossen Versammlungen drängt. «Ich denke, sie wird immer eine Heilige des Volkes bleiben, intimer. Es wird Kundgebungen geben, aber vor allem Familientreffen», sagt Python voraus.

Die Schweizer Heiligen

Mit Marguerite Bays hat die Schweiz nun drei Heilige.

Niklaus von FlüeExterner Link (1417-1487): Nach einem Leben als Soldat und angesehener Mann verliess er seine Familie, um Einsiedler zu werden. Sein Rat wurde aus ganz Europa eingeholt, da er für seine Frömmigkeit und Weisheit bekannt war. Dank seiner Vermittlung bekriegten sich die Eidgenossen nach ihrem Sieg in den Burgunderkriegen nicht gegenseitig. Er ist der Schutzpatron der Schweiz.

Maria Bernarda BütlerExterner Link (1848-1924): Diese Schweizer Missionsschwester in Ecuador und Kolumbien wurde 1995 von Johannes Paul II. seliggesprochen und 2008 von Benedikt XVI. heiliggesprochen.

Die Liste der heiliggesprochenen und seliggesprochenen Personen in der Schweiz umfasst sogar rund 80 Namen, wenn man die Persönlichkeiten berücksichtigt, die zu einer Zeit lebten, als die Schweiz noch nicht existierte oder welche die Schweizer Staatsangehörigkeit nicht besassen.

Zu den berühmtesten gehören: Der Heilige MauritiusExterner Link (römischer Soldat aus Ägypten, der angeblich im Wallis gemartert wurde, weil er sich weigerte, seinen christlichen Glauben zu leugnen), der Heilige Gallus (irischer Mönch, der die Ostschweiz evangelisierte und das Kloster St. GallenExterner Link gründete), die Heilige Adelheid von BurgundExterner Link (Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches, geboren in Orbe, im Kanton Waadt, die viele Klöster gründete und die Kluniazenserreform förderte) oder der Heilige Petrus Canisius (niederländischer Jesuit, der das College Saint-Michel von Freiburg gründete, um die Verbreitung des Protestantismus zu stoppen).

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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