Definitives Aus für den Küken-Schredder in der Schweiz
Ein Herz für Tiere: In der Schweiz werden die männlichen Küken nicht mehr lebendig geschreddert. Sie müssen fortan, da für die Eierproduktion unbrauchbar, mit Gas eingeschläfert werden. Dies hat das Schweizer Parlament entschieden.
Die Schweiz zählt punkto Tierschutz zu den fortschrittlichsten Ländern der Welt. Grundlage dazu ist das strenge Tierschutzgesetz von 2008.
Ausnahme war das «Fenster» für den Küken-Schredder. Nach jahrelangen Protesten von Tierschützerinnen und Tierschützern wird dieses jetzt geschlossen.
In anderen Ländern der Europäischen Union dagegen ist der Küken-Schredder aber weiter gängige Praxis.
Auch die Regierung ist der Ansicht, dass sich die Zeiten geändert haben und diese Art von Tötung nicht mehr tolerierbar ist. Gallosuisse, der Verband der Eierproduzenten in der Schweiz, unterstützt das Verbot, da er das Schreddern von lebendigen Küken als eine veraltete Methode betrachtet.
Die vier Grossbetriebe in der Schweiz, die Hühnerfarmen mit Jungtieren beliefern, haben sich schon vor vielen Jahren vom Schredder verabschiedet. Auch wenn diese Tötungsart in der Schweiz kaum mehr existiert, hielt es das Parlament für sinnvoll, sie jetzt explizit zu verbieten.
Insgesamt werden jedes Jahr drei Millionen männliche Küken mit CO2 (Kohlendioxid) eingeschläfert, da sie wirtschaftlich ohne Nutzen sind. Mehr als die Hälfte der so getöteten Küken werden weiterverwendet, um andere Tiere zu füttern, zum Beispiel in Zoos.
Tierwohl hoch im Kurs
Wenn’s ums Tierwohl geht, ist die Schweiz weltweit vorne dabei. Dies bescheinigen ihr etwa der World Protection Animal Index, Erhebungen des Schweizerischen Tierschutzes (STS) sowie auch eine aktuelle Studie der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Agridea.
Dieses ausgeprägte Herz für Tiere der Schweiz basiert insbesondere auf strengen Gesetzen. Sie sind die Grundlage für eine respektvolle Haltung gerade von Nutztieren.
Aber auch die Schweiz ist nicht perfekt: Das Gesetz wird nicht von allen eingehalten und hat immer noch Lücken, wie das Beispiel der männlichen Küken zeigt.
«Es sei auch daran erinnert, dass die Schweiz viele tierische Produkte aus dem Ausland importiert – Fleisch, Milch und Eier –, die in der hiesigen Lebensmittelproduktion von Keksen oder Convenience Food ‹versteckt› werden können», sagt die Tierethikerin Angela Martin. Die Konsumentinnen und Konsumenten verzehrten regelmässig tierische Produkte aus Ländern mit niedrigeren Schutzstandards, so die Philosophin.
Alternativen zur Studie
Der Wille der Schweizer Behörden, aber auch der Züchter und der Bevölkerung, zeigt klar in eine Richtung: Den Tierschutz weiter verbessern. Im Zuge dieser Debatte wird die Eliminierung männlicher Küken per se in Frage gestellt.
Die Kommission des Nationalrats (grosse Kammer), die das Schredder-Verbot vorschlug, fragte sich, ob die Tötung von Tieren, die keinen ökonomischen Nutzen bringen, überhaupt noch ethisch akzeptabel sei.
«Die Tendenz, Tiere nur für die Produktion von Eiern oder Fleisch zu züchten, macht das Tier zu einem blossen Produktionsobjekt und führt zu Absurditäten wie dem Zerkleinern von lebenden männlichen Küken. Es ist dies eine Handlung, die der Intelligenz des Menschen unwürdig ist», liess die Kommission verlauten.
Das Problem wird von den Züchtern sehr ernst genommen. «Die Branche arbeitet hart daran, Alternativen zu finden», sagt Daniel Würgler, Präsident von Gallosuisse. «Wir wollen die bestmögliche Lösung unter Berücksichtigung aller Aspekte finden: Verbraucher, Kosten, Ressourcen, Tierschutz, Ethik, Ökologie usw.»
In der Schweiz werden derzeit zwei Möglichkeiten geprüft: Einerseits die so genannte «Bruderfarm» für die Produktion von Hähnchenfleisch, andererseits die klassische Hühnerzucht, wo die Hennen sowohl der Eier- als auch der Fleischproduktion dienen.
Nutztierhaltung zunehmend in Frage gestellt
Abgesehen vom Problem der männlichen Küken stellen mehrere gesellschaftliche Bewegungen wie der Vegetarismus, Veganismus oder der Antispeziesismus die Haltung von Nutztieren und das Schlachten von Tieren im Allgemeinen in Frage.
Eine solche Reflexion auf nationaler Ebene durchzuführen, wäre aus ethischer Sicht wichtig, sagt die Tierethikerin Martin. «Wir respektieren und schützen bereits das Leben von Haustieren: Zum Beispiel töten wir keine Hunde oder Katzen, wie es uns gefällt», sagt die Philosophin.
Nutztiere dagegen, die viele Merkmale mit Haustieren gemein hätten, würden sehr jung geschlachtet, damit die Verbraucher deren Fleisch oder Produkte daraus essen können. «Das ist ethisch schwer zu rechtfertigen», sagt Martin.
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)
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