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Universitäten können Ausländer-Quoten einführen

Erst eine Hochschule in der Schweiz kennt Quoten für Studierende aus dem Ausland. Keystone

Sind zu wenig Studienplätze vorhanden, dürfen Schweizer Hochschulen Quoten für ausländische Studierende einführen. Dies bestätigt die Rektoren-Konferenz der Schweizer Universitäten. Eine fixe Quote kennt bislang nur die Hochschule St. Gallen.

Das Gutachten zur Einführung von Ausländerquoten des Juristen und Rektors der Universität Luzern, Paul Richli, liegt den Schweizer Hochschulen schon seit einem halben Jahr vor, hiess es von Seiten der Rektorenkonferenz CRUS. Einzelheiten des Berichts wurden aber erst in den letzten Tagen in den Medien publik.

Das Gutachten stellte bereits im Dezember 2010 fest, dass die Kantone, die für die Universitäten und Schweizerischen Technischen Hochschulen zuständig sind, «nicht gegen internationale Abkommen verstossen, wenn sie Zulassungen, die auf ausländischen Schul- oder Studienqualifikationen basieren, beschränken».

Im Text heisst es auch, dass die Universitäten nicht verpflichtet sind, ausländischen Studenten Gebühren zu erlassen, die weit unter den effektiven Kosten liegen.

Keine landesweite Quote

Mathias Stauffacher, Generalsekretär der CRUS, betonte jedoch, die Konferenz habe weder strengere Zugangskriterien noch eine nationale Quote für ausländische Studierende empfohlen.

Der Bericht habe vielmehr bestätigt, dass die für die Universitäten zuständigen Kantone befugt seien, im Fall von Kapazitätsengpässen in einzelnen Studiengängen die Zulassungshürden zu erhöhen, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.

Die steigende Anzahl ausländischer Studierender hat in der Schweiz zu hitzigen Diskussionen geführt. Es wird befürchtet, die Kosten der Universitäten und Studienplätze für Einheimische könnten unter Druck kommen. Im Studienjahr 2006/07 stammten 23% aller Studierenden aus dem Ausland. 2010/11 waren es bereits 27%.

Ein fixe Quote wendet bisher einzig die Hochschule St. Gallen an: Sie lässt seit einiger Zeit nur 25% ausländische Studierende zu. Bislang war ungewiss, ob dies gemäss internationalen Abkommen überhaupt zulässig ist. Namentlich in der Deutschschweiz überlegen sich einige Universitäten diesen Schritt ebenfalls.

Reaktionen der Unis

Das Gutachten ist besonders für die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) wichtig, die ausländischen Studierenden bereits den Zugang zu beliebten Fächern wie Maschinenbau und Architektur verwehren musste.

«Wir können nicht mehr Leute ausbilden. Wir haben die Ressourcen dazu nicht», sagte Rektorin Heidi Wunderli-Allenspach gegenüber der SDA.

Sie erklärte, die ETH – die anders als die Universitäten unter Aufsicht des Bundes steht – habe gegenwärtig keine formalrechtliche Grundlage für die Abweisung ausländischer Interessenten. Daher werde das Gutachten «sehr begrüsst». Beim Bund habe der ETH-Rat unterdessen eine entsprechende Gesetzesänderung beantragt, so Wunderli-Allenspach.

Das grösste Problem finde sich auf Master-Stufe, wo es etwa doppelt so viele Anwärterinnen und Anwärter aus dem Ausland als aus der Schweiz gebe, sagt die Rektorin. Die meisten Ausländer seien abgewiesen worden. Trotzdem machen sie heute rund einen Drittel der Masterstudenten aus.

Eine fixe Quote lehnt Wunderli-Allenspach aber ab. Sie begrüsst eine hohe Zahl an begabten ausländischen Bewerbern. «Das belebt den Wettbewerb.»

An der ETH in Lausanne (EPFL) im französischsprachigen Teil der Schweiz geht man das Thema etwas gemächlicher an. Hier sind über 40% der Studierenden Ausländerinnen und Ausländer.

Sprecher Jérôme Grosse erklärte gegenüber dem Schweizer Fernsehen, der Rekrutierungsprozess sei bereits sehr komplex, mit strikten Kriterien für jedes einzelne Land.

Ausländische Studierende könnten auch eine Chance sein, sagte er: «Viele von ihnen bleiben nach Studienabschluss im Land und gründen Firmen. Nur um das zu belegen: Rund die Hälfte unserer Jungunternehmer, die Startups gründen, sind Ausländer.»

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ETHZ/EPFL

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz hat zwei technische Hochschulen, die ETHZ in Zürich, die 2005 ihr 150 jähriges Bestehen feiern konnte, und die EPFL in Lausanne, die 1853 als Privatschule gegründet wurde und 1969 nach der Trennung von der Universität Lausanne eine Eidgenössische Hochschule wurde. Beide Hochschulen gelten als führende Institutionen in Wissenschaft und Technologie und werden direkt…

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Keine Diskriminierung

Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS), der das Gutachten bereits vor einigen Monaten gesehen hat, zeigte sich zufrieden mit der Tatsache, dass die Rektorenkonferenz den Universitäten keine Vorschriften betreffend der Einführung von Ausländerquoten machen will.

«Wir sind keine Fans von Quoten und glauben, dass es keinen Sinn macht, dies auf nationaler Ebene zu regeln», sagte Vorstandsmitglied Lorenz Bort gegenüber swissinfo.ch.

Für den Verband wäre eine solche Regelung diskriminierend. Der VSS ist auch gegen eine Erhöhung der Studiengebühren für ausländische Studierende – wie sie in einigen Kreisen diskutiert wurde –, weil eine solche die Minderbemittelten diskriminieren würde.

Nicht jede Universität habe Zugangsprobleme, sagte Bort. «Das Problem kommt an einzelnen Universitäten und in einzelnen Studienrichtungen vor. Das Ganze sollte nicht mit einer generellen Diskussion über Ausländer in der Schweiz vermischt werden.»

In letzter Zeit wurde in Schweizer Medien berichtet, an den Universitäten sei ein Ansturm deutscher Studierender beobachtet worden. In Deutschland fehle es infolge doppelter Abiturjahrgängen und weil die Wehrpflicht nicht mehr obligatorisch sei an Studienplätzen.

Dem widerspricht ETH-Rektorin Wunderli-Allenspach gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.

Die vorläufigen Zahlen zeigten keinen «dramatischen Ansturm» aus Deutschland.

Ähnlich tönte es an der Universität Basel und an der Hochschule St. Gallen.

Weiter wurde berichtet, dass einige Universitäten den Zugang für deutsche Studierende erschwert hätten, während Experten vor «drastischen» Massnahmen warnten.

Im Wintersemester 2010/11 waren laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) 131’524 Studierende an Schweizer Universitäten eingeschrieben, 3,6% mehr als im Vorjahr.

50% der Studierenden sind Frauen, 27% Ausländerinnen und Ausländer.

Die meisten ausländischen Studierenden hat mit 65,7% die Universität Lugano, am wenigsten mit 13,1% die Universität Bern.

In der Schweiz gibt es 10 Universitäten und zwei Eidgenössische Technische Hochschulen (ETH).

(Übertragen aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein und Christian Raaflaub)

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