Vom Dschungel-Willy zum High-End-Gastronomen
Willy Diggelmann, ein Absolvent der renommierten Hotelfachschule Lausanne, überquerte den Atlantik vor mehr als 30 Jahren mit einem Bananenschiff. Er suchte in Panama sein Glück – und fand es im Kochtopf.
Diggelmann setzte in der Kanal-Republik auf ökologischen Tourismus, als noch niemand davon sprach.
Sein ökologisches Engagement im Tourismus hat Diggelmann seinerzeit den Spitznamen «Dschungel-Willy» eingetragen.
Der gelernte Koch und Hotelmanager führte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Panama ansässige Bank- und Offshore-Manager aus der Schweiz, Frankreich und Kanada in die Dschungelgebiete des Darién im Grenzgebiet zu Kolumbien.
«Mein Engagement für den Dschungel-Tourismus kam um Jahrzehnte zu früh», erklärt Willy Diggelmann im Gespräch mit swissinfo.ch.
Diggelmann besuchte mit seinen Klienten nicht nur Indianerdörfer und den Tropenurwald. Er betätigte sich auch als Fischer und verkaufte seinen Fang selbst auf dem Markt. «Ein solides Einkommen war damit nicht zu erzielen, aber es machte Spass.»
Willy Diggelmann hatte schon immer ein Flair für Lateinamerika. «Während meine Schulkollegen die Beatles rauf und runter spielten, hörte ich schon als Jugendlicher mexikanische Ranchera-Musik.» Ahnend, was in der Luft lag, besuchte er nach der Lehre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich einen Spanischkurs.
Begegnung mit Tiefenwirkung
Lebensbestimmend wurde für Diggelmann eine Zugsfahrt in der Romandie. Er traf im Abteil eine Frau aus Panama. Nach romantischen Wechselfällen und Pirouetten wurden die beiden bald ein Paar, heirateten, blieben jedoch in der Schweiz, wo Diggelmann in seinem angestammten Beruf als Koch arbeitete.
Früher oder später gab Willy Diggelmann seiner Ahnung nach und ging nach Panama. «Als wir hier ankamen, fand ich ein touristisches und gastronomisches Brachland vor. Es gab zwar den einen oder anderen Italiener oder Spanier, der in der Küche mit Öl oder Knoblauch hantierte, aber richtig feine Kost fand ich nicht.»
Als die beiden Töchter der Diggelmanns ins Schulalter kamen, war seine Existenz als Fischer und «Dschungel-Willy» nicht mehr tragfähig. Die Familie zog in die Stadt.
Zum Koch und Gastronomen bestimmt
Diggelmann besann sich auf sein eigentliches Metier, das Kochen und die Gastronomie.
«Es war die Zeit von Paul Bocuse, dem französischen Starkoch und der Nouvelle Cuisine, der feinen Saucen und exquisiten Häppchen.» Dort setzte der Schweizer Gastronom an.
Willy Diggelmann eröffnete 1983 an der Via Argentina ein minimalistisches Lokal, den «Rincon Suizo», mit sieben Tischen und einer sechs Quadratmeter grossen Küche.
«Die Dekoration liess ich aus der Schweiz einfliegen. Es ging los mit Raclette, Fondue, Fisch, Dill und anderen feinen Kräutern, von denen die Esser vor Ort keine Ahnung hatten. Nach drei Monaten standen die Leute vor meinem Lokal Schlange», erinnert sich der Gourmetkoch.
Zehn Jahre stand Willy Diggelmann im «Rincon Suizo» selbst in der Küche, dann war seine Qualität als gastronomischer Manager, Planer und Verwalter gefragt.
«Ich passte unsere Küche den lokalen Essgewohnheiten an. Während wir in der Schweiz minimalistische Portionen schick finden, mögen es meine panamaischen Kunden üppig. Da muss schon mal eine doppelte Rösti her, damit sich bei den Essern das Gefühl der Sattheit einstellt.»
Ohne ständige Innovation keine Zukunft
Viel Wasser ist seit Diggelmanns Ankunft in Panama durch den Kanal geflossen, die kulinarischen Ansprüche haben sich im zentralamerikanischen Land verfeinert.
Die neuen Bedürfnisse der Kundschaft haben Willy Diggelmann angestachelt, weitere Restaurants zu gründen, und er entwirft ständig Neues in der Küche: «Stolz bin ich auf die gratinierte Sauce aus Passionsfrucht und grünem Pfeffer.»
Als gastronomischer Unternehmer hat Diggelmann zuverlässige Köche und Kellner ausgebildet. «Konstanz in der Qualität ist wichtig. Meine Kunden fordern jeden Tag kulinarische Höchstleistungen.»
Wenn Politik den Brei verdirbt
Nicht die Küche, sondern die Politik von Panama zwang Willy Diggelmann 1987 fast in die Knie. Der absolute Machtanspruch von General Noriega geriet in Panama ins Wanken, es gab damals Proteste, Gewaltakte und Streiks; kein ideales Umfeld für kulinarische Streifzüge.
«Unsere Umsätze brachen ein, Banken und Läden blieben im Geschäftszentrum wochenlang geschlossen. Ich dachte schon ans Weggehen, hatte Angebote aus Miami und aus Chile», erinnert sich Diggelmann an jene turbulente Zeit.
Im Dezember 1989 lancierten die USA in Panama eine Invasion und entfernten General Noriega von der Macht. «Die Invasion war auch meine Rettung», erklärt Willy Diggelmann. Seither verzeichnet der Schweizer Gastronom in Panama gute Jahre.
«Einen geschäftlichen Einbruch gab es 1990, als sich die USA aus der Verwaltung der Panama-Kanalzone zurückzogen. Die Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Der Panama-Kanal funktioniert unter lokaler Führung genau so gut wie vorher.»
Willy Diggelmann kommt heute in Panama zugute, dass die Regierung nicht nur auf Vermögensverwaltung und Off-Shore-Banking setzt, sondern aktiv den Tourismus im Land fördert. «Jetzt haben wir nicht nur Banker und Gnomen im Lokal, sondern auch Touristen, die Panama kennen lernen wollen.»
Erwin Dettling, Panama-City, swissinfo.ch
Der Schweizer Koch und Hotelfach-Manager zog 1976 ins Land seiner Gattin, nach Panama.
Er versuchte sich in den ersten Jahren als Fischer und Unternehmer im Ökotourismus.
1983 besann sich Diggelmann auf seine Kernkompetenz, die Gastronomie und das Kochen.
Seine Kost fand in den Kanalrepublik Anklang – bis Diggelmann von den politischen und militärischen Wirren von Panama fast geschäftlich ruiniert wurde.
Die amerikanische Invasion in Panama im Dezember 1989 brachte auch die Wende für den Schweizer Gastro-Unternehmer.
Heute führt Diggelmann an einem prominenten Ort in Panama-City einen diversifizierten Restaurantbetrieb und einen hervorragenden Weinkeller, wo sich die Prominenz aus Politik und Wirtschaft gerne sehen lässt.
Willy Diggelmann betreibt in seinem Gastro-Komplex 5 Restaurants:
– «1985»: Französische Küche
– Rincon Suizo: Schweizer Spezialitäten
– Caffè Pomodoro: Italienische Gerichte
– Rincon Aleman: Deutsche Küche
– The Wine Bar: Grosse Auswahl an erlesenen Weinen
Die Weinbar wurde als einzige in Lateinamerika vom Fachmagazin Wine Spectator mit dem Titel «Best Wine Cellar» ausgezeichnet.
Seit Beginn der 1950er-Jahre bekämpft das panamaische Militär die Vorherrschaft der Oligarchen.
1968 stürzt die Nationalgarde die gewählte Regierung. Brigadegeneral Omar Torrijos, der Kommandante der Nationalgarde, wird zum starken und charismatischen Führer im Land.
Torrijos, ein politisches Raubein, erreicht in Stadt und Land markante Verbesserungen für die benachteiligten Schichten in Panama.
1977 unterzeichnen die USA und Panama eine Übereinkunft, die den Transfer des Kanals, der Kanalzone sowie von 14 US-Armee-Stützpunkten regelt.
General Torrijos kommt am 1. August 1981 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
Hinter einer zivilen Fassade übernimmt General Manuel Noriega bald die Macht in Panama.
Er verstrickt sich in den kommenden Jahren heillos im Drogen- und Korruptionssumpf und verkracht sich mit den USA.
Nach schweren sozialen und politischen Unruhen und Wahlfälschungen dringen die USA im Dezember 1989 in Panama ein, entfernen Noriega von der Macht und verurteilen ihn später in Florida zu 40 Jahren Gefängnis.
Ende 1999 gehen der Panamakanal, das Gebiet um den Kanal und die Militärbasen an Panama über.
Panama wird seit Beginn der neunziger Jahre von gewählten Präsidenten regiert.
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