«Ein halbes Jahr Uruguay, und ich habe noch kein Pferd gesehen»
Jungdiplomat Jean-Rodolphe Linder trat Anfang Jahr seinen ersten Botschaftsposten an. Er zog nach Montevideo, ein neues Leben. Dann kam die Pandemie. Da wurde gerade nochmals alles neu. Hier sein Protokoll.
«Ich heisse Jean-Rodolphe Linder, bin 25 Jahre alt. Ich arbeite in der Schweizer Botschaft in Uruguay und Paraguay.
Ich komme aus Basel. Ich habe in St. Gallen studiert und in Zürich gearbeitet, bevor ich nach Uruguay kam. Hier arbeite ich mit Uruguayern und Schweizern. Man spricht Französisch, Deutsch und Spanisch.
Meine Eltern wollten mich letzten Monat besuchen, aber die Reise wurde wegen der Krise und der Schliessung der Grenzen abgesagt. Von Europa aus gesehen ist Uruguay ja nicht unbedingt das Reiseziel Nummer eins.
Natürlich bleibe ich mit Freunden in der Schweiz in Kontakt, insbesondere jetzt, wo alles geschlossen ist. Da ist der digitale Kontakt noch intensiver. Ich habe keine Brücken abgebrochen.
Die Pandemie hat meine Arbeit sehr verändert, da ich nicht mehr rauskam und auch niemanden mehr treffen konnte – ein wichtiger Teil der Arbeit einer Botschaft. Auch mein persönliches Leben ist anders, einsamer. Ich war dieses Mass an Isolation nicht gewohnt.
Eigentlich kam ich nach Uruguay, um Land, Region und Leute kennenzulernen. Nun zeigt sich, dass ich nach vier Monaten hier weder die argentinische Hauptstadt Buenos Aires noch das uruguayische Departement Colonia noch ein Pferd im Landesinneren gesehen habe. Ich hoffe, dass sich das noch ergibt.
Von Zeit zu Zeit vermisse ich einfache Schweizer Dinge wie bestimmte Gewürze oder Gerichte, etwa Käse, und natürlich auch einige Menschen.
An Uruguay mag ich alles, was die Bewohner dieses Landes eint. Klar, die politische Situation scheint sehr polarisiert zu sein, aber in Wirklichkeit kennt hier fast jeder jeden. Unzählige Traditionen verbinden das Land, sei es Mate, Fussball, das Grillieren oder Gnocchi am 29. jedes Monats. Dieser Kitt ist fast noch stärker als der Zusammenhalt in der Schweiz.»
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