Der Countdown läuft
Lotti Pfyls Traum ist geplatzt. Die Auslandschweizerin kehrt in die Schweiz zurück. Der Umzug steht jetzt vor der Türe. In ihrem Rückkehr-Tagebuch beschreibt sie, wie sie diesen Schritt erlebt.
Der Countdown läuft. In ein paar Tagen steht der Umzugswagen vor der Türe. Dann heisst es: «Adieu Deutschland». Ich bin gut vorbereitet, fast alles ist eingepackt. Jetzt tätige ich noch ein paar Einkäufe und kaufe Sachen, die hier doch etwas günstiger sind als in der Schweiz.
Die Sozialhilfe in der Schweiz wird bewilligt werden, ich bin erleichtert. Die Auflagen sind sehr strikt, was ich auch absolut richtig finde. Ich muss mich nach einem Job umsehen. Am Zehnten jedes Monats habe ich beim Sozialamt meine Kontoauszüge und fünf Bewerbungen abzuliefern. Ich werde sehr gläsern werden.
«Die andere Frage ist dann, ob ich mit 61 noch einen Job finde.»
Die andere Frage ist dann, ob ich mit 61 auch noch etwas finde. Aber hier spüre ich, dass ich wirklich Hilfe und Unterstützung bekomme. Wenn ich eine Anstellung habe, muss ich das ganze Einkommen abliefern, der Freibetrag bei einer 100-Prozent-Anstellung sind 400 Franken. Ausser ich bekomme einen Job, von dem ich vollumfänglich finanziell von der Sozialhilfe wegkomme. Drücken Sie mir also die Daumen!
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Beim Generalkonsulat in München habe ich doch noch das Gesuch für die Umzugshilfe eingereicht. Per Zufall habe ich auf der aktualisierten Webseite des EDA / BürgerserviceExterner Link detaillierte Angaben dazu gefunden. Und dies sogar im Widerspruch zur Auskunft Anfang November beim Konsulat. Bis heute habe ich aber noch nichts gehört. Wir werden sehen.
Wehmut kommt auf
Mit etwas Wehmut blicke ich zurück auf meine letzten Jahre in Deutschland. Ich durfte dieses Land kennenlernen, welches ich vorher von meinen Reisen und Besuchen bei Verwandten kannte. Hochdeutsch lernen wir in der Schule, und doch gab es einige Helvetismen, die ich abgelegt habe. Meine Sprache war trotzdem mein Markenzeichen und entlarvte mich sofort als Schweizerin – und ich bekam einen Sympathiebonus.
Das Abschiednehmen von lieben Mitmenschen fällt mir nicht so leicht. Obwohl ich erst knapp ein Jahr hier in der Oberpfalz wohne und Corona bedingt nicht viele Gelegenheiten hatte, Menschen kennenzulernen. Ich hatte hier aber herzensgute Nachbarn.
Da ist der siebenjährige Hannes, der seinen Papa, meinen Nachbar, zweimal wöchentlich besuchen darf. Die beiden holen regelmässig meine Hündin für ihre gemeinsamen Abenteuer ab. Es fällt uns schwer, diese Nachbarschaft aufzugeben. Wir wissen jedoch, der Kontakt wird bleiben.
Jetzt heisst es loslassen
Ich habe das Gefühl, dass für mich ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Nicht nur mit der Rückwanderung, sondern auch mit dem Alter. Vieles ist nicht mehr so wichtig. Meinen Haushalt verkleinere ich nochmals. Ich staune, wie viel Ballast ich habe.
«Ich habe das Gefühl, dass für mich ein neuer Lebensabschnitt beginnt.»
Die Kisten fühlen sich schwer an, ich muss Acht geben, wie ich sie hochhebe, um den Rücken nicht allzu sehr zu strapazieren. Mein Verstand tut sich manchmal etwas schwer mit dem Akzeptieren. Loslassen von materiellen Dingen, loslassen der Jugendlichkeit, loslassen der Agilität. Das war das grosse Thema in den letzten Wochen, und meine grösste Herausforderung. Aber es fühlt sich richtig gut an.
Nur noch wenige Tage bis zu meiner Rückkehr. Was ich online organisieren konnte, ist erledigt. Die Ämter und Stellen, bei denen ich persönlich erscheinen muss – wie etwa für die Bankkontoeröffnung oder für den Abschluss eines Handyvertrags – müssen warten bis ich vor Ort bin.
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Ein leises Kribbeln
Gespannt bin ich auf den Umgang mit Corona in der Schweiz. Hier in Deutschland, speziell in Bayern sind die Auflagen restriktiv. Ich finde diese Massnahmen angebracht, sind sie doch auch zu meinem Schutz. Mein Verhalten wird in der Schweiz nicht anders sein als bis jetzt in Deutschland.
In Gedanken richte ich meine kleine Wohnung im appenzellischen Walzenhausen ein. Auf Google-Maps erkunde ich die Umgebung, suche Spaziergänge für die Gassirunden mit meiner Hündin. Wie wird sie den Umzug und die neue Umgebung erleben? Ein leises Kribbeln macht sich in meinem Bauch langsam bemerkbar. Die Aufregung steigt.
Abenteuer Rückkehr
Lotti Pfyl nimmt uns mit auf ihr Abenteuer «Rückkehr in die Schweiz». In ihrem Rückkehrblog gibt sie uns Einblick in ihre Gefühlswelt. Der nächste Beitrag erscheint Ende Februar, wenn sie sich in der Schweiz ein bisschen eingelebt hat. .
Lesen Sie hier die Geschichte von Lotti Pfyl:
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Geplatzter Traum – eine Auslandschweizerin kehrt heim
Der erste Tagebucheintrag von Ende 2020:
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Abenteuer Rückkehr
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