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Weltausstellung: Von der Leistungsschau zum Erlebnis

Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1937 in Paris (Mitte). Seither wurde nie mehr eine Expo in der französischen Hauptstadt durchgeführt. akg-images

Der Eiffelturm und das Brüsseler Atomium sind wohl die bekanntesten Überbleibsel grosser Weltausstellungen. Während solche Expos früher reine Leistungsschauen waren, sind sie heute weltweit gültigen Themen gewidmet, welche die Teilnehmerländer möglichst attraktiv erlebbar zu machen versuchen.

«Man könnte frühere Weltausstellungen als eine Art Olympische Spiele von Wirtschaft und Industrie bezeichnen», sagt der Historiker Marco Marcacci.

Die ersten Weltausstellungen 1851 in London, 1853 in New York und 1855 in Paris seien klar im Zusammenhang mit der anbrechenden Industriegesellschaft und dem wissenschaftlichen Positivismus des 19. Jahrhunderts gestanden. «Gleichzeitig diente eine Expo als Schaufenster für das Gastland und Vergleichsplattform zwischen den Teilnehmerländern.»

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Weltausstellungen gestern und heute

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Heute sind es keine grossen Wahrzeichen mehr, die eine Weltausstellung auszeichnen. Vielmehr steht das gemeinsame Thema im Zentrum, unter dem die teilnehmenden Länder ihre Auftritte gestalten. Das war bis im 20. Jahrhundert noch anders: Die letzten grossen und die Zeit überdauernden Wahrzeichen einer Weltausstellung sind die Space Needle in Seattle (1962) und der Torre Vasco…

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Die erste Weltausstellung – in dem Sinn, wie wir sie heute kennen – wurde 1851 «Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations» genannt, was sie klar als Industrie-Leistungsschau auszeichnete.

Stolz zeigten die Gastländer ihre Errungenschaften und hofften auf neue Absatzmärkte. Das Hauptgebäude war der legendäre Kristallpalast im Hyde Park. Die weltweit erste Stahl-Glas-Konstruktion wurde 1936 bei einem Grossbrand vollständig zerstört.

Das Ziel solcher Ausstellungen sei didaktischer Art gewesen, sagt Marcacci. «Man wollte die soziale Notwendigkeit des Fortschritts erklären und den Genius jener Völker und Nationen hervorheben, die diesen in materielle und industrielle Errungenschaften umsetzen konnten.»

So wurden einige der bahnbrechendsten Erfindungen an Weltausstellungen einem breiten Publikum vorgestellt. Etwa die Telegrafie, das Telefon, das elektrische Licht, das Automobil oder das Radio.

Die Länder

Weil der Platzbedarf immer grösser wurde, betrieben die teilnehmenden Länder seit der Weltausstellung 1867 in Paris oft eigene Pavillons, in deren Gestaltung sie ziemlich frei waren. An diesem Konzept der Länderpavillons wird bis heute festgehalten.

Der Bezug zur Industrialisierung verlor gegen die Jahrhundertwende immer mehr an Gewicht und wurde an den Weltausstellungen jener Zeit von dem aufkeimenden Nationalismus verdrängt. Nicht mehr die Erfindungen – nun vermehrt an Fachmessen präsentiert – standen im Vordergrund, sondern die ausstellenden Länder.

«Das Vertrauen in den Fortschritt nahm ab, und deshalb ging das didaktische Ziel verloren», betont Marcacci. «Dies zu Gunsten von Werbe-Effekten, Sponsoring und der Nutzung von Weltausstellungen zu innenpolitischen Zwecken. Wie etwa die Renovation der Infrastruktur einer Stadt, oder um regionalen Ansprüchen nachzukommen.»

Das Thema

Weltausstellungen waren lange Zeit nicht mehr als ein Schaufenster des jeweiligen Veranstaltungslandes. «Eine Ausstellung war international (…) wegen der einzigen Tatsache, dass verschiedene Länder daran teilnahmen», sagte Maurice Isaac, der erste Direktor des Internationalen Ausstellungsbüros (BIE), das seit 1931 besteht und zu dessen Gründungsmitgliedern auch die Schweiz zählt.

Expos in Zahlen

Weltausstellungen schafften es von Beginn weg, ein Millionenpublikum anzuziehen.

Bereits die erste Weltausstellung in London 1851 besuchten etwa 6 Millionen Personen.

Die Besucherzahl stieg andauernd an und erreichte in Paris 1900 mit mehr als 50 Millionen Besucherinnen und Besuchern einen ersten Höhepunkt.

Danach sank das Interesse an Weltausstellungen, primär weil sich die Präsentation von Innovationen auf internationale Fachmessen verlagerte.

Erst 1958 in Brüssel wurde die Marke von 50 Millionen Personen wieder überschritten, wie auch 1964-65 in New York und 1967 in Montreal.

1970 verzeichnete die Weltausstellung in der japanischen Wirtschaftsmetropole Osaka mit 64 Millionen Besuchenden einen neuen Rekord.

Die letzte grosse Weltausstellung in der chinesischen Millionenstadt Shanghai konnte 2010 mit 73 Millionen Personen einen erneuten Rekord verbuchen.

(Quellen: Historisches Lexikon der Schweiz, Expo Museum)

Laut Vicente Gonzalez Loscertales, Generalsekretär des BIE, ist heute das Thema der Kern einer Expo. «Es vereint verschiedene Beteiligte – Wissenschaftler, Experten, Fachleute und normale Bürgerinnen und Bürger.»

Eine Weltausstellung biete dem Gastgeberland aber auch die Chance hochrangiger Besuche. So nutzte beispielsweise die Schweiz die letzten beiden grossen Weltausstellungen 2005 (Japan) und 2010 (China) zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen, was in beiden Fällen zum Abschluss eines Freihandels-Abkommens führte oder diesen zumindest beschleunigte.

«Weltausstellungen stellen für die Länder auch heute noch eine wichtige Gelegenheit dar, sich zu präsentieren und die bilateralen Beziehungen, insbesondere zum Veranstaltungsland, zu pflegen», schreibt denn auch der Bundesrat in seiner Botschaft zur Expo 2015 in Mailand.

Das Erlebnis

Doch welchen Sinn machen Weltausstellungen im Zeitalter des globalen Dorfes und der totalen Vernetzung überhaupt noch? «Sie können nicht mehr länger Präsentationsbühnen für neue Produkte sein», schrieb Gonzalez Loscertales im Public Diplomacy Magazine. Denn: «Fortschritt und Innovation schreiten schneller voran als Expos.»

Das schlagende Argument für Martin Heller, 2002 künstlerischer Direktor der Schweizer Landesausstellung Expo.02, sind die Erlebnisse, die solche Ausstellungen bieten und die durch nichts zu ersetzen seien.

«Expos sind immer in erster Linie Orte. Man trifft andere Leute, es regnet oder die Sonne scheint, da gibt es Trubel. Das ist es, was die Besucher und Besucherinnen suchen», sagt er. Daher seien Weltausstellungen immer noch Leistungsschauen, nur dass es heute um «eine Kreativleistung im Wettbewerb der Erlebnisse» zwischen verschiedenen Nationen gehe.

Die Schweizer Pavillons

Weltausstellungen

Eine Weltausstellung ist nicht kommerziell (also keine Messe) und wird von jener Nation organisiert, die einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen hat. Sie kann andere Nationen zur Teilnahme einladen.

Die erste Weltausstellung fand 1851 in London statt. Ihr Erfolg spornte andere Nationen an, ebenfalls eine ähnliche Ausstellung auszurichten, wie etwa die Weltausstellung von 1889 in Paris, die wegen dem speziell dafür erstellten Eiffelturm in Erinnerung bleibt. Jede Expo ist einem weltweiten Thema gewidmet.

Das Bureau International des Expositions (BIE) wacht seit 1931 über Häufigkeit, Ablauf und Qualität der Ausstellungen. Heute gehören ihm 157 Staaten an.

Die letzte Weltausstellung fand 2010 in Shanghai statt. Die nächste, jene in Mailand, dauert vom 1. Mai bis 31. Oktober 2015 und ist dem Thema «Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben» gewidmet. Rund 130 Länder werden teilnehmen.

Das Budget der Schweiz für Milano 2015 beträgt etwa 23 Mio. Fr., ein etwas tieferer Betrag, als er für Shanghai ausgegeben wurde.

Anfang April wurde mitgeteilt, der Schweizer Pavillon in Mailand müsse aus Kostengründen kleiner gebaut werden als geplant.

Die Schweizer Auftritte schienen in den letzten 15 Jahren beim Publikum gut anzukommen, wenn man sich beispielsweise an das Medienecho des Holzpavillons in Hannover 2000 oder an die mit 3 Millionen Personen rekordhohe Besucherzahl des Schweizer Pavillons in Shanghai 2010 erinnert.


Während dieser mit seinem leider häufig defekten Sessellift und jener im japanischen Nagoya (Aichi 2005) mit einem im Innern begehbaren Berg noch ein starkes touristisches Element beinhalteten, setzt man in Milano 2015 nun voll auf das Expo-Thema «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben» und offeriert Nahrungsmittel.


Für einen guten Auftritt brauche es starke Bilder und eine Geschichte, also eine Kreativleistung, betont Heller. Für ihn gibt es beim neusten Schweizer Auftritt jedoch «zu viele Geschmacksauflagen: Dieses Gericht muss alles können, und das kann es nicht.»


Nur Pflichtenhefte abzuhaken und alles dem «vermeintlichen ökonomischen Druck» unterzuordnen, sei bei einer Weltausstellung zu kurz gedacht. Denn eine geniale Idee, die für einen starken Auftritt nötig sei, «lässt sich nicht herbeikommandieren».

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