Zürich hilft bedrängten Menschen mit Freiwilligen
Mit dem Projekt "Salute" sollen Menschen handlungsfähig gemacht werden, deren soziales Netz aus dem Lot geraten ist. Eingespannt werden auch qualifizierte Freiwillige. Die Stadt Zürich und das Schweizerische Rote Kreuz wollen damit die bestehenden Leistungen im Gesundheitsbereich verbessern.
Zürich gilt zusammen mit seiner Agglomeration als der stärkste Wirtschafts- und Innovationsmotor der Schweiz. Permanente Höchstleistungen am Arbeitsplatz hinterlassen Spuren und fordern ihren Preis im Sozial- und im Gesundheitsbereich.
Es fehlen Angebote zwischen den verschiedenen Akteuren. Im November 2009 gründeten 19 Organisationen aus dem Zürcher Gesundheitswesen den Verein «Gesundheitsnetz 2025».
Diesem Netz gehören Spitäler, Krankenversicherungen, Ärzteorganisationen, Spitex, der Apothekerverband und andere an. Der Verein will als Think-Tank und zentrale Plattform aller Beteiligten den Austausch fördern und mit neuen Angeboten und Zusammenarbeitsformen die medizinische Grundversorgung nachhaltig und patientennah verbessern.
Gesundheitsnetzwerke, so die Einsicht, helfen Barrieren zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens abzubauen.
100 Tage «Salute»
Im Rahmen des «Gesundheitsnetzwerks 2025» ist seit 100 Tagen das Projekt «Salute» am Laufen. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und der stadtärztliche Dienst unterstützen Klienten mit sozialen Problemen, die zum Beispiel von Hausarztpraxen überwiesen werden.
Freiwillige Mentorinnen und Mentoren des SRK helfen Menschen in Bedrängnis, ihren Alltag in kritischen Phasen zu bewältigen und gleichen fehlende Ressourcen im Beziehungsnetz dieser Menschen aus.
Wie schwierig war es, Freiwillige für die anspruchsvolle Arbeit zu rekrutieren? «Nachdem wir das Projekt ‹Salute› der Öffentlichkeit vorgestellt hatten, meldeten sich genügend Bewerberinnen und Bewerber», erklärt Urs Baumeler, Projektleiter und Koordinator von «Salute», gegenüber swissinfo.ch.
Zwis
10 bis 30 Mentoren
«Mit ‹Salute› beeinflussen wir soziale Faktoren, welche die Gesundheit von Menschen gefährden können, und gleichzeitig ermöglichen wir Freiwilligen, sich bei den anspruchsvollen Aufgaben zu engagieren».
Die Soziologin Kirsti Rychener ist eine der Freiwilligen bei «Salute.»
«Ich möchte etwas von meiner privilegierten Lebenssituation weitergeben. Ich bin gut gebildet, habe ein schönes Zuhause und verfüge über ein starkes Nervenkostüm», sagt sie gegenüber swissinfo.ch.
Zurzeit betreut sie bei «Salute» zwei ehemalige Drogenabhängige. «Der eine leidet an seiner grossen seelischen Unrast und an seiner angeschlagenen Gesundheit, und er hat finanzielle Probleme. Der andere Klient ist besser aufgestellt, hat die Matura nachgeholt und jetzt ein Studium begonnen.»
Die freiwillige Arbeit als Mentorin bei «Salute» spricht vor allem Frauen aus dem sozialen und medizinischen Bereich an: «Mit einer Ausnahme sind bei ‹Salute› lauter Frauen engagiert», weiss Urs Baumeler. «Mittelfristig haben wir vor, den MentorInnen-Pool bis auf 30 Personen auszubauen».
«Salute“ steht pro Jahr ein Budget (Mieten, Kosten für Ausbildungen) von rund 160’000 Franken zur Verfügung.» Zurzeit sind elf ausgebildete Freiwillige für «Salute» beratend tätig. Sie machen vor allem Hausbesuche und bauen Schwellenängste ab.
«Wir springen da ein, wo Lücken im Beziehungsnetz die soziale Gesundheit gefährdet und übernehmen dabei eine Brückenfunktion», so Baumeler.
Im Vordergrund stehen Personen, die ohne Hilfe von «Salute» durch die Maschen der etablierten Sozialdienste fallen würden. In diese Kategorie fallen häufig Personen mit Migrationshintergrund, deren privates soziales Netz aber auch das familiäre Umfeld nicht intakt oder nicht handlungsfähig sind.
Die Arbeit von «Salute» ist konkret
Konkrete Beispiele zeigen, wie notwendig das Angebot von «Salute» ist.
Ein älteres Ehepaar im Pensionsalter hat finanzielle Probleme, die besonders die eben operierte Ehepartnerin belasten. Fremde Hilfe anzunehmen, empfindet das Ehepaar als Scham.
Bei einem Spitalbesuch wird eine Pflegerin auf die Notlage aufmerksam, meldet das Ehepaar bei «Salute» an. Ein freiwilliger SRK-Mitarbeiter führt in der Wohnung des Ehepaares ein Beratungsgespräch, hilft die anfängliche Scham abzubauen und zu überwinden.
Der freiwillige SRK-Mitarbeiter stellt mit dem Einverständnis der beiden den Kontakt zur zuständigen Fachstelle her und begleitet das Paar zu einem ersten Abklärungsgespräch. Diese Fachstelle hilft bei der Suche nach einer günstigeren Wohnung im Parterre, weil das Treppensteigen für die gesundheitlich angeschlagene Ehepartnerin eine zu große Belastung ist. «Für ‹Salute› ist der Fall somit zufrieden stellend abgeschlossen“, meint Urs Baumeler.
Soziale und medizinische Gesundheit kommen zusammen
Betroffene in Not werden mit dem Angebot von «Salute» befähigt, mit der Unterstützung einer SRK-Mentorin oder eines Mentors ihre soziale Gesundheit zu erhalten und zu verbessern.
Urs Baumler ist davon überzeugt, dass das Projekt für alle Beteiligten ein Gewinn ist. «Das Angebot unterstützt betroffene Patienten und die Fachpersonen im Gesundheitsbereich».
Erwin Dettling, Winterthur, swissinfo.ch
Das Projekt richtet sich an EinwohnerInnen der Stadt Zürich, die psychosoziale Defizite haben, sich in medizinischer Behandlung, primär bei Hausärzten, befinden und deren privates soziales Netz insbesondere ihr familiäres Umfeld nicht intakt oder nicht handlungsfähig ist.
Die zur Zeit elf vom SRK Kanton Zürich geschulten Freiwilligen unterstützen die Klienten im Alltag und begleiten sie, wo nötig, nachdem Sie von Hausarztpraxen und von Sozialdiensten an «Salute» überwiesen worden sind.
Sie gleichen fehlende Ressourcen im Beziehungsnetz der Patienten aus.
Sie stellen Kontakte zu Organisationen her, die ebenfalls hilfreich sind.
Patientinnen werden von Praxen und übrigen Institutionen des Gesundheitswesens an eine zentrale Telefonadresse (044 360 28 60)
gemeldet.
Eine Fachperson entscheidet, ob die Patientin, der Patient, von den Freiwilligen von «Salute» begleitet werden kann oder ob ein anderes Hilfsangebot angezeigt ist.
Die Freiwilligen begleiten die Patienten nach Bedarf, helfen bei amtlichen Terminen, unterstützen beim Ausfüllen von Anträgen und beraten, wenn es darum geht, bei einer Amtsstelle ein Gesuch zu stellen.
Maximal werden die Patientinnen für die Dauer von 10 Einsätzen kostenlos begleitet.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch