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Zwei Visionen zur künftigen Landwirtschaft

Reisbauern in Thailand. AFP

Was bedeutet nachhaltige Produktion? Welche Art Landwirtschaft wird der steigenden Nachfrage nach Nahrung gerecht? Die Entwicklungsorganisation Swissaid und die Agrochemie-Gruppe Syngenta vertreten unterschiedliche Ansichten.

Biologische Landwirtschaft, genetisch veränderte Organismen (GMO), Nahrungssicherheit, Klimaveränderung und Biodiversität: Das sind gängige Themen in der Ernährungsdebatte zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Dabei gibt es zwei Hauptphilosophien zur Frage, wie die künftigen Herausforderungen der Landwirtschaft am besten gemeistert werden können. Auf der einen Seite steht die agrochemische Industrien, auf der anderen Seite die Umwelt- und Naturschutzverbände.

swissinfo.ch: Was bedeutet für Ihre Organisation/Ihr Unternehmen die Bezeichnung «nachhaltige Landwirtschaft»?

Swissaid*: Nachhaltig ist eine Landwirtschaft, die gegenüber der Umwelt, den Bauern und somit letztlich gegenüber den Konsumenten respektvoll ist. Es handelt sich um eine bäuerliche, biologische und konsumentennahe Landwirtschaft.

Syngenta*: Nachhaltige Landwirtschaft versucht, ihre Ressourcen zu optimieren. Zugleich muss sie langfristig eine Wirtschaftlichkeit garantieren, wobei der lokale klimatische Kontext und die zur Verfügung stehende Biodiversität berücksichtigt werden sollten.

swissinfo.ch: Wie können Bauern und Viehzüchter die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft garantieren?

Swissaid: Indem sie biologische Methoden anwenden und auf lokales Saatgut setzen. In Bezug auf die Viehzucht hat die einseitige Förderung von Hochleistungstieren zu einem Aussterben der weniger starken, aber doch wichtigen Rassen geführt.

Syngenta: Die Landwirtschafts-Strategien sollten eine optimale Kombination aus kulturellen, biologischen und chemischen Komponenten darstellen. Denn die Landwirtschaft ist ein dynamisches System. Wir laden die Bauern daher ein, unternehmerisch zu denken und in ihrer Arbeit die neuesten Forschungsergebnisse und Technologien zu berücksichtigen.

swissinfo.ch: Aus welchem Grund sollte man eine Landwirtschaft mit genetisch modifizierten Organismen (GMO) fördern?

Swissaid: Es gibt keinen Grund. Entgegen der Propaganda der grossen Agrarkonzerne, darunter Monsanto und Syngenta, stellen die GMO keine Lösung dar, weder um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, noch um den Hunger auf der Welt zu besiegen. Studien zeigen auf, dass die GMO auch den Einsatz von Pestiziden nicht verringern.

Die Patentierung von GMO-Saatgut führt zudem dafür, dass die Preise steigen und die Bauern ihres jahrhundertealten Rechts beraubt werden, Saatgut selber herzustellen.

Syngenta: Wenn wir mehr Lebensmittel produzieren müssen, um die Nachfrage seitens einer wachsenden Bevölkerung zu stillen, ohne mehr Land für den Ackerbau zu verwenden, müssen wir alle Technologien einsetzen, die uns zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die Biotechnologie.

Es ist nicht die einzige Lösung, aber Biotechnologie kann helfen, die Produktion und die Qualität der Ernten zu steigern.

swissinfo.ch: Welche Gründe sprechen für eine biologische Landwirtschaft?

Swissaid:. In Ländern mit grossen wirtschaftlichen Problemen, gerade in der südlichen Hemisphäre, erlaubt die biologische Landwirtschaft, die extrem hohen Kosten für Dünger und chemische Pflanzenschutzmitteln einzusparen. Stattdessen setzt man auf natürliche Stoffe, die für Mensch und Umwelt unschädlich sind.

Syngenta: Die biologische Landwirtschaft stellt eine vollkommen legitime persönliche Entscheidung dar und hat ihre Bedeutung auf dem Markt. Wer diese Art der Landwirtschaft befürwortet, um die steigende Weltbevölkerung zu ernähren, muss neues, bisher unbewirtschaftetes Land nutzen. Ausserdem wären die Quantität und Qualität der Ernten nicht garantiert.

swissinfo.ch: Wie soll eine ausreichende Ernährung der stets steigenden Weltbevölkerung erreicht werden?

Swissaid: Nur eine nachhaltige Landwirtschaft kann dies schaffen. Wenn wir glauben, dass GMO die richtige Antwort auf diese Herausforderung darstellt, werden wir gegen die Wand fahren.

Syngenta: Man muss das Potential der Pflanzen voll ausschöpfen und die modernsten Technologien einsetzen. Nur so kann man das weitere Ausbreiten von Ackerbauflächen vermeiden und die Ernten vor Insekten und Krankheiten schützen. Auch in klimatisch schwierigen Zeiten, beispielsweise Trockenperioden, lassen sich die Ernteerträge erhöhen.

swissinfo.ch: Die Welternährungsorganisation FAO schreibt, dass der Mensch früher Tausende von Pflanzenarten verwendete, um sich zu ernähren. Heute gibt es nur noch 150 Arten, und 12 davon machen 75 Prozent unserer Ernährung aus. Ist dieser Artenverlust nicht besorgniserregend?

Swissaid: Sehr besorgniserregend, weil wir immer stärker von einigen wenigen Arten abhängig sind. Im Falle einer Krankheit oder eines genetischen Problems, läuft man Gefahr, dass die ganze Erde in eine Katastrophe schlingert. Die einseitige Förderung von superproduktiven Pflanzenarten führt zudem dazu, dass lokale Arten, die sich den jeweiligen örtlichen Begebenheiten anpassen können, aussterben.

Syngenta: Auf der ganzen Welt hängt die Landwirtschaft von der Biodiversität und einer grossen Pflanzenvielfalt ab. Nur die optimale Nutzung bestehender Felder kann den Druck auf eine weitere Ausbeutung von Land mit hoher Schutzfunktion, beispielsweise die Regenwälder, vermeiden.

swissinfo.ch: Wie kann beziehungsweise muss die Landwirtschaft auf die klimatischen Veränderungen reagieren?

Swissaid: Alles steht in einem Zusammenhang. Eine umweltgerechte und nachhaltige Landwirtschaft vermeidet industriellen Ackerbau, der verheerende Folgen hat. Die internationale Agrarpolitik fördert leider den Anbau von Kulturen, die für den Export bestimmt sind. Diese Produkte legen Tausende von Kilometern zurück, bevor sie auf dem Teller der Konsumenten landen. Und dies schadet dem Klima.

Syngenta: Indem man die Produktivität bestehender Landwirtschaftsflächen erhöht, lässt sich die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln befriedigen, ohne in Wälder oder neue Ländereien zu expandieren, die viel Kohlenstoff enthalten.

Ein Drittel der vom Menschen erzeugten Emissionen stammt aus der Landwirtschaft. Diese Emissionen können reduziert werden, indem der durch Pflanzen und Böden aufgesogene Anteil von Kohlenstoff erhöht wird.

swissinfo.ch: Welche Grenzen sollte die Patentierung von Pflanzen und Tieren kennen?

Swissaid: Für die agrochemischen Konzerne gibt es keine Grenzen. Diese Unternehmungen massen sich an, natürliche Stoffe zu privatisieren, indem sie Patente auf Pflanzen und Tiere anmelden. Das ist skandalös und muss angeprangert werden.

Für die ganze Menschheit wäre es ungesund und schädlich, wenn einige profitorientierte Privatunternehmen die Entscheide in Ernährungs- und Landwirtschaftsfragen diktieren.

Syngenta: Wenn sich unverändertes genetisches Material in seinem natürlichen Habitat befindet, muss es nicht patentiert werden. Umgekehrt sind Lizenzen nötig, um die Investitionen in die wissenschaftliche Forschung und die Entwicklung neuer Technologien zu fördern.

Die Patente können für alle Produkte oder Produktionsmethoden vergeben werden, wenn sie wirklich innovativ und in industriellem Massstab anwendbar sind. Die Existenz sicherer Rahmenbedingungen für die Rechte geistigen Eigentums kann gerade in Entwicklungsländern das Wachstum einer lokalen Industrie und die ausländischen Investitionen fördern.

Interview Luigi Jorio, swissinfo.ch
(Aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Antworten stammen von den Sprechern Catherine Morand (Swissaid) und Elouisa Dalli (Syngenta)

Der agrochemische Industriekonzern mit Sitz in Basel gehört zu den weltweiten Führenden im Bereich der Biotechnologie.

Das Unternehmen entstand im Jahr 2000 aus einer Fusion der Agrarsparten von Novartis und der englisch-schwedischen AstraZeneca.

Syngenta stellt unter anderm transgenen Mais her und einen Kartoffeltyp, der gegen Peronospora (falscher Mehltau) resistent ist.

Zudem gehört die Gruppe zu den bedeutendsten Herstellern von Pestiziden.

Im Jahr 2007 hat ein EU-Gericht in erster Instanz das von Syngenta produzierte Herbizid Paraquat verboten, weil es nicht EU-Standards entspricht.

Syngenta beschäftigt 24’000 Personen in 90 Ländern.

Im Jahr 2009 lag der Umsatz bei über 11 Mrd. Franken, der Gewinn bei 1,5 Milliarden.

Swissaid ist eine Nichtregierungs-Organisation (NGO) und eines der führenden Hilfswerke der Schweiz .

Die 1948 gegründete Organisation ist in neun Ländern in der Entwicklungszusammenarbeit tätig – in Asien, Afrika und Lateinamerika.

In Landwirtschaftsfragen vertritt Swissaid den Schutz der Biodiversität des Saatguts und kämpft gegen den Einsatz von genetisch modifizierten Organismen (GMO).

Zudem hat die Organisation eine Kampagne gegen die Patentierung von Saatgut und Tieren lanciert.

Die Patentierung verbietet gemäss Swissaid den Bäuerinnen und Bauern die Wiederaussaat des Saatguts, das aus der eigenen Ernte gewonnen wird.

Die Landwirte würden mit der Patentierung in die totale Abhängigkeit der grossen Agrarkonzerne gebracht. Dies müsse verhindert werden.

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