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Standplätze für Fahrende – eine anhaltende Knacknuss

Wildes Campieren ruft die Ordnungshüter auf den Plan. Keystone

Ein kleiner Teil der 30'000 in der Schweiz lebenden Jenischen, Sinti und Roma pflegt die fahrende Lebensweise. Sie sind als Minderheit anerkannt. Dennoch fehlt es an Winterquartieren und Sommerplätzen.

Die rechtliche Ausgangslage ist klar, aber die Umsetzung scheitert immer wieder am lokalen Widerstand.

Die Schweiz ist ein Rechtsstaat und das Recht steht auf Seite der Fahrenden. Der Staat ist verfassungsrechtlich verpflichtet, Bedingungen zu schaffen, die es den Fahrenden ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln.

Konkret: Fahrende haben ein Anrecht auf Standplätze. Das Bundesgericht hat ausserdem vor drei Jahren ein wegweisendes und verbindliches Urteil gefällt, wonach die Bedürfnisse der Fahrenden in der Raumplanung zu berücksichtigen sind.

Die Realität sieht anders aus. Es fehlt an Sommer-Durchgangsplätzen und an Winter-Quartieren. Im Sommer finden laut einem Gutachten lediglich 60% der Fahrenden einen Platz, im Winter sogar nur 40%.

St. Florian ist überall

Staatliche Infrastrukturen haben auch das Ziel, das wilde Campieren einzudämmen und Ordnung zu schaffen. Ordnung, das geht in Ordnung. Die grosse Frage jedoch ist: Wo kommen die Plätze hin?

Politikerinnen und Politiker versprechen regelmässig Lösungen für das Problem. So unterstrich der neue Freiburger Baudirektor Beat Vonlanthen vor zwei Jahren, er werde bis 2005 Lösungen präsentierten: «Die Zeiten der St. Florians-Politik sind vorbei.»

In der Zwischenzeit tagten Arbeitsgruppen, wurden Unterschriften gesammelt, Konsultationen durchgeführt und haben sich Köpfe heiss geredet. Nägel sind indes keine eingeschlagen worden.

«Gegen einen Durchgangsplatz für Fahrende werden wir uns mit Händen und Füssen wehren.» Das führe noch einmal zu mehr Verkehr. Die Feuerwehr hätte Mühe, einen Brand zu löschen. – Die Politiker der betroffenen Gemeinden reagieren unisono: «Plätze gegen das Chaos ja, aber nicht bei uns!»

«Umsatzhemmend»

Der Kanton Freiburg plant in einer Vorortsgemeinde auf einer kantonseigenen Parzelle einen Standplatz, direkt an der Autobahn. In der Nachbarschaft stehen Discount-Fachmärkte, ein Spielcasino. Hamburgerbuden, die Polizeizentrale und Tankstellen.

Das Gewerbe führt die Opposition an. Das Projekt ziehe höhere Sicherheitskosten nach sich, bremse die wirtschaftliche Entwicklung und sei umsatzhemmend. «Dazu kommen Aggressionen, die unsere Kunden zu ertragen hätten, sowie höhere Reinigungskosten», stellte ein Eisenwarenhändler keck fest.

Dasselbe Bild zeigt sich überall dort, wo die Kantone über die Raumplanung Standplätze einrichten wollen. Es hagelt Proteste seitens der Bevölkerung. Die Gemeinden argumentieren mit dem Kostenfaktor.

Das Modell St Gallen

Der Kanton St. Gallen hat einen Modellvertrag ausgearbeitet. Demnach kommt der Kanton für den Bau und die ungedeckten Betriebskosten der Plätze auf. Die Gemeinden sind zuständig für den Betrieb und ziehen die Mieten ein. Ziel ist die Errichtung von sechs neuen Plätzen im Kanton.

Laut dem Bundesrat fehlen in der Schweiz rund 70 Plätze. Die Fahrenden und ihre Organisationen orten mangelnden politischen Willen, fordern den Beitritt der Schweiz zum internationalen Abkommen über die Rechte der indigenen Völker und erhoffen sich davon eine Verbesserung und ein verbindliches Gesetz, das ihre Kultur nachhaltig wahrt.

Der Staat müsste in den Bereichen Standplätze, Spracherhaltung und Berufschancen aktiv werden, hätte anderseits aber auch das Kinderarbeitsverbot durchzusetzen und die Schulbildung zu verbessern.

Skepsis weit verbreitet

Die Landesregierung hat dazu im vergangenen Herbst eine Konsultation durchgeführt. Die definitive Auswertung soll im September vorliegen. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft haben die Kantone aus Angst vor den Folgekosten eher dagegen votiert.

Bei den Parteien hat sich die Linke dafür, die Rechte dagegen ausgesprochen. Die Befürworter einer Ratifizierung des Abkommens weisen darauf hin, dass eine Umsetzung nicht ganz problemlos wäre.

«Sowohl die Weitergabe des traditionellen Handwerks als auch das Kinderarbeitsverbot müssen umgesetzt werden», hält die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus in ihrer Antwort fest und betont: «Hierbei besteht durchaus Spielraum für vernünftige und abgewogene Lösungen.»

Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei bezeichnet das Abkommen als «nicht mit der bisherigen Politik der Schweiz übereinstimmend» und lehnt es genauso ab wie zusätzliche Plätze. «Die angespannte finanzielle Lage des Bundes ist höher zu gewichten als die aktuellen allenfalls bestehenden Engpässe.»

swissinfo, Andreas Keiser

Bis 1973 hat das Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» die Kinder der Fahrenden fremdplatziert und damit das Ziel verfolgt, die fahrende Lebensweise zu zerstören.

Seit 1991 akzeptiert die Schweiz die Fahrenden offiziell als Minderheit.

Im Winter leben sie auf Standplätzen, die Kinder besuchen die lokalen Schulen.

Im Sommer sind sie unterwegs.

Die Kinder bleiben mit der Schule in Kontakt, erhalten den Unterrichtsstoff per Post und schicken die Aufgaben zur Korrektur zurück.

Die meisten Fahrenden sind selbständig erwerbend und arbeiten als Scherenschleifer, Korbflechter, Schausteller und Marktfahrer

Andere restaurieren Möbel oder handeln mit Altmetall, Teppichen oder Antiquitäten.

Standplätze:
2000: 11
2005: 12

Durchgangsplätze:
2000: 51
2005: 44

Fahrende: 3000 – 5000

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