Der Wächter im Orbit
Während wir dank neuer Teleskope immer tiefer ins Weltall blicken können, bauen Forschende der Uni Zürich gemeinsam mit der Nasa Spektroskopie-Systeme, um die Erde vom Weltraum aus zu inspizieren. Perrine Huber von Swissnex San Francisco bekam Einblick in das Projekt.
Michael Schaepman will verstehen, wie sich unser Planet im Zeitalter der globalen Klimakrise verändert und welche Folgen das haben wird. Der Professor für Fernerkundung am Geographischen Institut der Universität ZürichExterner Link arbeitet zusammen mit anderen Schweizer und US-Forschern an einem neuen Spektrometer, das vom Weltraum aus die Erde überwachen soll.
Zwei Tage lang begleitete ich Schaepman und eine Gruppe aus der Schweiz bei einem Besuch im Jet Propulsion Laboratory (JPL)Externer Link der Nasa im kalifornischen Pasadena. Mit dem Treffen wurde ein Gemeinschaftsprojekt eingeleitet, das zum Ziel hat, die Biodiversität auf der Erde abzubilden. Swissnex San Francisco, das Schweizerische Innovations- und Kooperationszentrum im kalifornischen San Francisco, war am Aufbau des Projekts beteiligt.
Viel Information im Licht
Die Forschenden wollen einen neuen Sensorkopf für bildgebende Spektrometer bauen. Es ist Teil des Ares-Projekts (Airborne Research Facility for the Earth SystemExterner Link), einer Forschungsinfrastruktur zur regionalen Messung von Prozessen auf der Erdoberfläche.
Ein solcher Spektrometer nimmt Fotos auf und misst in jedem Pixel die verschiedenen Farbanteile des Lichts. So sehen die Forscher zum Beispiel, welcher Anteil des Sonnenlichts von welcher Baumkrone reflektiert wird. Daraus wiederum können Rückschlüsse auf die chemischen Stoffe im Blattwerk gewonnen werden.
Das Projekt sei «eine Art Grenzauslotung bei der Kartierung und Erklärung von Schlüsselprozessen auf der Erde», sagt Schaepman. Er arbeitet seit rund zehn Jahren mit dem JPL zusammen und ist wissenschaftlicher Leiter von Ares sowie Apex Airborne Imaging Spektrometers, einem Projekt, das flugzeuggestützte Bildspektrometeraufnahmen ermöglicht.
Die schweizerisch-amerikanische Zusammenarbeit zielt darauf ab, drei Komponenten des Erdsystems abzubilden:
● Die Biosphäre: Das ökologische System, in das alle Lebewesen eingebunden sind.
● Die Lithosphäre: Die äussere Schicht der Erde, welche die Erdkruste und den äussersten Teil des Erdmantels umfasst.
● Die Kryosphäre: Die gefrorenen Teile der Erdoberfläche wie Gletscher, Eiskappen und Schneedecken.
Die Forschenden möchten aus den Daten vor allem eine übergeordnete Frage beantworten: Wie wirken sich Umweltverschmutzung, Ressourcenausbeutung, Klimawandel und andere globale Faktoren auf das Erdsystem aus? Die Antwort soll letztendlich Prognosen darüber erlauben, wie sich unsere Welt in Zukunft verändern wird.
«Einzigartige Gelegenheit»
Die Universität Zürich ist speziell an der Bewertung der Rückkopplungsmechanismen von Biodiversität und Klimawandel interessiert. Ebenso involviert sind weitere Schweizer Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschulen ETH und EPFL, der Eidgenössischen Hochschulen für Wasserwissenschaften, Materialwissenschaft und Technologie (Eawag und Empa), der Universitäten Lausanne und Freiburg sowie der ICES-Stiftung.
Gemeinsam werden sie Daten aus dem Projekt zur Beantwortung wichtiger Fragen in ihren jeweiligen Forschungen verwenden. Die Infrastruktur steht aber allen interessierten Wissenschaftlern im In- und Ausland zur Verfügung.
Laut Michael Schaepman gibt es weltweit nur eine Handvoll Branchen, die in der Lage sind, bildgebende Spektrometer zu bauen. Daher sei es für die Uni Zürich und das JPL eine einzigartige Gelegenheit, gemeinsam hochwertige Instrumente zu entwickeln. Der Bau hat begonnen und wird rund zwei Jahre in Anspruch nehmen.
«JPL wird den optischen Kopf bauen, der unter anderem den Detektor, die gesamte Optik und die Ausleseelektronik enthält «, sagt er. Die Universität Zürich wiederum werde sich um alle elektronischen Teile, zum Beispiel die Navigationssensoren, kümmern und zudem Instrumente, etwa eine hochauflösende Kamera, in das System integrieren.
Mit diesem Projekt werde die Tradition der Weltraumnation Schweiz fortgeführt, ist er überzeugt. «Mit Schlüsseltechnologien, Analysen und Forschungsergebnissen trägt die Schweiz seit langem erfolgreich zur internationalen Weltraumforschung bei.» Er hofft vor allem, dass durch dieses Projekt ein Durchbruch bei der Messung der globalen Artenvielfalt erreicht wird.
Zu gross für einen Alleingang
Schaepman weist auf die Bedeutung solcher Projekte hin, welche Staatsgrenzen und Forschungseinrichtungen überschreiten. «Um Umweltveränderungen vorhersagen zu können, muss das Erdsystem ganzheitlich angeschaut werden», sagt er. «Und damit das gelingt, müssen sich Top-Leute zu einem Team formieren und stets das Gesamtbild im Auge behalten.»
Das sehen die Leute bei der Nasa ganz ähnlich. Eugene Tu, der Direktor des NASA Ames Research Center, sprach kürzlich anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Mondlandung am Swissnex-Zentrum in San Francisco und unterstrich dabei die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit in der Wissenschaft:
«Es liegt definitiv ausserhalb der Ressourcen einer einzelnen Nation, das intellektuelle Kapital sowie das Knowhow in Bezug auf Finanzen und Ressourcen für grosse Weltraum-Projekte zusammenzustellen», sagte er. «Ich bin überzeugt, dass wir international zusammenspannen müssen, um in Zukunft den Weltraum zu erforschen.»
Perrine Huber ist Kommunikationsverantwortliche bei Swissnex San FranciscoExterner Link, dem Schweizerischen Innovationszentrum in der nordkalifornischen Metropole San Francisco.
Das Zentrum ist Teil des weltweiten Swissnex-NetzwerksExterner Link, das Hochschulen, Start-ups und andere Partner bei der Vernetzung und ihrem Engagement im Austausch von Wissen, Ideen und Talenten unterstützt.
Swissnex geht auf eine Initiative des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation zurück. Die Tätigkeiten des Netzwerks gründen auf öffentliche und private Partnerschaften und Finanzierungen.
(Übertragung aus dem Englischen: Christoph Kummer)
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