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Arbeiten nach der Pensionierung – für manche optional, für andere eine Notwendigkeit

Ältere Hände schneiden eine Karotte
Keystone / Christian Beutler

Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) waren 2023 17,8% der 65-74-Jährigen in der Schweiz erwerbstätig, fast doppelt so viele wie der europäische Durchschnitt (9,7%). Während einige aus Vergnügen weiterarbeiten, haben andere keine Wahl: Gemäss Pro Senectute lebt jede:r fünfte Rentner:in unterhalb der Armutsgrenze oder ist von Armut bedroht.

Seit zwei Jahren besucht Florian Röcker regelmässig das Paketzentrum der Post in Daillens (VD). Er hat dort seine Karriere als Angestellter beendet, nachdem er „über 45 Jahre im Unternehmen gearbeitet hat“, wie er gegenüber RTS sagt.

Soziale Bindung und wirtschaftlicher Anreiz

Mit 16 begann er seine Lehre bei der damaligen PTT. 30 Jahre lang verteilte er Karten und Pakete, dann wurde er Gruppenleiter im Paketzentrum. Er war bereits zwei Jahre im Vorruhestand, als er erfuhr, dass das Paketzentrum nach Gruppenführer:innen für Besichtigungen suchte – und ergriff die Gelegenheit.

«Körperlich ging es mir gut. Ich wohne nicht sehr weit vom Paketzentrum entfernt und es hat mich interessiert, meine ehemaligen Kollegen wiederzusehen», sagt er im Gespräch mit RTS.

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Jeder Besuch bringt ihm für drei Stunden Arbeit etwa 100 Franken ein: ein nebensächlicher Betrag für den Waadtländer, der sein eigenes Haus besitzt und etwa 6000 Franken im Monat erhält, einschliesslich der AHV-Rente seiner Frau.

Positiv für beide Seiten

Auch das Unternehmen profitiert davon, sagt Domingo Olaya, technischer Leiter des Paketzentrums in Daillens. «Jemanden zu haben, der verfügbar ist, nicht weit weg wohnt und je nach Bedarf zur Verfügung steht, kommt allen Beteiligten entgegen.»

Zumal, wie Olaya weiter ausführt, Röcker das Haus gut kennt. «Wenn er eine Tour macht, erklärt er nicht etwas, was er gelernt hat, sondern was er erlebt hat.»

Im Paketzentrum ist Röcker der einzige Rentner, der bei der Post angestellt ist. Aber die Schweizerische Post beschäftigt fast 1000 Rentner:innen, hauptsächlich im Vertrieb und bei der Tochtergesellschaft Postauto.

Sie ist eines der wenigen grossen Schweizer Unternehmen, die eine solche Beschäftigungspolitik für Rentner:innen pflegen.

Lösung für den Fachkräftemangel

In der Schweiz arbeitet durchschnittlich ein Drittel der 65-Jährigen weiter, mit 74 Jahren sind laut BFS noch 15% der Männer und 7% der Frauen erwerbstätig. Zahlen, die einige gerne erhöht sehen würden, wie zum Beispiel der Schweizerische Arbeitgeberverband.

Für den Verantwortlichen der Westschweiz, Marco Taddei, sind Rentner:innen im aktuellen Kontext eine unverzichtbare Arbeitskraft: «Wir befinden uns in einem Kontext des Fachkräftemangels mit einer historischen Dimension, die in der Schweiz neu ist, und einer strukturellen Dimension, die mit der Alterung der Bevölkerung zusammenhängt. Wir möchten, dass diejenigen, die dazu in der Lage sind, auf freiwilliger Basis länger arbeiten können.»

Aufgrund der letzten AHV-Reform können Rentner:innen für Arbeitgeber:innen billiger werden, da die Sozialversicherungsbeiträge nach dem 65. Lebensjahr sinken: Die Beiträge für die zweite Säule und die Arbeitslosenversicherung entfallen, und für die AHV-Beiträge gilt ein Freibetrag von 1400 Franken pro Monat oder 16’800 Franken pro Jahr.

Der Arbeitgeberverband hält diese Schwelle für ein Hindernis für die Einstellung von Rentnern:innen. «Wir würden uns wünschen, dass diese Schwelle angehoben oder ganz abgeschafft wird», sagt Taddei.

Hindernisse bei der Einstellung

Ein Unternehmen, das den Bedarf an Arbeitskräften frühzeitig erkannt hat, hat sich auf die Vermittlung von Menschen im Ruhestand spezialisiert: das Unternehmen Activis der Interiman Group.

Frédérique Béguin, die das Unternehmen seit einem Jahr leitet, stellt eine starke Nachfrage fest. «Innerhalb eines Jahres haben sich mehr als 850 Personen angemeldet», sagt sie, merkt aber an, dass es schwierig ist, Unternehmen zu finden, die bereit sind, Rentnerinnen und Rentner einzustellen.

«Die Reaktion ist noch zaghaft. Sie wissen nicht genau, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Sie haben keine Erfahrung. Vielleicht gibt es eine Voreingenommenheit gegenüber diesem Typ Mensch.»

Activis achtet stets darauf, die Unternehmen über die geringeren Kosten von Rentner:innen zu informieren, aber das scheint nicht auszureichen, um sie zu überzeugen. «Wir haben einige Verträge unterzeichnet, aber weniger als wir erhofft hatten», sagt Béguin.

Die Schwierigkeiten, auf die sie bei der Vermittlung von Rentner:innen gestossen ist, werden durch eine Studie bestätigt, die dieses Jahr von Pro Senectute und deren Programm «AvantAge» durchgeführt wurde.

Auf die Frage, ob sie bereit wären, Arbeitnehmende im Alter von 55 bis 59 Jahren einzustellen, antworteten 6% der Westschweizer Unternehmen mit Nein. In Bezug auf Arbeitnehmende über 65 Jahren lehnten dies 52% der Unternehmen kategorisch ab.

Diese Ergebnisse lassen sich zum Teil durch Vorurteile gegenüber älteren Menschen erklären, heisst es in der Studie. Man befürchte zum Beispiel, dass sie sich im Umgang mit Software-Tools nicht wohlfühlen würden, gesundheitliche Probleme hätten oder teurer seien.

Béguin sensibilisiert Unternehmen für das Engagement von Rentner:innen. Gleichzeitig rät sie aber angehenden Rentner:innen, sich zunächst mit ihren Arbeitgeber:innen auszutauschen, um einen längeren Verbleib im Unternehmen in Betracht zu ziehen. «Das ist vielleicht am sinnvollsten», sagt sie.

Die von Activis vermittelten Rentner:innen sind meist qualifiziert und arbeiten im Dienstleistungssektor. Andere erwartet eine ganz andere Realität, sagt René Knüsel, Politologe und Spezialist für das Altern an der Universität Lausanne.

«Es sind oft Arbeiten, die körperlich anspruchsvoll sind und die man mit 70, 75 oder 80 Jahren nicht mehr ausführen kann. Wahrscheinlich ein Drittel der Personen, die weiter oder sogar noch mehr arbeiten, machen weiter, weil sie keine andere Wahl haben», sagt er.

Nicht für alle eine Wahl

Monique Buchs gehört zu jener Gruppe von Rentner:innen, die keine andere Wahl haben. Ein- bis zweimal pro Woche zieht sie den Dzaquillon an, die traditionelle Freiburger Kleidung, um in einem Touristenrestaurant im Städtchen Greyerz zu arbeiten.

Sie ist heute 71 Jahre alt und hat seit ihrem 15. Lebensjahr ununterbrochen gearbeitet: zuerst als Lehrling in der Uhrenfabrik, dann im Hotel- und Gaststättengewerbe. Als sie in Rente ging, stellte sie fest, dass ihr Einkommen nicht ausreichen würde, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

«Als ich gesehen habe, was ich als AHV-Leistung und 2. Säule erhalte, habe ich mir gesagt, dass ich nicht davon leben kann. Was machen Sie mit 2400 Franken im Monat? (…) Sie bezahlen Ihre Miete, Ihre Krankenversicherung, das kostet Sie schon die ganze AHV. Und dann bleiben Ihnen noch 600 Franken, um den Rest zu bezahlen.»

Ihr Chef Beat Buchs war bereit, sie nach ihrer Pensionierung weiterhin in jener Stelle zu beschäftigen, die sie seit 17 Jahren ausübt. «Wir versuchen, sie so gut wie möglich zu schonen, sie an Tagen einzusetzen, an denen es etwas ruhiger ist, weniger am Wochenende», sagt er. «Ich kann nicht verstehen, wie sie immer noch so arbeiten kann. Sie hat eine starke Moral!»

Monique Buchs weiss nicht, bis zu welchem Alter sie weiterarbeiten wird, aber sie rechnet bereits mit gesundheitlichen Problemen. «Solange man keine gesundheitlichen Beschwerden hat, ist es in Ordnung. An dem Tag, an dem gesundheitliche Probleme auftauchen, wird es viel schwieriger.»

Sie ist eine Frau mit niedrigem Bildungsniveau und kommt aus einer ländlichen Gegend. Monique Buchs vereint somit alle Faktoren, die das Armutsrisiko erhöhen. Wie ihr geht es fast 300’000 Rentner:innen in der Schweiz, die ihren wohlverdienten Ruhestand nicht geniessen können.

Übertragung aus dem Französischen mit Hilfe von DeepL: Claire Micallef

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