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Auslandschweizer:innen wollen starke SRG und Fortschritte bei den Bilateralen

Auslandschweizer-Rat
Auf dem Podium diskutieren: Larissa Bieler, Hans-Ulrich Bigler und Casper Selg (von links). Filippo Lombardi moderiert. Nicolas Brodard/ASO

Ja zu zügigen Verhandlungen mit der EU, Nein zu einem Abbau bei der SRG: Zwei grosse Themen der Schweizer Politik wurden am jährlichen Treffen der Auslandschweizer:innen vertieft – und mit Forderungen versehen. 

Die Haltung der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland zu den beiden Themen ist allgemein bekannt, und der Vorstand hat zwei entsprechende Resolutionen bereits fertig formuliert, als auf dem Podium die Diskussionen starten.

Hans-Ulrich Bigler, bis vor kurzem Direktor des Schweizer Gewerbeverbands, heute Mitglied der SVP, übernimmt die Rolle des Redners in der Höhle des Löwen. Er argumentiert zuerst für die sogenannte Halbierungsinitiative wie danach auch gegen schnelle Zugeständnisse bei den aktuellen Verhandlungen mit der EU.

Die Halbierungsinitiative will die obligatorische Medienabgabe in der Schweiz auf 200 Franken pro Haushalt senken und die Unternehmen aus der Abgabepflicht befreien. «Wir bezahlen die weltweit höchste Fernsehsteuer «, sagt Hans-Ulrich Bigler.

Was soll die SRG leisten?

Die Initiative wolle, dass in der Schweiz die Frage diskutiert werde, was denn Service Public und der Grundauftrag der SRG sei. Denn: «Die Monopolstellung der SRG steht im Wettbewerb zu den privaten Medien, die von der SRG mit Steuergeldern von 1,2 Milliarden pro Jahr konkurrenziert werden.»

Larissa Bieler
Larissa Bieler: «Jede Stelle in der SRG generiert auch eine Stelle in der Privatwirtschaft.» Nicolas Brodard/ASO

Larissa Bieler, die Direktorin von SWI swissinfo.ch, einer Unternehmenseinheit der SRG, antwortet: «Service Public bedeutet, in die Nischen zu gehen, die am Markt nicht refinanzierbar sind.» Sie erwähnt den Sport, sagt, dass ohne die SRG über 95% aller Sportarten in der Schweiz schlicht nicht mehr berichtet würde.

«Der Markt macht die Medien leider kaputt»

Auch unterstreicht sie die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der SRG. 2400 bis 3000 SRG-Arbeitsplätze würden bei einer Annahme der Initiative verschwinden, rechnet sie vor. «Jede Stelle in der SRG generiert auch eine Stelle in der Privatwirtschaft», sagt Larissa Bieler.

Als dritter auf dem Podium spricht sich auch Casper Selg gegen die Halbierungsinitiative aus. Selg hat 35 Jahre für die SRG gearbeitet. Heute kämpft er als Mitglied der Allianz pro-medienvielfalt.chExterner Link gegen die Halbierungsinitiative. Gerade in der direkten Demokratie Schweiz würden die Bürger:innen allgemein zugängliche, qualitativ gute und unabhängige Medien benötigen, um gute Entscheidungen zu treffen, sagt er.

«Der Markt macht die Medien leider Gottes kaputt. Doch das Geld fliesst nicht zur SRG ab, sondern zu den Internetgiganten», argumentiert er. Darum sei es «unglaublich wichtig, dass eine Quelle erhalten bleibt, die immer noch Vertrauen geniesst.»

Hält die SRG die Schweiz zusammen?

Die anschliessende Diskussion unter den Ratsmitgliedern bringt sowohl SRG-kritische Voten wie auch explizite Unterstützung für die SRG hervor. Kritisiert wird eine von einigen als links wahrgenommene Ausrichtung der SRG-Medien. Lob gibt es für die Rolle der SRG beim nationalen Zusammenhalt. Sie baue Brücken zwischen den Sprachregionen, zwischen Minderheiten und Mehrheiten, aber auch zwischen der Schweiz und ihrer Diaspora, sagen die Ratsmitglieder.

Diese Voten spiegeln die Meinung der Mehrheit. Die Resolution des Vorstands erhält einen Zuspruch von 80% der Anwesenden. Damit spricht sich der Auslandschweizer-Rat insgesamt entschieden gegen die Halbierungs-Initiative aus.

François Baur, Economiesuisse
François Baur, Economiesuisse Nicolas Brodard/ASO

Das zweite Panel befasste sich mit den Verhandlungen über die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Im März 2024 beschlossen beide Seiten, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um mehrere Abkommen zur Regelung ihrer gegenseitigen Beziehungen abzuschliessen.

Das Verhandlungsmandat umfasst unter anderem folgende Themen: Stromversorgung, Landverkehrsabkommen, Abkommen über Agrarprodukte, Einwanderung, Lohnschutz und institutionelle Elemente. Das Freihandelsabkommen ist nicht Teil des Verhandlungsmandats.

Lesen Sie hier, was der Auslandschweizer-Rat am Kongress entschieden hat:

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«Wir sprechen hier von einer halben Million Menschen», sagte der ASO-Präsident Filippo Lombardi. Fast 470’000 Schweizerinnen und Schweizer leben nämlich in einem Land der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).

Seit die Schweiz das Rahmenabkommen mit der EU im Jahr 2021 aufgegeben hat, ist die Diaspora besorgt über die möglichen Folgen, wenn kein Weg gefunden wird. «Es ist notwendig, die Beziehungen zur EU zu stabilisieren», sagte der sozialdemokratische Genfer Ständerat und ASO-Vorstandsmitglied Carlo Sommaruga. Obwohl einige kritische Elemente bestehen bleiben, lobte er die Arbeit, die der Bund in diesem Bereich bereits geleistet hat.

Nur die SVP ist dagegen

Alle politischen Parteien und Wirtschaftsverbände befürworten neue Abkommen, mit Ausnahme der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Hans Ulrich Bigler, der dieser Partei angehört, stellt die Notwendigkeit des Zugangs zum europäischen Markt nicht in Frage. Er ist jedoch der Ansicht, dass die Abkommen wesentliche Aspekte der Staatspolitik ansprechen, die kritisch geprüft werden müssen.

Er warnte insbesondere vor der automatischen Übernahme von EU-Recht.

«Einzelfälle kommen nicht vor den EUGH»

François Baur von Economiesuisse reagierte sofort auf die Argumente: «Wenn man beispielsweise an Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus der EU und einem Schweizer Unternehmen denkt, ist es absolut unrealistisch, dass einzelne Schweizer Fälle vom Europäischen Gerichtshof EUGH behandelt werden».

In Bezug auf die Migration wies er darauf hin, dass die Schweiz aufgrund des Wachstums der Bevölkerung nicht in der Lage sein werde, den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen, insbesondere die Lücken, die in den nächsten Jahren von den «Babyboomern», den nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Menschen, hinterlassen werden.

François Baur und Carlo Sommaruga sagten auch, dass die Schweiz von der EU nicht mehr unter Druck gesetzt werde. Mit diesen neuen Verhandlungen «sind wir von der bisherigen Logik der Erpressung abgekommen», sagte Carlo Sommaruga und bezog sich dabei auf den Ausschluss der Schweiz von bestimmten Programmen, wenn sie sich nicht den Regeln des Binnenmarkts beugte.

Auslandschweizer:innen offen für die EU

Der Genfer Ständerat ist der Ansicht, dass das Parlament und das Volk jetzt auf die bevorstehende Abstimmung vorbereitet werden müssen und warnte: «Sollte das Volk überraschenderweise Nein sagen, könnte die EU danach sehr viel härtere Bedingungen stellen.»

Die Argumente der SVP haben nicht überzeugt, denn 84% der 74 Stimmberechtigten stimmten der Resolution der ASO zu, die den Bundesrat auffordert, bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Bilateralen III die Interessen der in den EU-/EFTA-Staaten lebenden Schweizer:innen zu berücksichtigen.

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