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Auslandschweizer-Rat: Kandidaturen zuhauf, aber wie erreichen sie die Wählerinnen und Wähler?

Abstimmung im Auslandschweizerrat
Das Amt des Auslandschweizer-Rats erfreut sich grosser Beliebtheit: 150 Kandidierende stellen sich für den Auslandschweizer-Rat in den 13 Wahlkreisen zur Direktwahl. Auslandschweizer-Organisation (ASO), SwissCommunity / Adrian Moser

Im Frühling können Schweizerinnen und Schweizer aus über 40 Ländern ihre Vertretung im Auslandschweizer-Rat wählen – doch das Interesse an den Direktwahlen scheint noch gering. An Kandidierenden mangelt es nicht, aber für den Wahlkampf fehlen die Gefässe.

Dieses Jahr stehen die Erneuerungswahlen des Auslandschweizer-Rats für die Legislaturperiode 2025-2029 an. 140 Sitze müssen neu besetzt werden, 120 davon mit Vertreterinnen und Vertreter aus dem Ausland. Davon werden 47 per elektronischer Direktwahl vergeben.

Damit geht der Auslandschweizer-Rat sein chronisches Demokratiedefizit in einem bisher nie dagewesenen Ausmass an.

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Zwischen dem 12. April und dem 11. Mai 2025 könnten alle volljährigen und bei einer Schweizer Vertretung registrierten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in über 40 verschiedenen Ländern ihr «Parlament» wählen.

Sie hätten eine grosse Auswahl: 150 Kandidierende stellen sich für den Auslandschweizer-Rat in den 13 Wahlkreisen zur Wahl.

Könnten und hätten.

Dass während eines Monats erstmals seit den elektronischen Wahlen 2017 in Mexiko und Australien Direktwahlen für das sogenannte Parlament der Fünften Schweiz stattfinden, wird Tatsache.

Entsprechende Forderungen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Denn bisher entsandten die Schweizer Vereine in aller Welt meist Delegierte in diesen Rat.

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Deutschland: So viele Kandidierende wie noch nie

Doch jetzt zeigt sich auch, wie gross die Herausforderungen dabei sind. Denn das Interesse an den Wahlen im neuen System scheint in der potenziellen Wähler:innenschaft der Diaspora noch nicht allzu gross zu sein.

Wählen können nämlich alle Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnsitz im Ausland, unabhängig davon, ob sie Mitglied in einem Schweizer Verein sind oder nicht.

Einfach zu adressieren ist dieses heterogene, breit verteilte Elektorat aber nicht. Dies hat jüngst eine Online-Wahlveranstaltung der Auslandschweizer-Organisation Deutschland – der Dachorganisation von rund 40 Schweizervereinen und Wirtschaftsclubs in Deutschland – gezeigt.

Im nördlichen Nachbarn der Schweiz leben nach Frankreich die meisten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer – 99’582 sind es an der Zahl.

Der Schweizer Diaspora in Deutschland stehen zehn Sitze im Auslandschweizer-Rat zur Verfügung, gewählt werden acht Ratsmitglieder und zwei Stellvertreter:innen – dies nun zum ersten Mal per demokratischer Online-Direktwahl.

Als Kandidierende für die Deutschland-Sitze im Auslandschweizer-Rat stellen sich 28 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zur Verfügung. «Es sind mehr Kandidierende als in den letzten Jahren», stellt Wahlkoordinator Stephan Frei erfreut fest.

Das Departement für Auswärtige Angelegenheiten EDA unterstützt die Auslandschweizer-Organisation beim Versand der Informationen zur Wahl des Auslandschweizer-Rats. «Dieser Versand hat erheblich zur Steigerung der Anzahl Kandidatinnen und Kandidaten beigetragen», so Frei.

Der Auslandschweizer-Rat vertritt die Interessen der Schweizer:innen im Ausland. Er ist die politische Stimme dieser Gemeinschaft gegenüber der Schweizer Regierung, der Öffentlichkeit und anderen Institutionen.

Zu seinen Hauptanliegen gehören etwa die Wahrung des Stimm- und Wahlrechts, die Verbesserung der konsularischen Dienstleistungen, die Mitwirkung in gesellschaftlichen und politischen Fragen sowie die Förderung der kulturellen Verbundenheit mit der Schweiz. 

Der Auslandschweizer-Rat ist zugleich das politische Diskussions- und Entscheidungsorgan der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

Er setzt sich aus 120 Delegierten zusammen, die von den im Ausland lebenden Schweizer Bürger:innen gewählt werden, sowie aus 20 Mitgliedern in der Schweiz, die aus Politik, Wirtschaft und Kultur stammen.

Das Feuer wurde (noch) nicht entfacht

Damit sich die Wählenden in Deutschland ein Bild machen konnten über die Kandidaturen, organisierte die Auslandschweizer-Organisation Deutschland kürzlich eine Online-Wahlveranstaltung an einem Sonntagabend auf Zoom. Alle anwesenden Kandidatinnen und Kandidaten konnten sich mit einer Redezeit von zwei Minuten vorstellen.

Da ist der St. Galler Jurist in Berlin, der im KI-Bereich arbeitet, die Basler Balletttänzerin und Choreografin, die in Chemnitz unter anderem ein Festival organisiert, die junge Luzerner Mutter, die in München für einen Schweizer Arbeitgeber tätig ist oder die Auslandschweizerin zweiter Generation, die sich als Auslandschweizer-Rätin für die jungen Schweizerinnen und Schweizer in Deutschland einsetzen möchte.

Die Lebensläufe der Kandidierenden sind spannend, die Motivation sich für den Auslandschweizer-Rat zu bewerben vielfältig.

Doch: «So begeistert wir über das Interesse an der Funktion des Auslandschweizer-Rats sind, so enttäuscht sind wir über das Interesse an diesem Termin», schreibt Wahlkoordinator Frei auf Anfrage von SWI swissinfo.ch.

An diesem Sonntagabend haben sich nur 29 Teilnehmende zugeschaltet. Auch ein Kandidierender bringt im Call seine Enttäuschung zum Ausdruck: Von den 29 Teilnehmenden seien mindestens zwei Drittel Kandidierende. Sie hätten sich nun gegenseitig vorgestellt.

«Das ist doch irgendwie schade», sagt der Professor für Molekularbiologie aus Aachen. Er habe sich vorgestellt, dass an dieser Wahlveranstaltung mehr Interessierte dabei sein werden.

Kandidatinnen und Kandidaten gäbe es also mehr als genug – eine Plattform, um Wahlkampf zu machen aber fehlt. «Wir sind zuversichtlich, dass wir bis zur Wahl eine Trendwende hinkriegen», schreibt Frei angesprochen auf die tiefe Beteiligung an der Veranstaltung.

Die Auslandschweizer-Organisation Deutschland habe ein grosses Interesse an den Wahlen selbst erfahren. «Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Teilnehmenden am Sonntag nicht die Anzahl der Wählenden repräsentiert», so Frei.

Editiert von Balz Rigendinger.

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Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

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Im Frühling finden die Neuwahlen des Auslandschweizer-Rats für die Legislaturperiode 2025-2029 statt. Für was sollen sich die künftigen Delegierten einsetzen?

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