Der Ausbau der Autobahnen wurde von der Diaspora deutlich unterstützt
Im Gegensatz zur ganzen Schweiz, die am Sonntag mit fast 53% den von der Regierung gewünschten Autobahnausbau ablehnte, sprachen die Schweizer:innen im Ausland ein klares Ja aus. Die Fünfte Schweiz stimmte einer Verschärfung der Untermiete zu.
Obwohl bereits in der ersten SRG-Umfrage vorausgesagt, kommt das klare Ja (über 57%, 10 Prozentpunkte mehr als in der gesamten Wähler:innenschaft) der Auslandschweizer:innen zum Ausbau der Autobahnabschnitte überraschend. Es ist auch schwer zu interpretieren.
Üblich ist, dass die Diaspora und die Inlandbevölkerung unterschiedlich abstimmen (obwohl der Umfang der Analysen dadurch eingeschränkt wird, dass nur 12 von 26 Kantonen separate Statistiken über die Stimmabgabe ihrer im Ausland lebenden Bürger:innen liefern).
Doch traditionell kommen die umweltfreundlichsten und linksgerichteten Stimmen von Menschen im Ausland; nicht von denen, die in der Schweiz leben. Das letzte Beispiel dafür erfolgte im September, als eine Mehrheit der Diaspora die Initiative für Biodiversität unterstützte, obwohl sie auf nationaler Ebene gescheitert war.
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Am Sonntag war das Gegenteil der Fall. Die Politologin Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern staunt über dieses Ergebnis, das «im Widerspruch zum üblichen Muster» steht, und räumt ein, dass sie nur Hypothesen zur Erklärung liefern kann. «Die Tatsache, dass die Diaspora den Empfehlungen der Behörden stärker folgt, ist keine ausreichende Erklärung», sagt sie.
Auslandschweizer:innen, die nur gelegentlich in die Schweiz zurückkehren, könnten die zunehmende Fahrzeugdichte auf den Strassen stärker wahrnehmen als Personen, die in der Schweiz leben. Ein Teil von ihnen könnte auch aus pendelnden Grenzgänger:innen bestehen, aber es gibt keine Daten, die dies belegen.
Ein weiterer Grund für den Unterschied könnte der Vergleich der Schweizer Autobahninfrastruktur mit derjenigen im Ausland sein: «Auslandschweizer:innen könnten daran gewöhnt sein, auf breiteren Autobahnen zu fahren als in der Schweiz und dies als Normalität zu betrachten», meint die Politologin.
Schliesslich könnte auch der Wert, der der Mobilität beigemessen wird, eine Rolle spielen: «Es gehört zum Lebensstil von Personen, die im Ausland leben, dass sie viel unterwegs sind. Vielleicht haben sie verinnerlicht, wie wichtig eine reibungslose und gut funktionierende Mobilität ist.»
Laut der Expertin bleibt das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizer:innen zu diesem Thema jedoch ziemlich rätselhaft. Dies umso mehr, als die von den Gegner:innen der Erweiterungen aufgeworfene Problematik des induzierten Verkehrs – «mehr Strassen führen zu mehr Verkehr» – international ist und die Auslandschweizer:innen in Umfragen mehrheitlich mit dieser Aussage einverstanden zu sein schienen.
Auf Missbrauch der Untervermietung sensibilisiert
Ein weiterer Punkt, bei dem sich das Abstimmungsverhalten der Fünften Schweiz von dem ihrer Landsleute im Inland unterscheidet, ist die Änderung des Mietrechts in Bezug auf die Untermiete. Während das Gesamtelektorat sie mit fast 52 % ablehnte, nahmen die im Ausland ansässigen Abstimmenden, für die Statistiken vorliegen, sie mit fast 54 % an.
Bei diesem Thema ist es möglich, dass die negativen Auswirkungen der kommerziellen Untervermietung über Plattformen wie AirBnB bei der Abstimmung in der Diaspora stärker ins Gewicht fielen, meint Mousson.
In den Umfragen vor der Abstimmung stimmte die Wähler:innenschaft insgesamt mehrheitlich der Idee zu, dass solche touristischen Untervermietungen zu Missbrauch führen und die Wohnungskrise anheizen können. Und «diese Problematik wird im Ausland stärker angegangen als in der Schweiz, zum Beispiel in einigen europäischen Grossstädten», stellt die Politologin fest.
Keine Unterschiede bei den anderen Vorlagen
Die Diaspora stimmte bei den beiden anderen Vorlagen, die am Sonntag zur Abstimmung standen, ähnlich wie der Rest des Landes ab. Sie lehnte die andere Änderung des Mietrechts (die vorzeitige Kündigungen von Mietverträgen bei Eigenbedarf der Vermieter:in erleichtern wollte) etwas stärker ab als das gesamte Elektorat.
Was die einheitliche Finanzierung der Gesundheitsleistungen betrifft, so akzeptierte sie diese wie die gesamte abstimmende Bevölkerung, wenn auch etwas stärker.
Schwache Mobilisierung
Insgesamt wird die Abstimmung vom 24. November 2024 nicht als eine besonders leidenschaftliche in die Geschichte eingehen. Auf nationaler Ebene mobilisierte die Abstimmung 45% der Stimmberechtigten, was etwas unter dem Niveau der letzten Abstimmungen liegt: Die durchschnittliche Stimmbeteiligung bei Abstimmungen in den letzten fünf Jahren lag bei rund 50%.
Auch bei den Schweizer:innen im Ausland lag die Stimmbeteiligung mit knapp über 21% im unteren Bereich, während der Durchschnitt der letzten Abstimmungen bei etwas über 25% lag.
Martina Mousson weist auf die Diskrepanz zwischen den eingesetzten Mitteln und dem Interesse hin: Das Budget für die Abstimmungskämpfe war das höchste im Jahr 2024, dem ersten Jahr, in dem die Transparenzpflicht gilt.
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Janine Gloor
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