Der makabre Tanz der Ameise… und andere Schweizer Banknoten
Die Schweizerische Nationalbank geht bei der Gestaltung und Herstellung aller ihrer Banknoten mit Bedacht vor. Einige der in der jüngeren Geschichte produzierten Noten haben es dank ihres Designs in das kollektive Gedächtnis der Schweiz geschafft.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat vor kurzem einen Wettbewerb zur Gestaltung der Banknoten der 10. Serie ausgeschrieben, welche die derzeit im Umlauf befindlichen Banknoten ersetzen wird.
«Die Schweiz und ihre Höhenlagen» ist das Thema, an das sich die Designer:innen halten müssen, die teilnehmen möchten.
«Die künftige Serie soll der einzigartigen Topografie der Schweiz, vom Jura über das Mittelland bis zu den Alpen, gewidmet sein und das ganze Land abbilden, von den tiefsten Tälern bis zu den höchsten Gipfeln.
Die Banknoten sollen das vielfältige Leben, welches sich auf unterschiedlichen Höhenlagen abspielt, wiedergeben», sagte der SNB-Direktoriumsvorsitzende Martin Schlegel am 30. Oktober.
Banknoten zu schaffen, die nicht nur funktional, sondern auch schön sind, ist für jede Zentralbank wichtig. Für die föderalistische Schweiz des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war es aber auch eine Frage der nationalen Einheit.
«Die Kantone zögerten, der Zentralregierung Befugnisse zu übertragen, und das galt auch für die Banknoten“, erklärt Patrick Halbeisen, Leiter des Archivs der Schweizerischen Nationalbank (SNB), «nicht zuletzt, weil sie Steuern auf die Ausgabe von Banknoten erhielten».
Vor 1906 gab es 36 so genannte «Emissionsbanken». Die Befugnis zur Ausgabe von Banknoten lag jedoch ab diesem Jahr ausschliesslich bei der neu gegründeten SNB. «Für die Bevölkerung war eine Zentralbank jedoch etwas sehr Abstraktes. Ich denke, dass es für diese neue Institution, die SNB, wichtig war, ein starkes Image zu vermitteln», sagt Halbeisen.
Die Nationalbank beauftragte daraufhin zwei der bekanntesten Künstler der damaligen Zeit mit der Gestaltung der Banknoten: Eugène Burnand und Ferdinand Hodler. Das Ergebnis war die zweite Banknotenserie, die langlebigste (die erste, die so genannte „Interimsserie“, wurde nach dem Vorbild der vorherigen Banknotenserien gedruckt, wobei die Rosette und das Bundeskreuz auf dem Aufdruck hinzugefügt wurden). Die von Burnand und Hodler unterzeichneten BanknotenExterner Link wurden erstmals zwischen 1911 und 1914 ausgegeben und erst 1956/57 ersetzt.
Die Ankündigung mag ein wenig verfrüht erscheinen. Denn die letzte Stückelung der neuen Serie, die 100-Franken-Note, ist erst seit 2019 im Umlauf. In jenem Jahr wurde das Gesicht von Alberto Giacometti durch Hände, die Wasser sammeln, ersetzt. Bösartig, wer jetzt denkt, der Künstler aus Graubünden habe sich aufgrund seiner Augenringe eine wohlverdiente Ruhe verdient.
Nach Angaben der SNB läuft jedoch alles nach Plan. Der Wettbewerb zum Thema «Weltoffene Schweiz» – die Grundlage für die aktuelle neunte Serie – wurde 2005 lanciert, und die erste Banknote kam nur elf Jahre später in Umlauf.
Es ist nicht zu leugnen: Die aktuellen Banknoten sind schön. Das ist nicht nur eine persönliche Meinung. Auch die International Bank Note Society (IBNS) fand sie gut und wählte die 50- und die 10-Franken-Note 2016Externer Link bzw. 2017Externer Link zur «besten Banknote des Jahres».
Allerdings (dies ist eine persönliche Meinung) fehlt der aktuellen Banknotenserie der Charakter, der einige der früheren Serien so emblematisch gemacht hat.
Vielleicht liegt es auch daran, dass immer weniger Bargeld verwendet wird oder am jungen Alter der aktuellen Serie. Tatsache ist jedoch, dass ich gehört habe, dass man von «drei Giacomettis» als Bezeichnung für 300 Franken spricht, aber ich habe noch nie jemanden sagen hören: «Das hat mich drei ‹Bisse d’Ayent› gekostet» (eine Suone – ein Wunderwerk des alpinen Wasserbaus im Wallis –, die auf der 100-Franken-Note abgebildet ist).
Neben Giacometti überschritten in derselben Serie (der achten) der Architekt Le Corbusier auf der 10-Franken-Banknote und Sophie Taeuber-Arp auf der 50-Franken-Banknote diese unsichtbare Grenze, um in das kollektive Gedächtnis der Schweizer:innen einzutreten.
Für Menschen, die sich mit der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts nicht so gut auskennen, ist Taeuber-Arp vielleicht weniger bekannt als die beiden anderen genannten Figuren, aber sie ist bis heute die einzige Frau, die je auf einer Schweizer Banknote abgebildet wurde.
Tierischer Charme
Die unbestrittenen Stars der sechsten Serie (die siebte Serie war eine Reserveserie, die nie in Umlauf gebracht wurde) sind der Mathematiker Leonhard Euler auf der 10-Franken-Note und der Barockarchitekt Francesco Borromini auf der 100er.
Vorausgesetzt, man betrachtet die Menschen. Denn die sechste Serie ist vor allem durch Tiere in Erinnerung geblieben: die Eule auf der Rückseite der 50er-Note und natürlich die Ameisen auf der 1000er-Note.
Die Persönlichkeit, die auf der Banknote mit dem höchsten Wert abgebildet ist, war der Psychiater, Neurologe und Entomologe Auguste Forel, der für seine Studien über die Gehirnstrukturen des Menschen und auch der Ameisen berühmt war.
Die durchschnittlichen Schweizer Bürger:innen kennen Forels Werk nicht. Aber die Note, auf der er abgebildet war, ist die vielleicht ikonischste Banknote, die je in der Schweiz gedruckt wurde.
Die Bezeichnung «Ameise» für den 1000-Franken-Schein wurde bald zur Gewohnheit, so dass der Spitzname auch nach der Ablösung der sechsten Serie beibehalten wurde.
Memento mori
Machen wir einen letzten Sprung in die Vergangenheit, um über eine der vielleicht beunruhigendsten Banknoten zu sprechen, die je gedruckt wurden: die fünfte Serie der 1000-Franken-Note (Erstausgabe 1956/57).
Obwohl die Tausendernote 57% des Werts aller heute im Umlauf befindlichen Schweizer Banknoten ausmacht, ist sie nicht oft zu sehen. Die 1000er-Note ist die wertvollste Banknote auf der Welt (mit Ausnahme der 10’000-Dollar-Banknoten aus Singapur und derjenigen des Sultanats Brunei, die beide nicht mehr hergestellt werden), und wenn man sie in den Händen hält, kommt man nicht umhin, ein Gefühl der Opulenz zu verspüren und sich vorzustellen, wie schön es wäre, so viele davon zu besitzen.
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Wie das Leben einer Banknote zu Ende geht
Man hat den Eindruck, dass die SNB mit dem Bild des Künstlers Pierre GauchatExterner Link beschlossen hatte, diejenigen auf den Boden zurückzuholen, die ihrer Fantasie auf diese Weise freien Lauf lassen wollten.
Die Banknote zeigte nämlich den «Totentanz», ein mittelalterliches ikonografisches Thema, bei dem Menschen (Männer, Frauen, Kinder, Päpste oder Herrscher) mit Skeletten tanzen.
Es ist offensichtlich eine Allegorie auf den Tod und die Vergänglichkeit des Lebens. «Du denkst, du bist reich und mächtig, wenn Du mich in den Händen hältst?» – scheint die Notiz sagen zu wollen – «nun, denk daran, dass Du sterben musst». Sicherlich eine starke Wirkung, aber ich bevorzuge immer noch die Ameise.
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Übertragung aus dem Italienischen mit der Hilfe von Deepl: Janine Gloor
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