Der Mann, der Metalldetektoren verstehen kann
Ende August ging die Nachricht der Entdeckung eines römischen Militärlagers auf 2200 Metern Höhe im Kanton Graubünden um die Welt. Der sensationelle Fund ist einem archäologischen Laien zu verdanken. SWI swissinfo.ch hat ihn getroffen, um mehr über seine Tätigkeit und das Phänomen der "Schatzsucher" in der Schweiz zu erfahren.
Romano Agolas Augen leuchten wie die eines Kindes. Er hat eine römische Bronzemünze gefunden. Zweitausend Jahre sind vergangen, seit sie das letzte Mal jemand in der Hand gehalten hat.
«Jeder Fund weckt bei mir starke Emotionen», sagt Agola. Als «Schatzsucher» möchte der 60-Jährige nicht bezeichnet werden, auch wenn er mit seinem breitkrempigen Hut auf dem Kopf ein wenig an Indiana Jones erinnert.
Und wie der Archäologe aus der berühmten Filmreihe kennt auch Romano AgolaExterner Link keine Angst. «Ich würde es eher eine Krankheit nennen», sagt er lächelnd. «Auf der Suche nach verborgenen Metallgegenständen habe ich mir fast ein Auge ausgestochen.»
Die Kunst der Schatzsuche
Mit einem Metalldetektor, einer Art Krücke mit einer Platte am Kopf, die wie ein Pendel ständig von rechts nach links schwingt, sondiert der Autodidakt den Boden eines Waldes im Kanton Bern.
Anhand des akustischen Signals, das der Detektor aussendet, erkennt Agola das vergrabene Metall: Eisen, Blei, eine Legierung oder einfach Alufolie.
«Mit den heutigen Geräten ist es viel einfacher, Objekte zu orten und zu identifizieren. Je nach elektromagnetischer Induktion des Metallobjekts und der Tiefe, in der es sich befindet, gibt der Metalldetektor einen anderen Ton von sich», sagt der Experte, während er zügig durch das Unterholz geht und sich einen Weg durch Büsche und Brombeersträucher bahnt.
Agola kennt die Sprache des Metalldetektors: «Ich mache das seit über 40 Jahren und weiss, wann es sich lohnt, zu graben», sagt er und hält inne, um genauer hinzuhören. «Hier ist eine Patronenhülse. Das ist ein Stück Eisen und das ist Alufolie.»
Um etwas zu finden, braucht man nicht nur Geschick und Fachwissen: Man braucht auch ein wenig Glück.
Vor rund zwei Jahren hatte der Grabungsexperte, der seit 15 Jahren regelmässig für den Archäologischen Dienst des Kantons Bern am Aareufer unterwegs ist, Glück.
«Ich fand einen Behälter mit 65 keltischen und römischen SilbermünzenExterner Link«, erzählt er. «Es war ein sensationeller Fund, ein Schatz, der die Hauptattraktion einer Sonderausstellung im Historischen Museum Bern wurde.»
99 Prozent der Funde sind Müll
Es war eine Entdeckung, die ihn für die unzähligen Stunden entschädigte, die er mit seinem Metalldetektor in Wäldern und auf Wiesen verbrachte.
«Die archäologischen Funde machen nur einen sehr kleinen Teil der Funde aus», sagt Agola und erklärt, dass er das Jahr 1850, das Jahr der Einführung der eidgenössischen Münzen, als Referenz für die Beurteilung des archäologischen Werts von Funden heranzieht.
Im Durchschnitt findet er 20 bis 30 Gegenstände pro Stunde, 99% davon sind Müll: Alufolie, Blech, Draht, Dosen, Nadeln, Nägel, Schrauben und Patronenhülsen. «In meiner Jugend habe ich fast nur Müll gefunden», sagt er und erinnert sich an den Tag, an dem er seine erste antike Münze fand.
«Ich war 14 Jahre alt und erntete Kartoffeln auf einem Feld. In der vom Pflug aufgewühlten Erde sah ich etwas glitzern: eine alte österreichische Münze. Das war wie eine Offenbarung für mich. Mir wurde klar, dass Schätze überall verborgen sein können. Man muss sie nur finden.»
Und so kaufte er sich von seinem ersten Lehrlingsgehalt in Deutschland für 300 Mark seinen ersten Metalldetektor.
«Ich fing an, mit dem Metalldetektor durch die Wälder zu streifen, wo ich zu meiner grossen Freude moderne Münzen zu 20, 50 Rappen oder einem Franken fand», erzählt Agola, der sechs Jahre warten musste, bis er etwas archäologisch wirklich Wertvolles fand: eine römische Münze.
«Voller Stolz wandte ich mich an den Archäologischen Dienst in Bern, der den Fund aber überhaupt nicht würdigte», sagt er heute und lächelt über seine jugendliche Naivität.
Sie verboten mir, weiterzumachen und warnten mich, dass sie das Material beschlagnahmen würden, wenn ich damit weitermachen würde.»
Wertvolle Quelle für die Schweizer Archäologie
Doch Agola suchte weiter in den Nachbarkantonen. Zum Glück. Denn es ist ihm zu verdanken, dass die archäologischen Fachstellen ihre Meinung über die Arbeit mit Metalldetektoren geändert haben.
Mit der Zeit machte sich Agola in der Fachwelt einen Namen. Der erste Kanton, der ihm sein Vertrauen schenkte, war Freiburg, der ihm erlaubte, auf dem Mont VullyExterner Link zwischen dem Neuenburger- und dem Murtensee zu suchen.
«Bei meinen Forschungen habe ich eine keltische Münze gefunden», sagt Agola und betont, dass dieser Fund der Schweizer Archäologie die Augen geöffnet habe. Seither betrachte sie ihn nicht mehr als Bedrohung für die historische Rekonstruktion, sondern als Verbündeten.
1997 lernte Agola den Zuger Kantonsarchäologen Stefan Hochuli kennen, der ihn mit der Prospektion der BaarburgExterner Link beauftragte, einem Plateau auf einem Hügel nordöstlich von Baar.
«Im ersten Jahr fand ich zahlreiche Artefakte aus verschiedenen Epochen, während die Fachleute der Universität Bern ohne Metalldetektor in zwei Jahren nur ein einziges Objekt aus der Eisenzeit entdeckten», sagt Agola.
Im Lauf der Jahre hat sich die Zusammenarbeit zwischen Hochuli und dem autodidaktischen Archäologen so gefestigt, dass Agola heute im ganzen Kanton Zug forschen darf.
Dies führte zur Entdeckung von Fundstellen, die zuvor von der Fachwelt übersehen worden waren. Ausserdem konnten historische Epochen mit wenigen Funden, wie etwa die Eisenzeit, plötzlich gut dokumentiert werden.
Die Skepsis der Fachwelt überwinden
Romano Agola gilt heute als Autorität auf dem Gebiet der Prospektion, auch dank seiner Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen und Institutionen wie der Kriminalpolizei, den Universitäten und verschiedenen kantonalen archäologischen Diensten. Er ist nicht mehr der Einzige, der mit Fachleuten auf diesem Gebiet zusammenarbeitet.
In der Schweiz gibt es einige hundert Sondengängerinnen und Sondengänger mit legalen Metalldetektoren, während die Zahl der illegal Operierenden auf mehrere Tausend geschätzt wird. Deren Tätigkeit ist gesetzlich verboten und stellt ein Problem für das archäologische Erbe dar.
Diese «Schatzsucher» ohne kantonale Bewilligung schädigen die Fundstellen, wenn sie Artefakte entfernen, ohne den Fund korrekt zu dokumentieren, wodurch wichtige Kontextinformationen verloren gehen. Zudem stehlen sie Artefakte, die dem Staat gehören.
Wer eine kantonale Bewilligung hat, muss die anfängliche Skepsis der Wissenschaft überwinden und ihr Vertrauen gewinnen. Denn die Archäologinnen und Archäologen befürchten, dass sich die Schatzsuchenden die besten Stücke aneignen oder ungenaue Angaben über die Herkunft der Objekte machen könnten.
«Für mich ist der grösste Wert die Anerkennung der archäologischen Gemeinschaft, die Veröffentlichung eines meiner Funde in einem Buch oder seine Ausstellung in einem Museum», sagt Agola. «Ich würde meinen Ruf nicht aufs Spiel setzen, indem ich eine antike Münze online verkaufe.»
Das heute gefundene Exemplar landete in einer nummerierten Plastiktüte. Nach fast vierstündiger Suche ist die Ausbeute bescheiden.
Neben der römischen Bronzemünze fand er eine weitere aus keltischer Zeit, einen Ring mit einem blauen Edelstein, vermutlich aus der Neuzeit, einige Schrotkugeln aus Musketenblei und ein Stück Schmiedeisen.
«War das ein guter Tag für mich?», fragt sich Agola. «Das ist es immer, wenn ich das Glück habe, etwas Altes und Datierbares in den Händen zu halten», sagt er und blickt zufrieden auf die Artefakte, die er unter einem bleiernen, regenverhangenen Himmel mitten in einem Wald im Kanton Bern ausgegraben hat.
Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub
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