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Die Bise – ein einzigartiges Schweizer Wetterphänomen

Ein Mann schaut auf hohe Wasserwellen, die über die Uferpromenade eines Sees geweht werden
Am Genfersee kann die Bise zu hohem Wellengang führen. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Wenn ein kalter, trockener Wind aus Nordosten durch das Schweizer Mittelland fegt, dann beklagen sich viele über Kopfschmerzen und andere körperliche Beschwerden. Es ist die Bise, die ihnen zusetzt. Was die meisten nicht wissen: Diesen speziellen Wind gibt es nur in der Schweiz.

Südfrankreich hat den Mistral, Kroatien und Norditalien haben die Bora, Spanien und Frankreich die Tramontana.

«Es gibt auf der ganzen Welt viele verschiedene Windsysteme, die oft ländertypische Namen haben», sagt Meteorologin Sabine Balmer von SRF Meteo.

In Südkalifornien kamen Anfang Jahr die Santa Ana Winds zu trauriger Berühmtheit. Sie verbreiteten die grossflächigen, verheerenden Brände in der Gegend um Los Angeles weiter, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kamen und mehr als 12’000 Häuser zerstört wurden.

Auch die Schweiz hat einen eigenen Wind: die Bise. Sie ist deshalb eine Eigenheit, weil sie spezifisch ist für die topografischen und meteorologischen Konstellationen des gegen Westen immer enger werdenden Mittellands.

Ein spezifisch schweizerisches Phänomen

Normalerweise bläst der Wind in der Schweiz von Westen her. Damit die Bise entstehen kann, braucht es ein Hochdruckgebiet über dem nördlichen Teil von Mittel- oder Nordeuropa und ein Tiefdruckgebiet über dem Mittelmeer. Dieser Druckunterschied führt zu einem Wind aus Osten bis Nordosten, der in Richtung Westen bläst.

Eine Bise kann zu jeder Jahreszeit entstehen. Kommt sie im Sommer, bringt sie «trockene Luft und Temperaturen, die meist der Jahreszeit entsprechen, mit sich», wie das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Meteoschweiz schreibtExterner Link.

«Im Winterhalbjahr bringt die Bise bei uns im Mittelland oft Hochnebel mit sich, da sich die kalte Luft in der ‹Badewanne› des Mittellands sammelt», sagt Balmer.

Was die Bise mit dem Mittelland zu tun hat

Betrachten wir das Schweizer Mittelland auf der Alpennordseite zwischen der Jurakette und den Alpen etwas genauer, stellen wir fest, dass es sich gegen Westen hin in Richtung des Genfersees immer stärker verengt.

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«Das Spezielle daran ist, dass die Bise den ‹Kanal› zwischen Jura und Alpen ideal ausnutzen und nicht nach Norden oder Süden ausweichen kann», sagt Balmer. «Zudem legt sie im Westen oft an Geschwindigkeit zu, da dort der Abstand zwischen den Gebirgen kleiner wird.»

Die Bise, die über dem Bodensee in die Schweiz eindringt, kann in der Region um den Genfersee herum schliesslich Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h oder mehr erreichen.

Dieser Starkwind und damit einhergehende Turbulenzen gefährden in der Westschweiz vor allem den Luftverkehr, wie Meteoschweiz in einem Übersichtspapier über typische Wetterlagen im AlpenraumExterner Link schreibt.

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Beeinträchtigungen im Verkehr

Auf den Strassen kann die Bise wegen umgestürzten Bäumen und herabgefallenden Ästen zu Verkehrsunterbrüchen führen. Beim Schienenverkehr können Oberleitungen beschädigt werden und Verspätungen provozieren.

Vorsicht ist bei dieser Wetterlage auch auf den Westschweizer Seen geboten, da die Bise besonders auf dem Genfersee oder dem Neuenburgersee zu starkem Wellengang führen kann. Zudem können kleinere Seen schneller zufrieren.

Ein Apfel mit Frostschaden
Frostschaden an einem Apfel einer Obstplantage in einer Thurgauer Gemeinde nahe des Bodensees. Keystone / Gian Ehrenzeller

Im Frühling und Herbst kann die Bise auch zu Frostschäden bei Nutzpflanzen wie Weinreben und Obstbäumen führen.

Ein positiver Aspekt der Bise ist laut SRF MeteoExterner Link, dass sie die Luftqualität verbessern kann, indem sie Schadstoffe aus dem Mittelland abtransportiert.

Und sie hat auch Eingang in den Wortschatz gefunden. Im Berndeutschen bedeutet der Ausdruck «wi ds Bisewätter» blitzschnell – so schnell eben, wie die Bise manchmal durch die Schweiz zieht und einigen Menschen Kopfschmerzen verursachen kann.

Blick auf einen überbrückten, engen Durchgang zwischen zwei mittelalterlichen Häusern. Inschrift auf der Brücke: "Z'Bääsedööri steit halt do fer z'Bysewätter düre zlo"
Das «Bäsetöri» in der Altstadt von Biel mit der Inschrift «Z’Bääsedööri steit halt do fer z’Bysewätter düre zlo» (Das Bäsetöri steht halt da, um die Bise durchzulassen). zVg Altstadtleist Biel-Bienne

Die Bise kann auf die Gesundheit schlagen

«Unter anderem bei Bise und Nebel reagiere ich mit Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Sehproblemen mit Lichtblitzen, Übelkeit und Schwindel», sagte vor ein paar Jahren ein damals 61-jähriger Mann gegenüber dem St. Galler TagblattExterner Link.

So schlimm ist es zum Glück nur bei den wenigsten Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz. Aber weil die Bise oft mit einem plötzlichen Temperaturabfall verbunden ist, beklagen sich wetterfühlige Menschen öfter über kleinere Beschwerden, wenn dieser Wind durchs Land zieht.

Vor allem bei stürmischem Wetter, Kälte, Feuchtigkeit und Regen würden Patientinnen und Patienten über Beschwerden klagen.

«Ob aber bestimmte Wettersituationen und Wetterfaktoren spezifische Beschwerden auslösen, ist nicht bekannt», zitiert das Migros-Gesundheitsmagazin Impuls einen PräventivmedizinerExterner Link.

Die Jahrhundertkälte von 1956

Schlägt die Bise im Winter zu, kann es zu einer Kältewelle führen, was besonders den Verkehr und den Energiebereich stören kann.

Die letzte wurde im Februar 2012 verzeichnet. Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt führten zu einem erhöhten Energiebedarf und zu Glätte und Schneeverwehungen auf den Strassen.

Menschen auf dem zugefrorenen unteren Teil des Bodensees im Jahr des vollständigen Zufrierens, 22. Januar 1963.
Die «Seegfrörni» von 1963: Die Menschen vergnügten sich auf dem komplett zugefrorenen Untersee des Bodensees bei Reichenau, aufgenommen am 22. Januar 1963. Keystone / Photopress-Archiv / Krebs

Im letzten Jahrhundert wurden gemäss St. Galler TagblattExterner Link auch 1986 und 1963 extreme Minustemperaturen gemessen. 1963 kam es am Bodensee zur so genannten «Seegfrörni»: Der gesamte See fror zu, unter anderem gingen Schulklassen auf dem See Schlittschuhlaufen.

Noch extremer allerdings war die Kältewelle vom Februar 1956, ebenfalls ausgelöst durch die Bise. «Die Monatsmitteltemperatur dieses aussergewöhnlichen Februars lag bei -9 Grad. Dies bedeutet Kälterekord in der 269 Jahre langen Messreihe seit 1755», schreibt SRF NewsExterner Link.

Editiert von Balz Rigendinger

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Gastgeber/Gastgeberin Zeno Zoccatelli

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