Die Woche in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland,
Willkommen zu unserer Auswahl einiger der wichtigsten – und buntesten – Geschichten der Schweiz in den letzten sieben Tagen.
Hier in Bern verharren wir seit etwa einer Woche in einer Wolke, aber der Nebel lichtet sich langsam. Der metaphorische Nebel hebt sich auch in Bezug auf die politische Situation in den Vereinigten Staaten. Obwohl wir jetzt wissen, wer dort der nächste Präsident sein wird, ist noch immer nicht klar, was eine zweite Amtszeit von Donald Trump für die Schweiz bedeutet. Wir werfen einen Blick auf die Reaktionen aus der Schweiz zur Wahl und beleuchten mögliche Konsequenzen.
In dieser Woche geht es zudem um den in Zürich geborenen Fotografen Robert Frank, der heute 100 Jahre alt geworden wäre und für "The Americans" berühmt ist, um die "wundersame" Rettung des Dorfs Edelweiss in Kanada und um ein ungewöhnliches Projekt, bei dem getestet wird, ob Büroangestellte auch genug lachen.
Die Schwerpunkte der Woche
Er ist zurück. Donald Trump gelang am Mittwoch ein bemerkenswertes politisches Comeback: Nach einem polarisierenden Wahlkampf, der von zwei Mordanschlägen auf ihn und dem späten Einstieg von Kamala Harris in das Rennen nach Joe Bidens Rückzug geprägt war, eroberte er das Weisse Haus zurück.
Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd twitterte ihre Glückwünsche an Trump und seinen Vizepräsidenten J.D. Vance und erklärte, die Schweiz freue sich darauf, «auf der Grundlage unserer gemeinsamen Werte und Interessen weiter zusammenzuarbeiten». Die USA sind nach der Europäischen Union der zweitgrösste Handelspartner der Schweiz.
Dennoch macht der Gedanke an vier weitere Jahre Trump, ein verurteilter Verbrecher, einige Menschen in der Schweiz nervös. Vor allem das internationale Genf hat bittere Erinnerungen an Trumps erste Amtszeit.
Wie fielen die Reaktionen hierzulande nach Bekanntgabe des Wahlresultats aus – auch angesichts der Meldung, dass die Schweiz eines der Trump-freundlicheren Länder Europas ist? Wie erwartet, waren die Politiker:innen gespalten, wie mein Kollege Matthew Allen berichtet. Trump sei «eine Bedrohung für Demokratie, Frieden, Frauenrechte und Klimaschutz» und seine Wiederwahl «eine verheerende Nachricht für die Welt», sagten zwei linke Politiker:innen. Ein Parlamentarier der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei hingegen sagte, Trumps Rückkehr «könnte auch die historische Position der Neutralität der Schweiz stärken».
Schweizer Unternehmen sind einerseits besorgt über steigende Zölle und Handelskriege, andererseits hoffen sie, dass die Schweiz mögliche Chancen unter Trump 2.0 ergreifen kann, zum Beispiel ein lang ersehntes Freihandelsabkommen mit den USA.
Eine Antwort auf den US-Protektionismus könnte sein, dass die Schweiz ihre angeschlagenen Beziehungen zur Europäischen Union repariert. «Überall auf der Welt sind Rechtspopulisten und Autokraten auf dem Vormarsch», sagte ein Politiker der Grünen Partei. «Der einzige Weg für die Schweizer Demokratie ist es, engere Beziehungen zu den europäischen Nachbarn zu knüpfen.»
«Wer sind die Amerikaner:innen?» Eine Frage, die sich in letzter Zeit einige Menschen auf der ganzen Welt gestellt haben dürften. Der Versuch einer Antwort auf diese Frage verschaffte dem in Zürich geborenen Fotografen Robert Frank Bekanntheit.
1955 brach Frank, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, zu einem zweijährigen Roadtrip durch die USA auf. Von seinen 28’000 geschossenen Fotos wählte er 83 für die Veröffentlichung in The Americans aus. Lesen Sie hier unseren Nachruf auf Frank (auf Englisch), der vor fünf Jahren verstorben ist.
«Als Robert Frank The Americans veröffentlichte, war er sich der Genugtuung bewusst, ein Meisterwerk abgeliefert zu haben», schrieb die Financial Times letzten Monat. Und weiter: Kritiker:innen meinten, die Bilder stellten einen «scharfen und bitteren Angriff auf einige US-Institutionen» und «ein mit Krieg überzogenes Bild Amerikas» dar.
Der Erfolg des Buchs stürzte Frank jedoch in eine kreative Sackgasse – «er fühlte sich dazu verdammt, den Rest seines Lebens mit der Wiederaufbereitung von The Americans zu verbringen», so die FT. Eine neue AusstellungExterner Link im MoMA in New York beschäftigt sich mit Franks «rastlosem Experimentieren» in den folgenden 60 Jahren.
- Robert Frank at MoMA – a photographer in conflict with his craftExterner Link (Financial Times auf Englisch, Paywall)
Wir bleiben in Nordamerika, machen aber einen Abstecher über die Grenze nach Kanada. Eine Gruppe historischer Chalets im Schweizer Stil, die vom Abriss bedroht waren, wurde gerettet! Wir haben sie besucht.
Das „Edelweiss Village“ liegt etwa 8000 km von der Schweiz entfernt, mitten in den Rocky Mountains im Westen Kanadas. Es wurde vor rund 125 Jahren als Unterkunft für Schweizer Bergführer gebaut, die Touristen auf die verschiedenen Berggipfel führten.
Vor drei Jahren kamen die baufälligen Häuser zu einem Schnäppchenpreis auf den Markt. Sie waren vom Abriss bedroht. Doch zwei Auslandschweizer:innen, Ilona Spaar und Johann Roduit, waren entschlossen, dieses Schweizer Kulturerbe zu retten. Meine Kollegin Melanie Eichenberger besuchte die «Edelweiss Village» mit seinen renovierten Chalets und sprach mit Spaar und Roduit über ihre Rettungsaktion.
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU standen in letzter Zeit im Mittelpunkt mehrerer hitziger Debatten, deren zentrale Streitpunkte die Einwanderung und die Personenfreizügigkeit waren (die EU will sie, die Schweiz nicht).
Am Dienstag wies die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) darauf hin, dass die Freizügigkeit eine Zweibahnstrasse sei und dass auf 11 EU-Bürger:innen, die in die Schweiz ziehen, nur ein:e Schweizer:in in die EU auswandert.
«Das ist insofern wenig überraschend, als die im europäischen Umland niedrigeren Löhne wenig anziehend wirken», schreibt die NZZ. «Doch sind die Löhne überhaupt relevant für Schweizer Auswanderer? Ziehen sie also in die EU, um dort zu arbeiten?» Leider gibt es zu dieser Frage kaum Daten, schreibt die Tageszeitung. «Theoretisch» kämen für Schweizer Auswandernde vor allem drei Motive infrage: Arbeiten/Studieren im Ausland, die Rückkehr in die Heimat mit Schweizer Pass und die Pensionierung.
Im Juni stellte ein Bericht der RegierungExterner Link fest, dass «die Staatsangehörigen der Hauptempfängerstaaten allesamt eine geringe Auswanderungsneigung aufweisen. Der Anteil der Schweizer/innen im EU-/EFTA-Ausland ist im Quervergleich besonders klein und wird nur von Norwegen noch untertroffen».
«Die Personenfreizügigkeit scheint nur wenige Schweizer zur Auswanderung in die EU zu motivieren», schliesst die NZZ.
Unser meistgelesener Nicht-Trump-Artikel dieser Woche (auf Französisch) handelt von einem Dokumentarfilm über Schweizer Schulfreunde. Nach ihrem Schulabschluss waren sie gezwungen, nach Spanien «zurückzukehren», dem Heimatland ihrer Eltern, das ihnen aber völlig fremd war.
Regie von My Spanish Friends (auf Deutsch: Meine spanischen Freunde) führte der Schweizer Filmregisseur Adrien Bordone, Sohn einer Schweizer Mutter und eines italienischen Vaters. Während seiner Schulzeit im schweizerischen Biel freundete sich Bordone mit den Kindern von Einwanderern aus Galizien im Nordwesten Spaniens an.
Der Film wurde teilweise in Galizien gedreht, wo Bordone die Eltern seiner Schulkameraden kennenlernte. Diese waren zurückgekehrt, um sich «ein Haus in der Heimat zu bauen». Aber was ist aus ihren Kindern geworden? Im Laufe des Films öffnen sich die Eltern und Kinder, die Bordone zusammengebracht hat. Wir sehen, wie jede und jeder seine Meinung äussert – und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen. Aus ehemals gehorsamen Teenagern sind skeptische Erwachsene geworden, welche die Folgen einer Entscheidung hinterfragen, die ihre Eltern 20 Jahre zuvor getroffen haben.
- Trailer zu «My Spanish Friends»Externer Link (auf Französisch)
Ungewöhnliche Schweiz
Normalerweise bin ich etwas skeptisch gegenüber Menschen, die zu viel lachen. In einem Schweizer Büro wird Mitarbeitenden, die nicht genug lachen, allerdings eine E-Mail mit einem lustigen Video geschickt.
Die Versicherung Baloise untersucht, wie häufig in einem Büro gelacht wird, um die Arbeitszufriedenheit zu verbessern.
«Ein durchschnittlicher Erwachsener lacht etwa 15 Mal am Tag, deshalb haben wir gesagt, vier Lacher in zwei Stunden sollten möglich sein, alles darunter ist ungenügend», sagt Projektleiterin Alexandra Toscanelli.
Ich gehe dieser lustigen Angelegenheit in diesem Artikel auf den Grund, und zeige zwei ehemalige Bundesräte, die viral gegangen sind und die Leute zum Lachen gebracht haben – aus sehr unterschiedlichen Gründen!
Das Bild der Woche
Auch Olympiasieger müssen Militärdienst leisten. Auf diesem Foto vom Mittwoch wird der Schwimmer Noè Ponti, der im vergangenen Monat den Weltrekord über 50 m Schmetterling aufgestellt hat, in Wangen in der Zentralschweiz mit Baskenmütze sowie Uniform und Ausrüstungsgegenständen der Armee ausgestattet. Ponti wird 18 Wochen in der Rekrutenschule verbringen.
Nächste Woche
Wenn Sie am Montag (dem 11. Tag des 11. Monats) um 11:11 Uhr in der Schweizer Hauptstadt sind, sollten Sie sich zum Käfigturm begeben. Dort können Sie miterleben, wie die Stadt Bern ihren Fasnachtsbären einsperrt (jemand im Bärenkostüm). Genau 111 Tage später wird die Berner FasnachtExterner Link eröffnet, wenn der Bär durch Trommeln geweckt und befreit wird.
Das ist ziemlich zahm im Vergleich zu dem, was in der Zentralschweizer Stadt Sursee am Montag, dem St. Martinstag, abläuft. Bei der Gansabhauet-Tradition versuchen Feiernde mit verbundenen Augen, eine tote an einem Draht hängende Gans zu enthaupten. Hier ist ein Leitfaden (auf Englisch), den ich vor ein paar Jahren über das Gansabhauet und vier andere bizarre Schweizer Bräuche geschrieben habe.
Editiert von Samuel Jaberg/gw; Übertragung aus dem Englischen mithilfe von DeepL: Claire Micallef
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