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Diese mobile Brücke gibt es nur in der Schweiz

Autos fahren über die "Astra Bridge" auf der Autobahn A1
Autos fahren über die "ASTRA Bridge" auf der Autobahn A1. Keystone / Peter Klaunzer

Für einmal ist eine Schweizer Erfindung richtig gross geworden: 257 Meter lang, 7,57 Meter breit und 4,65 Meter hoch ist die bewegliche Brücke, die seit 2022 den Verkehr über Wartungsarbeiten auf der Autobahn führen kann. Ihr erster Einsatz allerdings ging in die Hose.

Jeden Sommer hallt ein rituelles Murren durch die Schweiz: Landauf, landab, beklagen sich Benutzerinnen und Benutzer der Schweizer Autobahnen über die vielen Baustellen, die oft zu Staus führen.

Viele Wartungsarbeiten müssen in der warmen Jahreszeit durchgeführt werden, weil Nässe und Frost bestimmte Reparaturen und Belagsarbeiten unmöglich machen oder zu häufigeren Unterbrüchen führen können. Das kann die Bauzeit in die Länge ziehen.

Abhilfe schafft neuerdings eine mobile Brücke, die den Verkehr zweispurig über die Autobahn-Baustelle führt – eine Weltpremiere.

Jürg Merian hat das 1250 Tonnen schwere Ungetüm auf Rädern entwickelt. Der 57-jährige Projektleiter ist Spezialist für innovative Lösungen für Bauabläufe auf der Autobahn beim Bundesamt für Strassen Astra, weshalb die Brücke den Namen «Astra Bridge» trägt.

Zwei Männer in Sicherheitswesten unter einer mobilen Brücke
Projektleiter Jürg Merian (rechts) und Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra), beobachten die Montage der mobilen Baustellenbrücke auf einer Teststrecke. Keystone / Urs Flueeler

Laut der Neuen Zürcher Zeitung ist die «Astra Bridge» allerdings keine rein schweizerische Erfindung, sondern eine WeiterentwicklungExterner Link. Sie basiert auf der Fly-Over-Rampe einer österreichischen Firma. Sie besteht aus Modulen, die über eine Strasse gelegt werden können, um darunter zu arbeiten.

Diese österreichische Rampe sei in der Schweiz zu mehreren Einsätzen gekommen, unter anderem in St. Gallen, schreibt die Zeitung weiter. «Doch Merian war nicht ganz zufrieden. Erstens war die Rampe nicht mobil, zweitens waren die Arbeitsbedingungen für die Strassenbauer schlecht.»

Merians Astra-Team entwickelte die Rampe deshalb weiter und erhöhte den Arbeitsbereich unter der Brücke von 1,60 Meter auf 3 Meter. Ausserdem konnte der Lärm der darüberfahrenden Fahrzeuge deutlich reduziert werden.

Die mit 22 Motoren, 256 Rädern und einem Hydrauliksystem ausgestattete mobile Brücke kann nicht nur auf geraden Strecken eingesetzt werden, sondern auch in weiten Kurven bis zu einem Radius von 1000 Metern, wie Merian gegenüber SWI swissinfo.ch präzisiert.

Brücke soll viele Vorteile bringen

Montage und Demontage der Brücke finden an Wochenenden zwischen 20 Uhr abends und 10 Uhr morgens statt, um den Verkehr möglichst nicht zu beeinträchtigen.

Nach Angaben des Astra werden dazu 16 Tieflader-LKWs und drei Pneukräne benötigt, die von zwei 14-köpfigen Montageteams betreut werden.

Ein Arbeiter heizt den Asphalt auf unter der "ASTRA Bridge" auf der Autobahn A1 auf.
Geschützt vor Sonne und Regen, sollen die Reparaturarbeiten an den Autobahnabschnitten rascher vorangehen. Keystone / Peter Schneider

Für das Astra überwiegen die Vorteile der mobilen Brücke. Denn sobald sie montiert ist, muss der Verkehr nicht mehr über die Gegenfahrbahn geführt werden. Diese Trennung von Bauarbeiten und Verkehr bringe mehr Sicherheit für alle Betroffenen, heisst es.

Durch den Verzicht auf Nachtarbeit werden die Anwohnerinnen und Anwohner vor Lärm entlastet. Zudem seien das Personal und die Baustelle besser geschützt vor Regen und Sonne, was zu weniger witterungsbedingten Unterbrechungen führe.

Unter der Brücke kann ein Bauabschnitt von 100 Metern bearbeitet werden. Sind die Wartungsarbeiten unter der Brücke abgeschlossen, kann sie per Fernsteuerung 100 Meter weiter zum nächsten Bauabschnitt gefahren werden.

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Dem Erfolg ging ein harziger Start voraus

Die Brücke kann laut Astra mit 60 Kilometern pro Stunde befahren werden, und das Gefälle beim Übergang von der Strasse auf die Rampe zur Brücke und umgekehrt beträgt lediglich 1.25%.

So sollen auch Fahrzeugen «mit einer sehr tiefen Bodenfreiheit», also tiefergelegte Sportwagen, ohne Kratzer am Unterboden die Brücke befahren können.

Die Neigung dieser Rampe allerdings sorgte beim ersten Einsatz 2022 auf der A1 zwischen Recherswil und Luterbach für rote Köpfe. Es kam zu unerwarteten Verkehrsbehinderungen, zu Stau und Verkehrschaos.

Zudem sollen sich LKW-Fahrerinnen und -Fahrer über die «ruckelige» Fahrbahn auf der Brücke beschwert haben, wie Bild.de schreibtExterner Link.

Die Neigung der Auf- und Abfahrtsrampen war damals wesentlich steiler. Statt wie vorgesehen mit maximal 60 Kilometern pro Stunde rollte der Verkehr deutlich langsamer, da die Auf- und Abfahrt fast nur im Schritttempo erfolgen konnte.

Beinahe sah es schon nach einem Millionenflop aus. «Ein paar Beamte haben sich verwirklicht und ein Debakel produziert», zitierte die Neue Zürcher Zeitung einen Transporteur und Nationalrat der Schweizerischen VolksparteiExterner Link.

Ein LKW fährt von einer Rampe auf die Strasse
Vor der Optimierung der Rampe wurde diese auf einem Lagerplatz mit verschiedenen Fahrzeugen auf ihre Tauglichkeit getestet. Keystone / Ennio Leanza

Deshalb musste die Brücke überarbeitet werden. Die Rampe wurde verlängert, die Neigung verringert. Ab April 2024 war die optimierte Brücke ein halbes Jahr lang auf der A1 in Betrieb und hat sich laut SRF News bewährtExterner Link. Nach Angaben des Astra passierten es täglich etwa 85’000 Fahrzeuge.

Die Entwicklung und der Bau der «Astra Bridge» haben laut Bild.deExterner Link rund 20 Millionen Franken gekostet, die Optimierung nach dem missglücktem ersten Einsatz weitere fünf Millionen.

Gegenwärtig wird die Brücke modifiziert und soll gemäss aktuellen Angaben des Astra ihren nächsten Einsatz im Jahr 2026 haben. Laut Merian soll sie künftig auch in Kurven bis zu einem Radius von 800 Metern und auf leichten Steigungen eingesetzt werden können. «Wir werden das noch mit einem Fahrtest prüfen», schreibt er auf Anfrage.

Wird die Baustellenbrücke zum Exportschlager?

Die Berichterstattung über die «Astra Bridge» wurde auch im Ausland wahrgenommen und mit grossem Interesse verfolgt.

Seither hätten sich die Behörden von knapp zwanzig Ländern beim Astra bereits nach der Brücke erkundigt, schrieb die Website Streetlife.chExterner Link. «Norwegen wollte sie sogar mieten», wird Astra-Direktor Jürg Röthlisberger zitiert.

Wie 20 Minuten im September 2024 berichteteExterner Link, ging ein Video der Brücke des internationalen Mediums Unilad auf Instagram viral, obwohl darin fälschlicherweise von mehreren Brücken die Rede war. «In den Kommentaren zeigen sich die meisten neidisch auf die Schweiz», kommentierte 20 Minuten.

Editiert von Balz Rigendinger

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Gastgeber/Gastgeberin Zeno Zoccatelli

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